Gut 29 Jahre ist es her, dass Emilio Oyarzabal zum ersten Mal seinen Dienst als Ortspolizist in Palma de Mallorca antrat. Mittlerweile sind Bart und Haare teilweise ergraut, auch ein kleiner Bauchansatz ist zu sehen. Früher, das gibt Oyarzabal zu, sei er fitter gewesen. Drei Jahre noch, maximal vier, dann kann der heute 56-Jährige in Rente gehen. So wie ein Großteil der Beamten der Ortspolizei auf den Balearen. Die „Policía Local", das ist jener Polizeiapparat, der in Spanien auf Gemeindeebene für das friedliche Zusammenleben der Bürger zu sorgen hat. Verbrechen und Straftaten geben die Ortspolizisten an die Kollegen von Guardia Civil und Nationalpolizei weiter.

Das Durchschnittsalter von Mallorcas Ortspolizisten liegt bei 45 Jahren. Und seit Anfang dieses Jahres dürfen die Ordnungshüter dank einer Gesetzesänderung bereits mit 59 statt wie bisher mit 65 Jahren in den Ruhestand treten. „Die Belegschaft ist in allen Gemeinden durchweg überaltert, schon jetzt fehlt es überall an Beamten. In den kommenden Jahren wird das noch schlimmer", prophezeit Oyarzabal. „Die Politik will einfach nicht hören, dabei ist die Situation grenzwertig."

Ein- bis zweimal in der Woche ist der Mallorquiner in Zivil in einem kleinen Büro im Carrer Joan Bonet in Palma anzutreffen. „Sindicat Professional de Policies Municipals" steht in weißen Lettern auf blauem Grund über der Eingangstür geschrieben - die Gewerkschaft der Ortspolizei auf den Balearen. Hier fungiert Oyarzabal als Generalsekretär, kämpft für die Rechte der insgesamt rund 2.000 Ortspolizisten, die auf Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera tätig sind. An den anderen Tagen wechselt er Jeans und Pullover gegen die blaue Dienstuniform und kämpft an der Playa de Palma gegen Ruhestörung, Alkoholexzesse und illegale Straßenhändler.

Im Laufe der Jahrzehnte habe er Menschen aus brennenden Gebäuden, dem Meer oder Unfallfahrzeugen gerettet und unzählige Nachbarschaftsstreits geschlichtet, berichtet er. „Man fühlt sich nützlich", sagt Oyarzabal nachdrücklich. Obwohl es natürlich auch harte Tage gebe. So wie erst neulich, als er stundenlang versuchte, einen Mann an der Playa wiederzubeleben - und letztlich erfolglos blieb. „Trotzdem würde ich mich wieder für diesen Beruf entscheiden, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte."

Carles Alomar (48) nickt zustimmend. Auch er ist in der Gewerkschaft tätig, auch er arbeitet als Ortspolizist an der Playa de Palma. Und auch er kann sich keinen Beruf vorstellen, der besser zu ihm passen könnte. Vielleicht ist es gerade ihre Liebe zum Beruf, die Oyarzabal und Alomar zu Gewerkschaftern macht. Gegen die veraltete technische Ausrüstung („die stammt aus den 90er-Jahren"), gegen den mangelhaften Fuhrpark („die Fahrzeuge gehen kaputt und werden nicht ersetzt") und eben gegen den wachsenden Personalmangel.

„In Palma haben wir momentan 643 Beamte, die über den Tag verteilt eine der drei Schichten übernehmen. Vor Jahresbeginn waren es noch 50 mehr, aber die sind bereits in Rente gegangen", berichtet Alomar. Insgesamt haben mehr als 100 Beamte in der Balearen-Hauptstadt das Recht, bis Jahresende den Ruhestand einzuleiten. Und Nachwuchs ist kurzfristig nicht in Sicht.

Sechs monate Intensivkurs

„Im Jahr 2017 haben wir zum letzten Mal 48 neue Beamte für den Dienst der Ortspolizei ausgebildet - für die gesamten Balearen. Seitdem niemanden mehr", sagt Josep Maria Aguiló. Er ist der Ausbildungsleiter für Ortspolizisten, Sicherheitsdienstler und Feuerwehrleute an der öffentlichen Verwaltungsschule EBAP, die die balearische Landesregierung in den hellen Räumlichkeiten an Palmas Ausfallstraße Carrer Gremí de Corredors führt. Jeder Ortspolizist, der auf den Inseln in den vergangenen Jahren neu ins Amt eingeführt wurde, hat hier gelernt. Sechs Monate Intensivkurs, 800 Stunden Anwesenheitspflicht, Unterricht bei 80 extern angeheuerten Dozenten. Schießtraining, deeskalierende Kommunikation, Bürgernähe, Häusliche Gewalt, Verkehrsrichtlinien, Verwaltung von Bußgeldern - die Bandbreite an Themen, die die Ordnungshüter in spe in der EBAP lernen, ist groß.

„Es stimmt. Derzeit gibt es in allen Inselgemeinden zu wenig Beamte", sagt Aguiló und wiegt bedauernd den Kopf. Nicht, dass es an Interessenten mangele. Auf vier ausgeschriebene Plätze in der Gemeinde Sóller hätten sich kürzlich 50 Anwärter beworben, auf zwei Stellen in Santanyí 42. „Der Grund ist vielmehr das bisherige System", so Aguiló und holt aus: Ursprünglich sei es die Polizeischule selbst gewesen, die bestimmt habe, wann eine neue Basisausbildung startet. „Das geschah alle zwei bis drei Jahre, immer dann, wenn genügend freie Stellen auf den Inseln zusammengekommen waren, damit sich ein neuer Kurs lohnt." Nach dem Basiskurs wurden die Beamten den jeweiligen Gemeinden zugeteilt.

Das Problem: Viele Gemeinden warten trotz Beamtenmangels jahrelang, bis sie neue Stellen ausschreiben - sei es aus Kostengründen oder Gedankenlosigkeit. Die Konsequenz: Im Ausbildungspool der Polizeischule gehen kaum Bedarfsmeldungen ein, der Start des Basiskurses wird immer weiter hinausgezögert und die Gemeinden, die frühzeitig tätig geworden sind, müssen teilweise jahrelang auf fertig ausgebildeten Nachwuchs warten.

„Seit einer Gesetzesänderung 2017 ist das anders", so Aguiló weiter. Jetzt müssten die Gemeinden nicht nur selbst ihren Bedarf an Nachwuchspolizisten anmelden, sondern sich auch um das Auswahlverfahren, die oposiciones, kümmern. Die hatte bisher die EBAP zentral organisiert. Künftig sollen die Polizeischüler bereits vor dem Start an der Polizeischule wissen, in welcher Gemeinde sie anschließend arbeiten werden. Und: Ab Januar 2020 bietet die EBAP jedes Jahr mindestens einen Basiskurs an - auch dann, wenn nur eine Handvoll Schüler zusammenkommt. Übertrieben lange Wartezeiten sollen so verhindert werden. Theoretisch. Ob das Gros der Gemeinden dem auch nachkommt, und weitsichtig plant, sei eine andere Frage, sagt auch Aguiló. „Das können wir natürlich nicht wissen, die Fristen Laufen noch. Der Kurs zum 13. Januar beginnt aber in jedem Fall."

Harte Prüfungen

Adrián Reifs zweifelt daran, dass die Gemeinden tatsächlich rechtzeitig aktiv werden. „Die örtlichen Verwaltungen sind, was die Rekrutierung des Nachwuchses angeht, derzeit ein einziges Chaos", sagt er. „Da müssen sich die Rathäuser nicht wundern, wenn ihnen jetzt die Polizisten wegbrechen." Reifs ist Anwalt und Leiter der privaten Akademie Reisan. Hier bereiten sich kontinuierlich Anwärter der Ortspolizei auf die harten Aufnahmeprüfungen vor, die als Freifahrtschein zur eigentlichen Polizeischule dienen. 125 Euro pro Monat zahlen die Anwärter für zehn Wochenstunden Vorbereitungskurs. Trainiert werden gezielt die sechs Prüfungsfelder der oposiciones, die sowohl sportliche Aufgaben als auch psychologische Tests und inhaltliche Fragen zu verschiedenen Rechtsgebieten umfassen.

Mitmachen kann jeder, der volljährig ist, die spanische Staatsbürgerschaft, einen Autoführerschein, das spanische Abitur oder einen gleichwertigen Abschluss und ein Katalanisch-B2-Niveau vorweisen kann und keine Vorstrafen hat. „Man muss sich nicht bei uns vorbereiten, einige stellen sich allein den Aufnahmeprüfungen. Aber es hilft enorm, das zeigt die Durchfallquote", wirbt Reifs für seine Akademie. Sein Vater - selbst Ortspolizist - hat sie 1990 gegründet.

Einige Anwärter kämen sechs Monate zu den Vorbereitungskursen, andere ein ganzes Jahr lang. „Wenn man dann noch die Wartezeiten bis zu den Prüfungen einberechnet, und die unregelmäßigen Kursstarts an der Polizeiakademie, kann es vom Wunsch, Ortspolizist zu werden, bis zum ersten Arbeitstag Jahre dauern", so Reifs weiter. „Aber da der Mangel an Beamten bald so groß sein wird, dass die Gemeinden etwas unternehmen müssen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt für Neubewerber."

Eine Charakterfrage

Haben die Nachwuchs-Polizisten die Aufnahmeprüfungen bestanden und ihren Basiskurs an der EBAP absolviert, geht es zunächst in eine vier- bis sechsmonatige Praxiszeit in der jeweiligen Gemeinde. Dort sind die Neulinge stets mit dienstälteren Beamten zusammen unterwegs und lernen den Alltag kennen. „Als Ortspolizist muss man sich vor allem dem öffentlichen Wohl verpflichtet fühlen, hilfsbereit und ethisch gefestigt sein und ein gutes Sozialverhalten haben", so Josep Maria Aguiló von der EBAP. Er war einst selbst als Ortspolizist tätig und kennt die alltäglichen Herausforderungen. „Es fehlt vor allem an Frauen, nur rund sieben Prozent der Beamten sind weiblich, weil sich nur sehr wenige bewerben."

Eingesetzt werden die Ortspolizisten, um Ruhestörungen oder Verkehrssünder innerhalb der Ortschaften zu ahnden, Bußgelder auszustellen oder Alkoholkontrollen durchzuführen. Auch der geregelte Ablauf bei Dorffeiern oder Wochenmärkten obliegt der Ortspolizei. „Straftaten werden an die Nationalpolizei beziehungsweise die Guardia Civil weitergeleitet, aber trotzdem sind es meist die Ortspolizisten, die als erste am Tatort eintreffen, sie sind einfach am nächsten dran", so Aguiló. Überhaupt sei der enge Kontakt zu den Anwohnern ein zweischneidiges Schwert. „Es habe Vorteile, jahre- und jahrzehntelang in der gleichen Gemeinde zu arbeiten, denn so kenne man die Strukturen, die Zusammenhänge und die Personen, und das erleichtere die Arbeit oft, sagt Aguiló. Gleichzeitig müsse man aber auch eine gewisse Charakterstärke aufbringen, um beispielsweise langjährigen Bekannten Strafzettel auszustellen. Dass die nicht immer gegeben ist, zeigen etwa die Korruptionsvorwürfe rund um Palmas Ortspolizei.

Warum keine Insel-Polizei?

„Die beste Lösung wäre, wenn nicht die Gemeinden, sondern die Inselräte die Ortspolizei zentral anstellen und leiten würden", findet Emilio Oyarzabal von der Polizeigewerkschaft. Nicht nur, um die unmittelbare Nähe der Ordnungshüter zu den Anwohnern zu schmälern, sondern auch wegen der Gehaltsunterschiede. Während Beamte in einigen kleinen Gemeinden auf Mallorca derzeit nur rund 1.200 Euro netto im Monat verdienen, kommen die Kollegen in Palma oder Calvià in den gleichen Positionen auf 1.900, teilweise auch mehr als 2.000 Euro.

„Zudem könnte man das Personal saisonbedingt besser verteilen", so auch Carles Alomar. Bisher setzen viele Gemeinden nämlich auf befristetete Aushilfspolizisten, die nach den arbeitsstarken Sommermonaten problemlos gekündigt werden können und zu schlechteren Arbeitsbedingungen und Gehältern angestellt sind als ihre fest angestellten Kollegen. „Von 2.000 Beamten auf den Balearen ist das bei 400 bis 500 der Fall, einige Gemeinden haben mehr Springer als feste Beamte", so Alomar. Das wird sich zwangsläufig in den kommenden Monaten ändern - auch dafür sorgt ein neuer Gesetzestext.

An dem aktuellen Personalmangel ändert sich dadurch nichts. „Den können wir nur auffangen, wenn wir immer mehr Überstunden schieben, und darunter leidet zwangsläufig die Qualität unserer Leistungen", so Oyarzabal. Panik schüren will er zwar nicht. „Natürlich werden in brenzligen Situationen weiter Kollegen vor Ort sein." Was wegfalle, seien aber große Teile der Präventionsarbeit. „Wir haben die Landesregierung immer wieder davor gewarnt. Aber wer die Prioritäten anders setzt, muss jetzt mit den Konsequenzen leben."