Am 5. Mai 1945 wurden die US-amerikanischen Truppen bei der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen im heutigen Österreich mit einem riesigen Plakat auf Spanisch empfangen: „Los españoles antifascistas saludan a las fuerzas libertadoras", stand darauf (die antifaschistischen Spanier begrüßen die Befreier). Im Komplex Mauthausen-Gusen waren im Zweiten Weltkrieg rund 10.000 Spanier inhaftiert, geschändet und umgebracht worden. Im April erklärte die sozialistische Minderheitsregierung von Pedro Sánchez den 5. Mai zum Tag des Gedenkens an die spanischen Opfer des Nazi-Terrors. Am Freitag (9.8.) folgte eine weitere wichtige Geste. Das Gesetzesblatt (BOE) veröffentlichte die Namen von 4.427 Spaniern - darunter 34 Balearen-Bewohner -, die in Mauthausen zu Tode gekommen sind. Diese Anerkennung hat mehr als 70 Jahre auf sich warten lassen, da zunächst die Franco-Diktatur und danach auch die ersten demokratischen Regierungen kein Interesse am Schicksal der von den Nazis ermordeten Landsleute zeigten.

Zum Ende des Spanischen Bürgerkriegs 1939 flohen Hunderttausende, meist republikanische Kämpfer, ins benachbarte Frankreich. Die Mehrheit landete in Lagern im Süden des Landes. Als Hitler dann Frankreich besetzte, kollaborierte das Vichy-Regime bei der Auslieferung. Franco hatte gegenüber Berlin auf die Auslieferung dieser „Rotspanienkämpfer" verzichtet und sie damit praktisch staatenlos gemacht. Sie wurden als Zwangsarbeiter nach Mauthausen oder auch Gusen gebracht.

Zum Ende des Weltkriegs, als sich die Befreiung des Konzentrationslagers abzeichnete, gelang es den spanischen Insassen, die Dokumentation vor der Zerstörung durch ihre Aufseher zu retten. Die Unterlagen gelangten später nach Spanien, wo sie von der Franco-Diktatur unter Verschluss gehalten wurden. Der international isolierte Diktator versuchte in den 1950ern und 1960ern sein Image aufzubessern, indem er sich etwa die Rettung Tausender Juden in Europa zuschrieb. Die Aufarbeitung hat jedoch klargestellt, dass es sich dabei um Einzelaktionen von mutigen spanischen Diplomaten in den von den Nazis besetzten Gebieten handelte, die sich den Anweisungen aus Madrid widersetzten.

Die spanischen Opfer des Dritten Reichs wurden lange ignoriert, wie sämtliche Opfer des Militärputsches und der folgenden Diktatur des Generalísimo. Den „freiwilligen" Kämpfern der División Azul, die mit der Wehrmacht Leningrad belagerten, wurden dagegen große Ehrungen erbracht, und noch heute gibt es vielerorts im Lande Denkmäler, Plätze oder Straßen, die an die Russlandkämpfer erinnern. Selbst die Regierung des Sozialisten Felipe González (1982 bis 1996) zeigte wenig Interesse an der Aufarbeitung, obwohl die PSOE selbst lange von Exilrepublikanern im Ausland geführt worden war.

Es war der zweite sozialistische Regierungschef seit Ende der Diktatur, José Luis Rodríguez Zapatero, der 2005 als erster Premier Spaniens die Gedenkstätte in Mauthausen besuchte, 60 Jahre nach der Befreiung des Lagers. Dessen Nachfolger Pedro Sánchez fuhr im Februar zum Internierungslager von Argéles sur Mer in Südfrankreich, das 450.000 spanische Flüchtlinge aufgenommen hatte, von denen Tausende in die Konzentrationslager ausgeliefert wurden. In mehreren symbolischen Akten besuchte der Regierungschef auch die nahe gelegenen Gräber von Manuel Azaña, dem Präsidenten der Republik während des Bürgerkriegs, und des berühmten Dichters Antonio Machado. „Es sind viele Jahre vergangen. Spanien hätte sich bei ihnen viel früher für diese Schändlichkeiten entschuldigen müssen", so der Premier. Ein Jahr zuvor war ein Antrag, der genau eine solche Anerkennung und Entschuldigung forderte, im Unterhaus abgewiesen worden, vielleicht weil er von den Separatisten der Republikanischen Linken (ERC) aus Katalonien gestellt worden war.

Die Veröffentlichung der 4.427 Namen im BOE ist einerseits Anerkennung. Andererseits soll sie der Aufklärung dienen. Denn die Historiker-Kommission um Gutmaro Gómez Bravo, Geschichtsprofessor der Universidad Complutense de Madrid, glaubt, dass viele Angaben in den Dokumenten falsch sind. „Viele Gefangene machten falsche Angaben, da sie Repressalien gegen ihre Familien oder Mitkämpfer fürchteten", erklärte der Experte der Zeitung „El País". Die BOE-Liste hat außerdem juristische Auswirkungen. Denn damit wird die spanische Staatsbürgerschaft der Opfer nachträglich wieder anerkannt. Für die meisten Überlebenden des Nazi-Terrors kommt diese Anerkennung freilich zu spät. Von den 10.000 Lagerinsassen sind heute noch sechs am Leben.