Der 8. August 2017 hätte zu einer Zäsur werden können für das Mehrfamilienhaus an der Playa de Palma, in dem das Ehepaar Grüner wohnt. An jenem Tag trat offiziell das neue Regelwerk zur Ferienvermietung auf den Balearen in Kraft. Die Situation bis dahin: Gleich fünf der neun Apartmenteigentümer vermieteten im großen Stil, illegal und weitgehend unbehelligt an Urlauber. Der Vorsitzende der Eigentümergemeinschaft habe das sogar für andere mitorganisiert, berichtet Ingrid Grüner (Name v. Red. geändert). „An einem Vatertag hatten wir auf einen Schlag 15 junge Männer im Haus, sie standen morgens um fünf auf dem Balkon, pinkelten in den Garten und kotzten ins Treppenhaus." Eine Anzeige im Tourismusministerium sei ad acta gelegt worden.

Genervte Anwohner, ein Mietmarkt, der aus den Fugen gerät, Wohnungsnot in Palmas Altstadt, Stimmungsmache gegen Rollkoffer-Touristen - die Ferienvermietung ist eines der heißesten Eisen der zu Ende gehenden Legislaturperiode. Die Antwort der balearischen Linksregierung war ein im August 2017 nach langen Diskussionen in Kraft getretenes Regelwerk. Es ermöglicht einerseits, Lizenzen zur Vermietung von Apartments an Urlauber zu bekommen - das war bis dahin auf den Balearen illegal. Andererseits verschärfte es die Restriktionen, erhöhte drastisch die Strafen und vereinfachte die Arbeit der Inspektoren.

Fast so wie früher

Im Mehrfamilienhaus, in dem die Grüners wohnen, aber hat die Neuregelung nichts Grundlegendes geändert. Sicher, ein Nachbar, der bislang an Urlauber vermietete, habe verkauft. „Er hat gemerkt, dass wir ihm Steine in den Weg legen würden, und er hat vielleicht ein bisschen Angst bekommen." Ein anderer habe erst mal auf Langzeitmiete umgestellt. Und auch die Werbung für die Ferienvermietung in dem Haus so nahe an der Partymeile der Playa de Palma sei aus den Plattformen und sozialen Netzwerken verschwunden.

Doch in mehreren Wohnungen des Gebäudes geht das Geschäft weiter, fast so wie früher. Seit Dezember haben die Grüners sieben verschiedene Bewohner in der Wohnung unter ihnen gezählt. Werbung sei dafür ganz offensichtlich gar nicht mehr nötig, dank der großen Zahl von Stammkunden, die diskret per E-Mail oder Whatsapp angeschrieben würden. Und zum Saisonbeginn rechnet das Ehepaar wieder mit dem Schlimmsten.

Die Grüners haben sich in ihrer Not an den Dachverband der Nachbarschaftsvereinigungen in Palma gewandt, der Ende vergangenen Jahres betroffenen Anwohnern Hilfe angeboten hatte. Der Vorsitzende Joan Forteza kennt deswegen die Probleme aus erster Hand, und seine Einschätzung der Lage im Stadtbezirk Palma deckt sich im Prinzip mit dem der Familie Grüner: Unerfahrene Privatleute lassen inzwischen durchaus die Hände von der illegalen Vermietung. Die Ausgefuchsten und einige Big Player dagegen machten größtenteils weiter wie bisher. In Zahlen: Während immerhin vier Fünftel der Privatanbieter ihrer Apartments vom Markt genommen hätten, seien es bei den Portalen bislang nur zwei Fünftel, so Forteza. „Viele Privatleute haben Angst vor Strafen, aber die internationalen Konzerne lassen es einfach darauf ankommen."

Der Fall Airbnb

Die Rekordstrafen gegen Internetportale, die das balearische Tourismusministerium verhängte, sorgten für Schlagzeilen - gezahlt ist ist bislang aber noch keine von ihnen. Da wäre zum einen eine Geldbuße von 300.000 Euro für den Konzern Airbnb, der auch nach Aufforderung illegale Angebote nicht aus dem Netz nahm. Diese Strafe sei inzwischen endgültig, meint Antoni Sansó, zuständiger Generaldirektor im Landesministerium, im Gespräch mit der MZ. Doch nun sei es Sache des Finanzministeriums, die Geldbuße auch einzutreiben. Inzwischen hat ein Gericht entschieden, dass Airbnb die Strafe umgehend zahlen muss und nicht bis zum Ende des Verfahrens warten darf. In zwei weiteren Fällen - Tripadvisor und Homeaway - stehe das Bußgeldverfahren kurz vor Abschluss. Die Bußgelder belaufen sich theoretisch ebenfalls auf jeweils 300.000 Euro.

Im Fall von Privatleuten kann das Tourismusministerium für das vergangene Jahr - trotz der weitverbreiteten illegalen Vermietung auf Mallorca - insgesamt nur 119 Strafverfahren vermelden, nach 54 im Jahr zuvor. Immerhin könnten im Zuge dieser Verfahren von 2018 Strafzahlungen in einer Gesamthöhe von 1,5 Millionen Euro zusammenkommen.

Wo bleiben die Inspektoren?

Warum greifen die Inspektoren noch immer nicht härter durch? Fehlende Ressourcen, zu wenig Personal, fehlende Professionalität, fehlende Motivation? „Ich habe den Eindruck, es ist eine Mischung aus alledem", meint Anwohnersprecher Forteza.

Generaldirektor Sansó sieht die Sache naturgemäß anders. Er verweist darauf, dass man sich zunächst auf große Anbieter konzentriere. „So erwischen wir viele Wohnungen auf einen Schlag." Privatleute, die Apartments anbieten, würden dagegen nicht routinemäßig überprüft, sondern nur nach Hinweisen. „Wenn es keine Anzeigen gibt, kümmern wir uns um andere Dinge." Andere Dinge heißt: Inspektionen in Hotels, Restaurants oder bei Mietwagenfirmen, wofür die inselweit 15 Inspektoren und drei Oberinspektoren ebenfalls zuständig sind. Die nötige Aufstockung der Belegschaft kommt trotz vollmundiger Ankündigungen nicht voran, wie Sansó einräumt. Er führt wortreich verwaltungstechnische Argumente an und lässt dabei auch Vergleiche mit anderen Bereichen der öffent­lichen Verwaltung nicht gelten. „Wir können keine geltenden Gesetze missachten", sagt Sansó und verweist unter anderem auf die Sparauflagen, die die Zentralregierung in den Krisenjahren erlassen hatte. Im Haushalt für 2019 seien nun endlich fünf zusätzliche Stellen für Inspektoren und zwei oder drei für Oberinspektoren vorgesehen. Nun müssten diese Stellen aber erst öffentlich ausgeschrieben werden. Das könne noch einige Monate dauern, und man müsse erst einmal schauen, wer überhaupt die Prüfungen bestehe. Es sei übrigens die erste Personalaufstockung seit rund 30 Jahren. Aber die anderen Ministerien hätten auch Personalbedarf, und man könne sich das Geld ja nicht aus den Rippen schneiden.

Darüber hinaus liege es in der Natur der Sanktionsverfahren, dass sich diese hinzögen. Die Inspektoren seien stets in der Beweispflicht, sagt Sansó mit Verweis auf den Schutz der Bürgerrechte. „Die hundert Sanktionsverfahren des vergangenen Jahres sind das Ergebnis von mehreren Hundert von Anzeigen." Ein Großteil von ihnen bleibe aber aus Mangel an Beweisen auf der Strecke.

Dann beweisen Sie das mal

Beweise, Beweise - diese Worte bekommt ­Ingrid Grüner auch ständig zu hören, auch bei der Einwohnervereinigung, die ihre Anzeige weiterleiten soll. Doch das Unterfangen stellt sich schwieriger dar als gedacht. Die verräterische öffentliche Werbung für die Nachbarwohnungen ist schließlich passé. Ihre Berichte, die Fotos von Urlaubern auf den Balkonen - das reicht alles nicht. Nötig sei vielmehr eine Art Detektivarbeit, das heißt, sich auf die Lauer legen, wenn die Mieter mit dem Rollkoffer kommen, dem Vermieter besser gleich per Whatsapp eine Falle stellen. „Wir haben das Gefühl, die Behörden wollen Beweise, die wir einfach nicht liefern können."

Man könne nun einmal nicht die Arbeit der Verwaltung übernehmen, meint Anwohnersprecher Forteza. Auch er hat die Erfahrung gemacht, dass inzwischen oft Detektivarbeit notwendig ist. Denn Fotos auf Portalen zeigen nur Innenansichten, genaue Adressen werden erst nach der Buchung herausgegeben, und „in einigen Gebäuden der Innenstadt leben praktisch keine Einheimischen mehr, die uns ­Informationen geben können."

Die Schwierigkeiten bei der Inspektion sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Der Schwarzmarkt sei nur mit einer umfassenden Legalisierung in den Griff zu bekommen, argumentiert denn auch Joan Miralles, ­Vorsitzender

des Verbands der balearischen Ferienvermieter (Habtur). Obwohl die Zahl der Ferienwohnungen in Palma in zwei Jahren um 53 Prozent zurückgegangen sei, sei die Wohnungsnot nach wie vor groß. Statt nach Lösungen werde nach Sündenböcken gesucht.

Wo ist die Lizenznummer?

Immerhin haben es die Inspektoren inzwischen in einigen Punkten leichter. So müssen die Anbieter auf den Portalen die Lizenznummer angeben, und es kann leichter gegen die Werbung an sich vorgegangen werden - ohne erst vor Ort an die Tür zu klopfen. Einige Immobilienagenturen haben sich deswegen inzwischen aus dem Geschäft mit den illegalen Ferienapartments zurückgezogen. Die Lizenznummer kann zudem inzwischen auch mit einer Handy-App mit GPS-Funktion überprüft werden, die das Tourismusministerium herausgegeben hat. Mit ein paar Klicks kann so jeder checken, ob er es mit einer legalen Ferienwohnung zu tun hat.

MZ-Leser Norman Nötzold hat die App mit Fincas in seiner Umgebung getestet. Seine Kritik: Die Datenbasis sei inkonsistent etwa bei den Adressangaben zu polígono/parcela, die Darstellung der Ferienhäuser auf der Karte teilweise falsch. Und auch die Namenssuche erweise sich als schwierig: Auf Online-Portalen würden diese zum Teil gar nicht oder unvollständig angegeben.

Generaldirektor Sansó räumt ein, dass einige Angaben veraltet seien. Die Datenbank werde aber immer weiter aufgefüllt und ergänzt. „Das wird jeden Tag ein bisschen perfekter", sagt er. Zudem habe man die Erfahrung gemacht, dass als Folge der App die Zahl der Anzeigen weiter in die Höhe gegangen sei.

Die Wut der Anwohner

Und dann gibt es die Fälle, bei denen der öffentlichen Verwaltung die Hände gebunden sind. Ein aktuelles Paradebeispiel sind eine ganze Reihe von einem norwegischen Unternehmer gekaufte und an Urlauber vermietete Häuser in Palmas Viertel Son Espanyolet. Die Anwohner laufen Sturm dagegen. „Son ­Espanyolet wird verkauft" und „Gentrifizierung in Echtzeit", heißt es beim Radiosender Cadena Ser, der fast täglich über den „offenen Krieg" berichtet. Feindselige Graffiti tauchen auf, der Unternehmer zeigt inzwischen Sachbeschädigung an seinem Auto an.

Man prüfe derzeit alle Lizenzen im Fall Son Espanyolet, versichert Sansó, er könne aber nichts sagen, bevor der Vorgang abgeschlossen sei. „Deswegen dürfen die Menschen nicht glauben, dass wir untätig sind." Aber klar ist auch: Wenn es sich um Einfamilienhäuser handelt, muss die Ferienvermietung nach einem korrekten Antrag erlaubt werden - und für den Betriebsstart genügt die Selbstverpflichtungserklärung (DRIAT), für die es bereits eine vorläufige Lizenznummer gibt. „Und wenn die Zahl der Gästebetten laut Bewohnbarkeitsbescheinigung eingehalten wird, muss dies genehmigt werden, ob es uns gefällt oder nicht", sagt Sansó. Hinzu komme noch, dass eines der Häuser, in dem illegale Ferienvermietung kritisiert werde, inzwischen offiziell ein Hotel sei.

Klage gegen Bürgermeister

Die Schwierigkeit, die Ferienvermieter in ihre Schranken zu weisen, liegt aber sicherlich auch an ihrer inzwischen gewaltigen Lobby-Macht, die nicht nur mit PR-Arbeit, sondern auch mit Anwälten erfolgreich ist: So hat ein Gericht jetzt eine Klage gegen Palmas Bürgermeister Antoni Noguera wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch zugelassen. Der spanische Branchenverband Fevitur argumentiert, Noguera habe Berichte „willkürlich" und „fern der Realität" anfertigen lassen, um damit ein pauschales Verbot der Ferienapartments in Palmas Altstadt zu begründen.

Die Klage sei „politisch motiviert", hält Noguera dagegen und wehrt sich gegen Rücktrittsforderungen der konservativen Opposition. Dabei weiß der Bürgermeister inzwischen auch alle Parteien der Linksregierung hinter sich. Die Stadtverwaltung habe schlicht die im balearischen Tourismusgesetz vorgesehene Zonen-Regelung ausgeführt, so Noguera. Dabei habe man das Allgemeininteresse und das Recht auf eine eigene Wohnung verteidigt. Die Branchenverbände dagegen verfolgten rein kommerzielle Ziele gegen den demokratischen Willen der Bürger.

Zugelassen wurde inzwischen auch eine Klage des balearischen Verbands der Ferienvermieter gegen die Zonenregelung in Palma de Mallorca, die die Vermietung von Apartments an Urlauber größtenteils untersagt.