Was ist schiefgelaufen an jenem verhängnisvollen 9. Oktober 2018, als eine Sturzflut in den Orten Artà, Sant Llorenç des Cardassar, Son Carrió und s'Illot 13 Menschen in den Tod riss, Dutzende Häuser unbewohnbar machte, über 400 Autos zerstörte und Schäden von 91 Millionen Euro im Osten von Mallorca anrichtete? Nachdem die Aufarbeitung der Katastrophe in den Tagen und Wochen danach eher zögerlich verlief, liefert nun ein Abschlussbericht zumindest ansatzweise Antworten. Der Bericht stammt aus der Feder von Joan Pol, Direktor der Rettungsleitstelle, der auch für den Notfallplan für Überschwemmungen auf den Balearen (Inunbal) zuständig ist. Vorgestellt hat ihn am Freitag (18.1.) die Ministerin für öffentliche Sicherheit, Catalina Cladera. In dem Papier rechnet Pol vor allem mit dem Umweltministerium ab und zählt rund 20 Abläufe auf, die in den Stunden nach der Sturzflut nicht funktionierten, wie sie im Idealfall eigentlich zu funktionieren hätten.

Zunächst einmal, so hält Pol in dem 38-seitigen Bericht fest, habe eine frühzeitige Warnung vor der extremen Wetterentwicklung gefehlt, was zur Folge gehabt habe, dass „einige öffentliche Stellen sich des Ausmaßes des Problems nicht bewusst" geworden seien. Bis es nicht zu schweren Zwischenfällen gekommen sei, hätten die zuständigen Stellen nicht über die nötigen Informationen verfügt, um etwa Menschen in Sicherheit bringen zu können. An dieser Stelle wiederholt Pol die Kritik an der staatlichen Wetterbehörde Aemet, die bereits kurz nach dem Unwetter vonseiten der Balearen-Regierung kam. Umso wichtiger sei es, in Zukunft über mehr Möglichkeiten zu verfügen, auch lokale Wetterereignisse schneller vorherzusagen und zu identifizieren.

Kommentar: Und wenn es nicht den einen Schuldigen gibt?Personalmangel bei der 112

Ein weiteres grundlegendes Problem war laut Pol der „Personalmangel" in der Rettungsleitstelle 112, dessen Effekt noch dadurch verstärkt wurde, dass in der fraglichen Zeit kein Mitarbeiter verfügbar war, der die einlaufenden Daten hätte analysieren und somit bei der Entscheidungsfindung helfen können. Laut Pol ist eine solche Figur im Organigramm der Rettungsleitstelle gar nicht vorgesehen. Ganz generell sei mit mehr Personal sowie besserer Ausrüstung in derartigen Ausnahmefällen wohl ein schnelleres und zielgerichteteres Eingreifen möglich gewesen. So stand beispielsweise kein Rettungshubschrauber parat, der nachts eingesetzt werden kann.

Die heftigste Kritik bekommt in dem Bericht das Umweltministerium ab. So habe die dem Ministerium zugeordnete Generaldirektion für Wasserwirtschaft „nicht alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten" umgesetzt, die ihr mit dem Notfallplan Inunbal aufgetragen worden seien. Außerdem habe die Generaldirektion in den fraglichen Stunden und Tagen ein effektives Krisenmanagement und eine ausreichende Beteiligung vermissen lassen. Das habe die Arbeit von Pol erschwert. Problematisch sei auch gewesen, dass das Institut Balear de la Natura (Ibanat) ausschließlich für die Bekämpfung von Waldbränden ausgestattet sei, aber nicht für andere Naturkatastrophen. Weder sei das Personal dafür geschult, noch verfüge Ibanat über die nötige Ausrüstung für einen Einsatz in einem Überschwemmungsgebiet . Trotzdem halfen die Mitarbeiter von Ibanat nach der Sturzflut mit, wo sie konnten.

Deutlich wurde laut Pol in der Flutkatastrophe von Sant Llorenç das Fehlen einer übergeordneten Behörde, die bei derartigen Szenarien die Koordination übernimmt. Nach Angaben der Ministerin Cladera soll bereits in dieser Woche mit verschiedenen Ministerien über den Aufbau einer solchen Instanz beraten werden. Noch sind das allerdings lediglich Absichtserklärungen der Politiker.

Wo bleibt die Liste der Notrufe?

In der Regierung hat der von der Sozialistin Cladera präsentierte Bericht zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Das von Vicenç Vidal (Més) geleitete Umweltministerium beschuldigt Pol, damit eigene Versäumnisse zu vertuschen. Am 9. Oktober habe sich „niemand weder mit Ibanat noch mit der Generaldirektion für Wasserwirtschaft in Verbindung gesetzt". In der Folge seien es die Verantwortlichen der beiden Stellen, Joan Ramon Villalonga und Juana María Garau, selbst gewesen, die ihre Hilfe angeboten hätten.

Nähere Aufschlüsse über die Arbeit der Rettungsleitstelle könnte eine Liste der Notrufe in der fraglichen Nacht bieten, deren Herausgabe die oppositionelle Volkspartei (PP) schon mehrfach gefordert hat. Die Ministerin Catalina Cladera verweigert dies mit dem Hinweis auf den Datenschutz. Die Juristen der Regierung hätten die Herausgabe der Daten nicht autorisiert. Ausgehändigt hat Cladera der PP lediglich die Berichte der Wetterbehörde Aemet vom 9. Oktober.

Auch beim Thema Notruf-Liste ist das Umweltministerium Cladera nun in die Parade gefahren. „Man gibt die Liste nicht heraus, damit nicht die nicht erfolgte oder spät erfolgte Aktivierung der Rettungskräfte herauskommt", heißt es in einer Stellungnahme. Eine Analyse der Notrufe könnte womöglich auch die Frage klären, ob die Straßen in der Region rechtzeitig gesperrt wurden. Die meisten Todesopfer waren Insassen von Pkw, die von den Wassermassen weggespült wurden.

Ebenfalls einen Bericht zur Flutkatastrophe vorgelegt hat die Guardia Civil. Darin heißt es, dass um 19.30 Uhr acht der zehn wichtigsten Straßen in der Region gesperrt worden seien. Die Sturzflut sei „plötzlich und gewaltig" gewesen. In den Stunden danach habe man 252 Menschen retten können, davon 200 aus Fahrzeugen. Es sei „gute Arbeit" geleistet worden. Das Fazit des Berichts: Die 13 Todesopfer seien kaum zu vermeiden gewesen. „Ein absoluter Schutz ist nicht möglich."