Von kleinen versteckten Buchten, über lange Sandstrände bis hin zu großen Dünenlandschaften: Über 3.000 Kilometer Küste warten auf dem spanischen Festland, um den Urlaubshunger der dortigen Bewohner zu stillen. Im Gegensatz zur Balearen-Bevölkerung können sie sogar zwischen rauen Atlantikwellen oder dem fast ganzjährig badetauglichen Mittelmeer wählen. Auch an ruhigen Dörfern mit besonderem Charme, Gebirge und Wüstenlandschaften mangelt es auf der península nicht. Kein Wunder also, dass die meisten Spanier (23 Prozent, Quelle: Europapress) Urlaub in ihrem eigenen Land machen, gefolgt von 8,49 Prozent, die nach Italien fahren. Besonders beliebt unter den heimischen Urlaubsregionen sind bei den Spaniern Andalusien (27 Prozent der Inlandsurlauber fahren hierhin), die Kanaren (29,9 Prozent) und die Balearen (15,31 Prozent) - Tendenz steigend.

Mallorca in Besucherzahlen

Im Juni 2019 besuchten laut der balearischen Statistikbehörde Ibestat insgesamt 1.670.080 Touristen die Insel, 1.489.408 - also 89,2 Prozent - davon waren ausländische Reisende. 180.672 (10,8 Prozent) stammten aus Spanien. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl an Touristen auf Mallorca um 2,31 Prozent gesunken. Während 2,76 Prozent weniger ausländische Urlauber kamen, stieg die Zahl der nationalen Touristen im Vergleich zum Vorjahr um 1,53 Prozent an. „Die Spanier sind nach den Deutschen und den Briten mittlerweile die drittgrößte Besuchergruppe", sagt eine Sprecherin des mallorquinischen Hoteliersverbands (FEHM). Früher seien die Spanier vor allem im Juli und August gekommen, mittlerweile besuchen sie auch außerhalb der Hochsaison die Insel.

„Mallorca, aber bitte nicht Magaluf oder Arenal", diesen Satz höre Inmaculada Sánchez von Viajes Avensur in Madrid tatsächlich öfter von ihren Kunden. „Jeder kennt die beiden Partyorte mittlerweile aus der Presse", so die Agentur-Mitarbeiterin. Trotzdem wollen sechs von zehn Kunden nach Mallorca.

Welchen Stellenwert genießt die Insel unter den spanischen Touristen? Und welchen Eindruck hinterlassen die Urlauber vom Festland, etwa im Vergleich zu deutschen Urlaubern, bei den Insulanern? Die MZ hat sich in Colònia de Sant Jordi einmal umgeschaut, wo man viele spanische Urlauber antreffen kann.

Viele Sonderwünsche

„Spanische Kunden haben oft höhere Ansprüche als deutsche: Ein deutscher Gast bestellt bei mir ,einen Hamburger'. Der Spanier sagt mir ,bitte ohne Zwiebeln, mit viel Ketchup und nur wenig Salat'", so Jaume Rosselló, Restaurant-Leiter im Universal Hotel Marqués in Colònia de Sant Jordi im Süden von Mallorca. „Da ist man als Kellner oft besser dran, wenn man Block und Stift statt das Eingabegerät zur Hand nimmt, um alle Sonderwünsche aufzuschreiben." Auch bei den Getränken hätten die Spanier häufig ganz konkrete Vorstellungen davon, wie sie etwa ihren Milchkaffee trinken möchten. „Im Glas, ohne Zucker, mit viel Milch, mit Sojamilch", so Rosselló. „Drei cafés con leche an Deutsche zu verkaufen, dauert zwei Minuten, bei den Spaniern gern mal fünfzehn", scherzt der Gastronom.

Bei den Essensmengen und dem Trinkgeld gibt es laut Toni Gari, der seit 21 Jahren das Restaurant Port Blau an der Hafenpromenade leitet, ebenfalls Unterschiede zwischen beiden Nationen. „Die Spanier bestellen mittags ein vollständiges Menü und geben weniger Trinkgeld. Die Deutschen entscheiden sich oft nur für ein Gericht, sind dafür aber beim Trinkgeld großzügiger", so der 47-Jährige. Beim Abendessen kreuzen sich die Wege ­beider Nationen laut Gari kaum: „Die Deutschen kommen spätestens um 20.30 Uhr, die Spanier ab 22 Uhr."

Hauptsache entspannen

Was die Aktivitäten betrifft, lassen die spanischen Urlauber im Vergleich zu den Deutschen ihre Ferien ruhiger angehen. „Kaum ein Spanier leiht bei uns ein Auto. Wenn, dann einmal eine Gruppe Jugendlicher, weil sie einen Tag in eine Diskothek fahren wollen", sagt Jaume Coll vom örtlichen Auto- und Fahrradverleih Proturcars und TeamdoubleJ. Im Gegensatz zu den Deutschen, die nach den leistungsfähigeren Mountainbikes fragen, seien bei den Spaniern Stadträder beliebt. „Die spanischen Urlauber halten sich meist nur im Ort auf und nutzen sie, um zum Bäcker oder Strand zu fahren", so Coll.

Familie geht vor

An der Strandpromenade von Colònia de Sant Jordi hört man kaum Deutsch, hier wird viel Spanisch gesprochen. Mario Bautista aus Madrid verbringt schon, seit er ein Jahr alt ist, jeden Juli und August in dem 2.600-Einwohner-Ort. „Der Besuch auf der Insel ist Tradition in meiner Familie. Angefangen hat damals meine Oma", sagt der 29-Jährige. „Ein paar meiner Cousins wohnen mittlerweile fest auf der ­Insel. Allein in diesem Jahr waren schon 33 Familienmitglieder von uns zu Besuch hier." Er trifft sich auf der Insel vor allem mit seinen Landsleuten. Kontakt zu Deutschen hat er offensichtlich nicht.

In der gleichen Bar treffen wir José Ventura. Er kommt seit 2002 alle zwei bis drei Jahre mit Lebensgefährtin Amparo Toribio und den beiden Töchtern Emma und Paula Castellanos auf die Insel. „Wir haben Freunde in Ses Salines und können hier in deren Ferienhaus wohnen und auch ihr Auto benutzen", so der madrileño. „Nächstes Jahr fahren wir wieder woandershin. Wir wollen die Gastfreundschaft unserer Bekannten ja nicht ausnutzen", sagt Ventura. Sie wollen sich gleich noch mit spanischen Freunden treffen, deutsche Kontakte haben sie kaum.

An einem Postkartenständer stehen Raquel García, die seit zwölf Jahren in Galicien lebt, und ihr Bruder José Antonio García. Auch sie haben ein Familientreffen auf der Insel. „Ich bin extra aus Kuba eingeflogen", sagt José Antonio García, der neben seiner Schwester auch seine erwachsenen Kinder auf Mallorca trifft, die hier wohnen. Ansonsten würden sie auf der Insel keinen Urlaub machen. „Ich finde es sehr teuer hier. Wir kochen fast immer zu Hause", sagt Raquel García.

Wir verlassen die Promenade, treffen im Universal Hotel Marqués an der Playa d'es Molí de s'Estany auf eine spanische Patchworkfamilie aus Madrid. Sie hat ein Ferienhaus in Marbella, ist aber auch gern auf ­Mallorca. „Als Naturliebhaber ist man auf der Insel einfach besser aufgehoben", sagt Julia Sánchez. „Ich mag an Mallorca, dass es hier so kosmopolitisch zugeht", sagt ihr Partner José Luis de Mateo. Zu den Deutschen habe er immer schon einen guten Draht gehabt, er versteht auch ein wenig Deutsch, so komme man auch mal ins Gespräch.

Strand und Ruhe

Warum die Festland-Spanier Mallorca be­suchen, ist Fernando Alcántara von der Tourist­info vor Ort ganz klar: „So wie viele Deutsche auch, haben die Spanier Ferienhäuser oder Apartments auf der Insel." An Colònia de Sant Jordi wüssten viele die Ruhe zu schätzen. ­Diskotheken und Bars, die bis spät in die Nacht geöffnet sind, sucht man hier vergebens. Und dann sind da natürlich noch die Strände. „Ob Es Dolç, Ses Covetes oder natürlich Es Trenc, vor allem hier im ­Süden stechen die Strände gegenüber denen auf dem Festland hervor", sagt er. Da muss man nur noch mit der Hitze und der Luftfeuchtigkeit klarkommen.

„Die Badesachen trocknen hier sehr langsam. Daher habe ich dieses Mal fünf verschiedene Badeanzüge mitgenommen", sagt zum Beispiel Isabel Samaniego aus Zamora bei Salamanca, die mit ihrer Nichte Maria Anton aus Madrid hier ist. Sie lebt in einem Hotel, in dem viele Deutsche untergekommen sind. Auch die würden manchmal sichtlich unter der Hitze leiden. Da kommen wohl weder die Spanier noch die Deutschen aus ihrer Haut.