Als Laura Sánchez Anfang dieser Woche mit ihrer Mutter in Portixol bei Palma de Mallorca spazieren war, hörte sie plötzlich, wie jemand „Hey Laura" rief. Erschrocken drehte sie sich um und sah einen Mann, der sie im Vorbeijoggen grüßte. „Es war ein ehemaliger Dozent, bei dem ich im zweiten Studienjahr einen Kurs belegt hatte. Ich habe mich sehr gefreut, dass er mir gewunken hat", so die 23-Jährige, die gerade ihr Physiotherapiestudium an der Balearen-Universität (UIB) abschließt. Daran, dass Dozenten ihre Studierenden hierzulande mit Namen kennen und sich duzen, hat sich die junge Frau, die mit sechs Jahren von Deutschland nach Mallorca gekommen ist, längst gewöhnt. „Ich weiß, dass das in Deutschland und an anderen spanischen Einrichtungen oft nicht der Fall ist. Da die UIB aber eine relativ kleine Uni ist, ist die Atmosphäre sehr familiär", so Sánchez.

Am Freitag (6.9.) hat für knapp 14.000 Bachelor- und Master-Studierende und etwa 1.000 Dozenten und Professoren, die sich auf alle Balearen-Inseln verteilen, das neue akademische Jahr 2019/20 begonnen. Neben dem Campus auf Mallorca nördlich von Palma de Mallorca gehören auch ein Sitz auf Menorca und Ibiza/Formentera zur UIB. Obwohl das Studienangebot mit 76 Bachelor- und Masterstudiengängen und die Forschungen längst nicht so vielfältig sind wie anderswo, kann die Hochschule bei internationalen Rankings mehr als mithalten. Bei dem im August 2019 erschienenen Academic Ranking of World Universities 2019, besser bekannt als Shanghai-Ranking, schaffte die UIB es zum ersten Mal unter die besten 500 Universitäten weltweit. Spanienweit schnitt sie mit dem elften von 38 Plätzen ab. „Besonders in den Fachrichtungen Ozeanografie, Tourismus, Agrar- und Geowissenschaften sowie Physik stachen wir weltweit hervor", sagt Joan Frau, der sich als ­Vizerektor um den Lehrbetrieb kümmert.

Physik-Nobel-Preis abgeräumt

Das gute Abschneiden der 1978 gegründeten Universität bei dem Ranking hat die UIB, zumindest im Fachbereich Physik, auch einer Errungenschaft aus dem Jahr 2017 zu verdanken: Damals erhielt ein Forscher-Team für die Entdeckung der Gravitationswellen den Physik-Nobelpreis. An diesem Erfolg beteiligt war auch der österreichische Professor Sascha Husa, der seit 2008 an der Physik-Fakultät der UIB doziert.

Auch der 52-Jährige schätzt an seiner Arbeit den direkten Kontakt zu den Studierenden und Professoren. Als ausländischer Professor hatte er, um bei der UIB angestellt zu werden, allerdings besondere Hürden zu meistern. „Es war beispielsweise sehr schwierig, mir ­Tätigkeiten aus dem Lebenslauf anerkennen zu lassen, die ich nicht in Spanien gemacht hatte", sagt Husa. „Die meisten Professoren stammen direkt von der Insel oder zumindest aus Katalonien", so der gebürtige Wiener. Während im deutschsprachigen Raum rege Wechsel von Uni zu Uni gängig seien, ­arbeite sich der Großteil des akademischen Personals an der UIB Stück für Stück weiter nach oben. Welcher Dozent welche Lehrveranstaltung halten darf, hänge daher oft von der Seniorität statt der Kompetenz für ein Fachgebiet ab. An der UIB stehe generell oftmals die Lehre statt die Forschung im Vordergrund, kritisiert der Physiker. Dennoch ­könne sich die UIB zu Recht mit einigen sehr starken ­Forschungsgruppen rühmen.

Hohe Nachfrage vom Festland

Die Erfolge der Fachrichtungen sprechen sich herum - auch auf dem spanischen Festland. Vizerektor Joan Frau, bestätigt etwa, dass es an der Fakultät für Physik, einer der ältesten der UIB, seit der Vergabe des Nobelpreises einen deutlichen Anstieg an Bewerbungen, insbesondere vom spanischen ­Festland, gegeben hat. Von 152 Bewerbern bekamen 2018 50 einen Platz für ein Bachelor-­Studium. Etwa ein Viertel der Studierenden stammt vom Festland. Eher weniger über­raschend sei für Frau, dass bei dem erst seit dem Wintersemester 2016/17 angebotenen Studiengang Medizin sogar die Hälfte der Studenten vom Festland komme. „Die Nachfrage ist in ganz Spanien sehr hoch und die Plätze werden nach Noten zentral ver­geben", so Frau.

Eine überdurchschnittlich hohes Interesse, sowohl von Mallorquinern als auch Festland-Studierenden, gebe es mit rund 1.400 Bewerbungen im Jahr 2018 für 60 Plätze auch für die Studienrichtung Gesundheitswesen/Physiotherapie. Die aktuelle Dekanin der Fakultät, Rosamaría Alberdi, die in Madrid, Sevilla und Barcelona schon an großen spanischen Universitäten gearbeitet hat, erklärt sich den guten Ruf der Fakultät wie folgt: „Wir vermitteln eine besondere Philosophie, mit der wir unsere Studierenden zu solidarischen Weltbürgern erziehen wollen", so die Barcelona stammende Wissenschaftlerin. „Wir zeigen ihnen, wie sie bestimmte Werte bei ihrer Arbeit anwenden können, etwa indem wir gegen geschlechtsspezifische Gewalt kämpfen. Wir wollen schließlich nicht nur Fachpersonal ausbilden, sondern die Studierenden auch zu kritischem Denken anregen." Die Absolventen arbeiten beispielsweise als Krankenschwestern oder Physiotherapeuten.

Wer auf Menorca, Ibiza oder Formentera wohnt, muss für das Studium nicht unbedingt nach Mallorca ziehen. „Ein Großteil des Unterrichts findet inselübergreifend per Videokonferenz statt. So können die Insulaner Gelerntes in Zukunft direkt in die balearische Gesellschaft einbringen", so Alberdi. Während zumindest die Kommunikation zwischen den verschiedenen Inseln gut funktioniert, ist die Lage des Campus auf Mallorca am Fuß der Tramuntana laut Alberdi nicht optimal. „Ich mag zwar die Umgebung hier, trotzdem liegt der Campus viel zu weit weg vom Zentrum. Wir organisieren oft Vorträge, Filmvorführungen oder Festivals, die auch für ein nicht-akademisches Publikum attraktiv sind. Würde die Uni zentraler liegen, würden mehr Menschen kommen", so Alberdi. Seit 2007 verbinde immerhin eine Metro-Strecke die Balearen-Hauptstadt mit dem Campus. So haben auch die rund 100 Studierenden, die in dem bisher einzigen Wohnheim der UIB im nördlichen Teil des Campus wohnen, Anschluss an Palma. Mallorca sei als Uni-Standort zwar sowohl für ausländische als auch vom Festland stammende Studierende sehr attraktiv, die hohen Mietpreise würden viele jedoch davon abhalten, auf die Insel zu kommen. „Wir müssen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum für sie bereitstellen", so Joan Frau. Mit der Balearen-Regierung sei die UIB zwecks eines zweiten Wohnheims bereits im Gespräch.

Die UIB wird internationaler

Das Angebot an Studiengängen wollen die Verantwortlichen künftig ausweiten. „Wir haben Nachforschungen dazu gemacht, wegen welchen Studiengängen die Insulaner aufs Festland ziehen und daraufhin Pharmazie und Sportwissenschaften vorgeschlagen. Gerade warten wir noch auf das Okay der Regierung", so Frau. Ein Bachelor-Studium (grado) dauert an der UIB im Vergleich zu Deutschland nicht drei, sondern im Durchschnitt vier Jahre. Dafür geht der Master nur ein Jahr statt zwei wie in Deutschland. Auch die Bandbreite an Master-Studiengängen (postgrados) soll durch ein vermehrt englischsprachiges Angebot erweitert und so internationaler gemacht werden. „Stipendien, mit denen wir mehr ausländische Studierende und Professoren an die UIB holen etwa, sind in unserem Interesse", sagt Josep LLuis Pons vom balearischen Bildungsministerium. Obwohl das Budget des Ministeriums für 2019 mit 76,7 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr um 12,5 Prozent gestiegen ist, seien die Balearen laut Xavi Varona, Vize­rektor für Studienabschlüsse, eine der autonomen Regionen mit den geringsten Zuwendungen. Dabei ist klar: „Wir brauchen mehr Wissenschaft auf den Balearen", sagt Josep LLuis Pons. Mallorca sei schließlich ein wundervoller Ort zum Studieren und Forschen.

So können auch ältere Semester studieren

Über 50-Jährige haben die Möglichkeit, ob mit oder ohne Prüfung, einen Abschluss (Diploma ­Senior) zu erwerben. In 500 Stunden, die sich auf drei Jahre verteilen, bekommen sie Einblicke in die spanische Ver­fassung, Literatur oder ­Mathematik. Kosten: rund 180-195 Euro pro Studien­jahr. Danach bietet die UIB für sie zwei jeweils ein Jahr lang dauernde Spezialisierungen zur Technologie im 21. Jahrhundert oder dem Kulturerbe von Mallorca an. Kosten: 190 Euro. https://uom.uib.cat/prog_form/Mallorca/dip_senior/

Gutachter prüfen die Qualität der Studiengänge

Seit der Bologna-Hochschulreform, bei der europaweit Studiengänge und -abschlüsse vereinheitlicht wurden, gibt es neben einer uniinternen Kontrolle an der UIB auch ein externes Kontrollorgan. Die staatliche Agentur Aneca ist spanienweit für die Qualitätskontrolle an Universitäten zuständig. „Die Sicht von außen ist wichtig, damit sich die Qualität verbessert. Die meisten von uns kennen folgende Situation: Uns selbst liegt etwas daran, dass es bei uns zu Hause halbwegs ordentlich ist. Kommt Besuch, geben wir uns besonders viel Mühe und sind auch ­offen für neue ­Ideen", so Xavi Varona, Vizerektor für Abschlüsse an der UIB. Die Bachelor-Studiengänge der UIB werden alle sechs Jahre, die Master-Studiengänge alle vier Jahre überprüft. Dabei bewerten die Gutachter etwa die Transparenz des ­Studienverlaufplans ­sowie Angaben zu früheren Tätigkeiten der ­Dozenten auf der Website und betrachten auch die Durchfallquote.