Eigentlich ist Iván Sevillano der oberste Straßenbau-Chef auf Mallorca. Doch das Büroschild im Inselratsgebäude in Palma betitelt ihn als Dezernenten für Mobilität. Der Name ist Programm: Der Bau von neuen Straßen auf der Insel, um Verkehrsprobleme zu lösen - das sei die Politik von gestern, sagt der Politiker der Linkspartei Podemos, der mit dem Regierungswechsel im Frühjahr das Amt übernommen hat. Die Verlängerung des zweiten Rings von Palma - vom Tisch. Umgehungsstraßen von Mallorcas Dörfern - abgespeckt. Und auch von zusätzlichen Fahrspuren will der studierte Baugeologe nichts wissen: „Damit geben wir nur weitere Anreize für den privaten Pkw-Verkehr, und die zusätzliche Fahrspur ist in Kürze auch verstopft."

Die Fortsetzung der Linksregierung auf den Inseln für weitere vier Jahre bedeutet in vielen Bereichen Kontinuität. In der Verkehrspolitik jedoch werden mehr als nur ein paar neue Akzente gesetzt. Da wäre das balearische Verkehrsministerium, das nach dem Stillstand der vergangenen Jahre wieder Neubauprojekte im öffentlichen Nahverkehr angeht - gerade werden neue Metro-Linien in Palma angegangen. Da wäre Mallorcas Verkehrskonsortium, das vor einer grundlegenden Neuordnung des Systems der Überlandbusse steht. Und da wäre die neue Inselratspolitik. „In dieser Legislaturperiode wollen wir endlich den Wechsel zu einem neuen Mobilitätsmodell einläuten", so Sevillano, „wenn wir jetzt nicht beginnen, wird es nie klappen."

Was alles nicht gebaut wird

Zentrales Unterfangen: Ein neuer Masterplan für den Straßenbau auf Mallorca soll her, nachdem das bislang gültige Dokument von 2004 datiert und 2009 nur in einigen Punkten verändert wurde. Die jetzige Streichliste umfasst knapp zwei Dutzend Projekte, auch alle weiteren kommen auf den Prüfstand. Laut Koalitionsvertrag gestrichen werden etwa der Ausbau der Strecken Manacor-Sant Llorenç, Arenal-Cala Blava, Peguera-Andratx oder auch die Zufahrt zum Gewerbegebiet Son Bugadelles. Der zweite Ring um Palma soll nicht weiter wachsen, sondern lediglich an der Anschlussstelle Coll d'en Rabassa zwischen Flughafen-Autobahn und Manacor-Kreisel bei Son Ferriol geschlossen werden. Bislang war eine Verlängerung von der Anschlussstelle Inca-Autobahn bis zum Gewerbegebiet Son Castelló geplant. „Wir haben keine Mobilitätsstudie vorliegen, die das empfiehlt", so Sevillano. Der Politiker schließt auch aus, auf der Ringautobahn durch eine stellenweise Verengung der Fahrspuren eine vierte dazuzuquetschen, wie es noch Vorgängerin Mercedes Garrido ankündigte.

Und dann wären da die Projekte für Umgehungsstraßen für zahlreiche Insel-Orte. Auch sie sind vom Tisch. Statt zusätzliche Strecken im Grünen zu erschließen, sollen bestehende Straßen am Ortsrand zu Ringstraßen ausgebaut werden. Ein Vorbild dafür wäre die ronda von Sa Pobla, sie lotst Autofahrer, die auf der Durchfahrt sind, um das Gassen-Labyrinth des Ortes herum. Sevillano: „Wir haben uns schon mit einem knappen Dutzend Bürgermeistern getroffen." Die Vorschläge zum Abspecken der Umgehungsstraßen kämen gut an. „Derzeit haben wir aber noch mehr als 40 Projekte auf dem Tisch, die wir überprüfen wollen."

Ein paar Projekte lassen sich allerdings nicht mehr stoppen. Das ist vor allem der vor Kurzem begonnene Ausbau der Landstraße Llucmajor-Campos, gegen den Mallorcas Umweltschützer weiterhin Sturm laufen. Im Bau sind derzeit außerdem eine Umgehungsstraße für Algaida und eine eigene Abfahrt von der Inca-Autobahn nach Lloseta. Bereits vergeben sind außerdem die Arbeiten für Zufahrten auf derselben Strecke zu den Gewerbegebieten von Santa Maria und Marratxí.

Die frei werdenden Mittel würde Sevillano lieber in den öffentlichen Nahverkehr investieren - doch dafür ist die Landesregierung zuständig. Sevillano will deswegen erreichen, dass diese Kompetenzen an den Inselrat übertragen werden, genauso wie vor einigen Jahren der Straßenbau. Aber schon jetzt will der Consell seinen Teil beitragen - mit einem Masterplan für Park&Ride-Parkplätze. Die parkings disuasorios sollen in allen Projekten für Ringstraßen berücksichtigt werden.

Die Bahn kommt

Über die Erweiterung des Schienennetzes wird auf Mallorca seit Jahren debattiert, die geplanten und zum Teil bereits begonnenen Projekte fielen jedoch Finanzierungsnot und Regierungswechseln zum Opfer. Nachdem sich die Linksregierung in der vergangenen Legislaturperiode 2015-2019 darauf beschränkt hatte, die bestehenden Linien Palma-Inca-Sa Pobla und Inca-Manacor zu elektrifizieren, werden die Projekte jetzt wieder ambitionierter. Der im Frühjahr beschlossene Mobilitätsmasterplan sieht bis 2026 mehrere Neubaustrecken vor: So soll das bislang nur bis Manacor und Sa Pobla reichende Schienennetz künftig auch Llucmajor, Alcúdia, Artà und Cala Rajtada einschließen, in einer weiteren Phase sogar Felanitx und Santa Ponça. Und auch die Straßenbahnlinie zwischen Palma-Zentrum, Airport und der Playa de Palma ist wieder auf dem Tisch, allerdings in veränderter Form: Die Strecke wurde von der Küste in Richtung Hinterland verschoben. Voraussetzung für alle diese Projekte ist allerdings, dass sich Landes- und Zentralregierung über die Finanzierung einig werden.

Am weitesten fortgeschritten ist das mit eigenen Mitteln finanzierte Projekt zur Verlängerung der Metro-Linie Palma-Zentrum-Universität (M1) bis zum Technologie-Park Parcbit - es soll bis Jahresende umgesetzt sein. Inzwischen vergeben ist auch der Auftrag für das Projekt einer neuen Metro-Linie zum Landeskrankenhaus Son Espases, die von der bestehenden Linie abzweigt und bis 2023 fertiggestellt sein soll. Die Fahrt von dort bis zum Zentralbahnhof an der Plaça d'Espanya werde 15 Minuten dauern, man rechne mit einer jährlichen Passagierzahl von 1,1 Millionen, kündigte Verkehrsminister Marc Pons am Montag (9.9.) an. Das beauftragte Ingenieursbüro erarbeitet jetzt drei Alternativen für das 30-Millionen-Euro-Projekt - die Züge könnten zum Teil auch oberirdisch oder als Hochbahn verkehren.

Eine Ringbahn auf Gleisen?

Den Mitstreitern der Bürgerinitiative Units per Conservar (UxC) geht das noch lange nicht weit genug. Der öffentliche Nahverkehr habe nur eine Chance, wenn er im direkten Vergleich zum Auto besser abschneide, argumentiert Koordinator Robert Busquet im Gespräch mit der MZ - der ÖVP muss schnell und günstig sein, wofür man die Stadtbusse mit ihren langen Fahrtzeiten vergessen könne. Die Initiative hat ein umfassendes Konzept mit Zeit- und Finanzierungsplan vorgelegt und es auch offiziell bei der Landesregierung eingereicht. In Kürze werde man wieder bei Verkehrsminister Pons vorsprechen, so Busquet.

Eines der Kernargumente: Statt Linien mit Endstationen zu planen, müssten diese zu einem Netz zusammenwachsen (siehe Karte). „Wir brauchen neue Linien, statt alles auf einen Punkt zu fokussieren und einen Flaschenhals-Effekt zu provozieren", so Busquet. Die Linie zum Parcbit etwa müsse so geplant werden, dass sie in einem zweiten Schritt oberirdisch bis nach Esporles verlängert werden könne. Statt lediglich eine Abzweigung nach Son Espases ab der Station Camí dels Reis zu bauen, plädiert Busquet für eine eigene Strecke ab der Station Gran Vía Asima als Ausgangspunkt für eine komplette Ringstrecke, die nach und nach Palma umschließen könnte - ähnlich der Ringautobahn, aber eben auf Gleisen. Und statt die Straßenbahn am Flughafen enden zu lassen, müsse sie bis in die Ballungszentren an der Küste von Llucmajor rund um Bahía Grande reichen und mit der geforderten Ringbahn verbunden sein. Für die Anbindung des Airports schlägt die Initiative eine Hochbahn (Skytrain) vor, die von der Strecke abzweigt.

Auf diese Weise soll garantiert sein, dass Pendler und Urlauber gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Nur wenn alle strategischen Punkte wie Airport, Hafen, Krankenhäuser, Gewerbegebiete, Schulen oder Einkaufszentren sowie die Ballungszentren im Großraum Palma verbunden seien, habe der öffentliche Nahverkehr eine echte Chance - zumal sich Mallorca laut spanischem Statistikamt auf ein weiteres, deutliches Bevölkerungswachstum einstellen muss. Und erst wenn der Kollaps auf den Zufahrten zur Balearen-Hauptstadt gelöst sei, könne die weitere Anbindung des Umlands in Angriff genommen werden - etwa die Verlängerung des Schienennetzes in den Südwesten Richtung Calvià und Andratx.

Auch auf die gewichtigen Argumente der hohen Kosten und fehlenden Finanzierung hat die Initiative Antworten parat. Statt die neuen Strecken etwa kostenintensiv zu elektrifizieren, sollte die Landesregierung auf Wasserstoffzüge setzen. Busquet nennt Deutschland als Vorbild: Die ersten dieser emissionsfreien Züge sind bereits seit einem Jahr in Niedersachsen in Betrieb, weitere Züge wurden bestellt. Da große Teile des Schienennetzes in Deutschland nicht elektrifiziert sind, werden die Wasserstoffloks vor dem Hintergrund der Diesel-Debatte als Züge der Zukunft gehandelt. Und für neue Strecken auf Mallorca biete sich die Technologie auch angesichts der für 2021 in Lloseta geplanten großen Wasserstoffanlage an, so Busquet. „Die Lösung der Verkehrsprobleme ist zu wichtig, als dass wir sie den Politikern überlassen dürfen."