Zum Sonnenuntergang am Strand spazieren gehen. In den Bergen auf einer Finca dem Liebeslied der Zikaden lauschen oder sich über 300 Tage im Jahr von der Sonne statt vom Klatschen des Regens an der Fensterscheibe wecken lassen. Es gibt viele Gründe, um nach Mallorca zu ziehen. Viele erfüllen sich ihren Traum vom Auswandern, wenn die lebenslang erarbeitete Rente mit Sicherheit aufs Konto fließt und das Ersparte für eine Zuhause auf der Insel reicht. Die Familien, die wir hier vorstellen, aber sind nach Mallorca gezogen, weil sie ihren Kindern den bestmöglichen Start ins Leben bieten möchten. Und den bietet die Insel, selbst wenn die Schulbildung vielleicht nicht ganz so durchgetaktet ist, wie in anderen Ländern. Auf Mallorca lernen die Kinder neben angenehmen Temperaturen noch eine andere Wärme kennen. Die Herzlichkeit der Mallorquiner im Umgang mit Kindern hat diese Paare überzeugt, aus Deutschland, Holland oder Großbritannien herzuziehen.

Verliebt in die Kinderliebe der Mallorquiner

Dominik Wein (53) und Katti Sondermann (43) haben sich mit ihrem Zweitwohnsitz auf Mallorca keinen Traum erfüllt. „Für mich ist es nicht leicht, als Maskenbildnerin Arbeit zu finden", sagt Katti Sondermann. „Wir sind wegen Max gekommen und zu 95 Prozent wegen ihm geblieben." Der Sechsjährige fühlt sich pudelwohl in seinem Heimatdorf Alaró. Zweimal die Woche geht er zum Leichtathletik-Training ins Nachbardorf Binissalem, einmal die Woche geht's zum Judo, Freitags nimmt er Reitstunden. Er malt auch gerne im Atelier seines Vaters in Alaró, der als Künstler auf der Insel arbeitet und zurzeit in der Nuru Gallery in Puerto Portals austellt.

Die Nachbarn von Dominik Wein und Katti Sondermann grüßen beim Vorbeigehen, schenken deren Sohn ein liebevolles Lächeln. „Wir sind voll im Dorfgeschehen integriert, Max ist sicher ein Grund dafür", sagt Dominik Wein, der seit April in Alaró lebt und 2016 mit seiner Familie von Berlin nach Santa Maria gezogen ist. Max geht auf die Dorfschule. „Die Mallorquiner vergöttern Kinder, und es gilt: je lebendiger desto besser", sagt er. In Deutschland würde Max als hyperaktiv gelten. „Hier kann er einfach Kind sein."

Kurz bevor die beiden den Entschluss gefasst haben, ihren Zweitwohnsitz nach Mallorca zu verlegen, gab es ein Schlüsselerlebnis in Palma. „Katti war in Berlin, ich wollte mit meinem Laptop etwas im Internet arbeiten und bin mit Max in ein Café in Palma gegangen." Zwei Jungen im Alter zwischen vielleicht sieben und acht Jahren kamen auf Max und seinem Vater zu und fragten, ob Max mit ihnen spielen wolle. „Ich hatte nichts dagegen, und kurze Zeit später sind die drei derart um die Tische gerannt, dass ich als Berliner dachte, das gibt gleich Ärger." Aber die hauptsächlich spanischen Gäste störten sich nicht an den Kindern.

„Sie haben ein älteres Paar angerempelt. Die Frau hat Max in den Arm genommen und wieder losgeschickt", sagt Dominik. „Dann kam der Kellner aus der Küche. In einer Hand trug er ein Tablett mit Kaffeetassen, und die drei rasten im Flur auf ihn zu, ich sah schon einen Haufen Scherben auf dem Boden liegen. Doch der Kellner ging elegant einen Schritt zur Seite, streifte jedem der Kids mit seiner freien Hand über den Kopf. Ich habe zum Telefon gegriffen, Katti angerufen und ihr gesagt: ,Du, ich muss dir etwas erzählen.'"

Katti Sondermann findet ebenso erstaunlich, dass es hier „ganz normal ist, dass Zehnjährige mit Sechsjährigen oder noch jüngeren Kindern spielen". Das kenne sie aus Berlin nicht. Toll sei auch, dass man auf Mallorca so gut wie nie einen ­Babysitter braucht. „Wir waren eingeladen zu der Geburtstagsfeier eines älteren Mallorquiners in Santa Maria", sagt sie. ­Eigentlich wollte sie absagen, weil sie so kurzfristig niemanden finden konnte, der auf Max aufpasst. „Der Mann aber hat darauf bestanden, dass wir Max mitbringen, schließlich wollte er ihn auch kennenlernen." Auf der Feier waren dann viele Kinder, alle Eltern hatte ein Auge auf die Sprösslinge der anderen, und am Ende blieben sie bis 3 Uhr.

Gekommen wegen der Sonne, geblieben wegen der Menschen

Ohne Kaninchen, kein Foto. Faye weiß mit ihren neun Jahren schon sehr genau, was sie will. Vor zwei Jahren ist sie mit ihrem Bruder Eloy (7), ihrer Mutter Saskia Zwaan (45) und Papa Meile Schot (53) nach Alaró gezogen. „Wir haben in Amsterdam gelebt, wo wir heute noch einen Souvenirshop ­betreiben", sagt die Heilpraktikerin, die nebenbei als Stewardess arbeitet. Ihr Mann kümmert sich gerade um das Geschäft in Holland, als die MZ sie an einem Wochentag besucht. Die vielen Touristen, sie sind auch ein Grund, warum sie aus Amsterdam wegwollten. „Die haben ­immer unser Haus fotografiert", sagt Faye. Das passiert ihnen in Alaró nicht, und sie haben mehr Platz. „Die Idee war, dass die Kinder an der frischen Luft spielen können, und natürlich hat die Sonne auch eine Rolle gespielt", sagt Saskia Zwaan. Mallorca kannten sie von den Ferien, dass die Mallorquiner kinderlieb sein soll, wussten sie nur vom Hörensagen. „Es ist schon ein großer Unterschied, wie die Kinder hier aufwachsen. In Amsterdam lässt niemand seine Kinder nach 18 Uhr auf der Straße spielen. Hier habe ich das Gefühl, dass auch die Nachbarn mit aufpassen."

Ein Elternabend mit Kindern? Undenkbar in Holland. Auf der Dorfschule, die Faye und Eloy besuchen, ganz normal. Beide sprechen schon fließend Spanisch, Mallorquin und ein bisschen Englisch. „Ich weiß nicht, wie gut die Schulbildung letztendlich ist", sagt Saskia. Aber es sei toll, dass ihre Kinder mehrsprachig aufwachsen. Während Faye überhaupt keinen Probleme mit dem Umzug hatte, war Eloy am Anfang traurig, seine Freunde zurücklassen zu müssen. „Das war schwer für mich zu sehen, dass er unglücklich ist. Ich habe ihm dann gesagt, das er jeden Tag eine Person anlächeln soll. Tatsächlich hat er dann schnell Freunde gefunden." Mit denen spielt Eloy zweimal die Woche Fußball im Verein, Faye hat anfangs Volleyball gespielt und lernt jetzt Kung-Fu. Auch wenn Vater Meile Shot viel pendeln muss. „Mallorca hat uns als Familie enger zusammengebracht", sagt Saskia Zwaan.

Die Kinder sollten raus aus der Großstadt London

Die van Rhedes haben ein gemeinsames Familienprojekt auf der Insel. Sie renovieren ein historisches Haus in Alaró. „So lernen wir viel darüber, wie die Mallorquiner noch vor ein paar Jahrzehnten gewohnt haben und wer dort alles gelebt hat", sagt Mutter Lara (48). Seit eineinhalb Jahren wohnen sie, ihre beiden Kinder Otis (7), Frederik (12) und ihr Mann Maurits (51) zur Miete in dem Ort.

Strände." Wenn das Haus fertig renoviert ist, werden sie dort einziehen. Und bleiben? „Mit Sicherheit."

Der kleine Weltbürger aus Sóller

SóllerAuf dem Esstisch von Holly Dawson (40) liegt eine große Weltkarte mit Sehenswürdigkeiten zum Ausmalen. „Beim Malen erkläre ich Charlie, dass es auf der Welt nicht überall so friedlich zugeht, wie in Sóller", sagt die Londonerin. Sie lebt mit ihrem Mann Piers (43), einem Privatkoch, seit 2014 auf Mallorca. Holly Dawson war für verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen beruflich jahrelang in Afrika oder Zentralamerika unterwegs, um zum Beispiel in Guatemala gegen die Ausbreitung von HIV zu kämpfen. „Charlie ist heute fünf. Nach seiner Geburt in England war mir klar, dass er nicht in Brixton aufwachsen soll, wo es keine Gemeinschaft unter den Bewohnern und viel Kriminalität gibt." Mallorca war ihre erste Wahl, 2012 hat das Paar hier geheiratet, nachdem Piers Mutter nach Sóller gezogen war. Die Familie des Vaters stammt aus Australien. „Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich Sóller zum ersten Mal gesehen habe. Es war Winter, wir kamen aus dem Tunnel, ich sah die kleinen Häuser, aus denen Rauch aus den Kaminen stieg, umgeben von den Bergen." Ein Ort, zum Kindergroßziehen. „Da Charlie noch sehr jung war, musste er keine Freunde zurücklassen. Wir fahren aber regelmäßig nach London, damit er Kontakt zu seinen Onkeln und Cousins hat." Charlie war auch schon in Australien, um den anderen Teil seiner Familie kennenzulernen.

In Sóller besucht er die Dorfschule, obwohl sich die Familie sicher eine Privatschule leisten könnte. „Ich finde, dass die Hälfte der Bildung im Klassenraum stattfinden soll, die andere Hälfte auf Reisen. Und so hat er seine Freunde zum Spielen nahe bei sich." Ein großer Vorteil auf Mallorca sei es, dass Eltern nach Absprache die Ferien eine oder zwei Wochen verlängern können. „In England müsste ich dafür Strafe zahlen." Als Nächstes steht eine Reise über Weihnachten nach Hawaii an, damit Charlie Vulkane sehen kann. Er soll das große Ganze im Blick haben, zu Hause auf der Straße die Nachbarn kennen und grüßen. „Ihm soll klar sein, dass Mallorca wunderschön, aber nur ein kleiner Teil der Welt ist."

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