Wer auf Mallorca alle Yoga-Kurse besuchen möchte, die von privaten Lehrern bei Facebook oder in den vielen Studios angeboten werden, braucht keine anderen Hobbys mehr. Es gibt Yoga am Strand, Yoga mit Hunden, beim Wandern, mit Frühstück, bei Kerzenschein und mit heilenden Ölen. Praktiziert werden dabei Hatha, Vinyasa, Kundalini oder Yin Yoga, um nur einige der verschiedenen Arten aufzuzählen. Die MZ hat sich die Auswüchse der vor allem von Ausländern gegründeten Studios genauer angeschaut. In Santa Catalina, wo viele Skandinavier und Deutsche wohnen, sind die Auswirkungen des Trends an fast jeder Ecke zu sehen. Den Grundstein für diese Entwicklung haben zwei Deutsche gelegt.

Die Schauspielerin Ursula Karven und Kim Steeb - Frau des ehemaligen Tennis-Profis Charly Steeb - gründeten 2006 das erste große Yogastudio in der Altstadt von Palma, dort, wo heute das Brondo Architect Hotel steht. Mit ihrem Studio YogaYou kamen internationale Lehrer auf die Insel. Sie boten Kurse auf Englisch und Deutsch an und gemäß der weltweit größten Yoga-Vereinigung Yoga Alliance fanden zertifizierte Ausbildungen statt.

Nur, obwohl die Szene damals zu wachsen begann, kamen die Studiobetreiber auf keinen grünen Zweig. Ursula Karven und Kim Steeb verkauften ihr Studio 2009. Aus den Überbleibseln erwuchsen zwei neue, Earth Yoga und Zunray - die beiden heute noch größten Player unter den mittlerweile Dutzenden Studios - allein in Palma. „Wir hatten damals in Madrid unsere Yogastudios verkauft und waren auf die Insel gekommen, um hier ein ,Sex-and-the-City-Cupcake'-Geschäft aufzumachen", erinnert sich die Spanierin und US-Amerikanerin Francesca Zuniga. Zusammen mit ihrem Mann Roeland Raijmakers aus den Niederlanden übernahmen sie damals die Räume von YogaYou und eröffneten dort Simply Yoga. „Aber die Miete dort war sehr teuer." Heute sitzen sie unter den Namen Zunray in der Carrer de Sant Feliu, 17, einem alten Gewerbehof in der Altstadt. Insgesamt neun Lehrer geben Kurse in einem 40 und einem 100 Quadratmeter großen Raum. „Wir bieten Hatha Yoga, Vinyasa oder Kundalini an", sagt Francesca Zuniga (Einzelstunde: ab 15 Euro).

Das Besondere an Zunray ist, dass sie den Lehren der US-Amerikaner Desi Springer und John Friend folgen, die 2013 den sogenannten Bowspring Yoga erfunden haben. „Eine Revolution in der Yogawelt", sagt Francesca Zuniga. Gelehrt wird das Gegenteil zu dem, was die anderen Yoga-Stile vereint. Statt auf einer geraden Haltung zu achten - man stelle sich im Yogasitz ein Band vor, das durch die Wirbelsäule verläuft und an dessen Ende man sich über dem Kopf emporzieht - wird der Rücken gekrümmt, das Becken herausgedrückt. Finger, Füße und Zehen sind oft gebeugt. „Die Bewegungen sind dabei sehr detailliert, energiegeladen und minimalistisch", sagt Zuniga.

Spricht man mit Yogalehrern über ihre Passion, gelangt man schnell an den Punkt, in dem es um spirituelle Werte geht. Es dreht sich viel um Energie, die durch die Übungen freigesetzt werden. In der Yoga-Sprache werden die Körperhaltungen Asanas genannt, durch Bewegungen und Atemübungen wird die Lebensenergie (Kundalini) stimuliert, damit sie über die Wirbelsäule in die Chakren (Energiezentren) aufsteigt.

Oft ist auch von einer „inneren Reinheit" die Rede - einige Yoga-Schulen verbieten Alkohol, der Jivamukti Yoga fordert etwa eine vegane Lebensweise von seinen Anhängern und zeigt Trainern in der Ausbildung Videos von Massentierhaltung und Schlachthöfen. „Wir sind da nicht so radikal, aber Ernährung spielt bei uns eine wichtige Rolle", sagt Francesca Zuniga. So bieten sie zum Beispiel Persönlichkeitstest an, nachdem eine Ernährungsberatung erfolgt. „Vielleicht ist man ein Fleisch-Mensch und sollte Fleisch essen. Für andere ist eine vegane Ernährung besser."

Der zweite große Player

Das 2009 von der Schwedin Sandra Donovan gegründete Earth Yoga in der Carrer de Despuig, 34, managen die Britin Jay Robertson und die Deutsche Katja Katzmarcik. Sie lebt seit 2001 auf der Insel und hat ihre Yoga-Ausbildung bei Ursula Karven und Kim Steeb begonnen. Katja Katzmarcik leitet das 2015 eröffnete Earth-Yoga-Studio in Puerto Portals. Sie und die zwölf weiteren Lehrer bieten Vinyasa, Yin, Heilendes Yoga, Pranayama Atemübungen und Meditationen an. In Palma misst der eine Raum 100 Quadratmeter, ein kleinerer

35 und der Raum in Portals ist etwa 20 Quadratmeter groß. Die Einzelstunden kosten wie bei Zunray 15 Euro.

„Der Boom startete auf Mallorca 2010", erinnert sich Katja Katzmarcik. In Sachen Studios habe man mittlerweile eine Sättigung erreicht. Einen Wachstum könne man noch bei den sogenannten Retreats beobachten, bei denen auf Fincas für einen begrenzten Zeitraum Kurse gegeben werden. Earth Yoga etwa bietet Seminare auf der Finca Cas Bernats in Sóller an, Zunray auf der Finca Osa Major in Montuïri.

Vier Nächte all-inclusive mit Yoga-Stunden, Massagen und Workshops kosten da schon einmal ab 1.500 Euro. Andere Anbieter veranstalten Treffen im Boutique-Hotel Cal Reiet in Santanyí, die Frauenzeitschrift „Brigitte" hat vom 26. bis 29. März das Bikini-Hotel in Port de Sóller für eine Yoga-Veranstaltung gemietet, kommen soll auch die Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes (ab 1.179 Euro).

Katja Katzmarcik beobachtet, dass mit der Ausweitung von Yoga-Angeboten auch ein gewisser Zersetzungsprozess in der Szene einhergeht. Während man sich früher noch persönlich kannte, kochen heute viele ihr eigenes Süppchen. „Es gibt Lehrer, die bei sich zu Hause Klassen anbieten."

Klein, aber fein

Nur ein paar Schritte die Straße hinunter vom Earth Yoga entfernt, hat sich das Geschäft Sea Yoga angesiedelt (Carrer de Cervantes 5), wo Yoga-Matten für 70 Euro und Kleidung aus recyceltem Material verkauft werden. Eine Turnhose für Männer kostet hier 72 Euro. An der Straßenecke bietet das Café Totally Gutted probiotisches Essen an. Direkt gegenüber findet man das höchst spirituelle Studio Ra Ma Institut der kalifornischen Guru Jagat, wo das weiße Yoga-Dress „Practical Magic" für 288 Euro verkauft wird und die Lehrerinnen Birjiwan oder Namsatya heißen.

Dabei gelingt es manch kleinerem Anbieter - womit die großen Studios Schwierigkeiten haben - zum Beispiel mehr Männer in die Kurse zu locken. So gibt die Australierin Mikala Greentree im Bikini Wellness am Passeig de Mallorca,10, Broga-Klassen - Yoga nur für Männer (10 Euro). „Die Idee ist im Freundeskreis entstanden, ich habe früher auf Yachten gearbeitet und kenne viele, die dort arbeiten", sagt Mikala Greentree. In ihren Kursen treffen sich junge Männer aus Südafrika, den Cookinseln, Neuseeland oder Großbritannien. „In einen Kurs mit Frauen zu gehen, fanden wir etwas beängstigend", sagt Jimmy aus Neuseeland. Einige seiner „Bros" (vom engl. brother für Brüder) hatten durch die Arbeit auf den Schiffen Rückenprobleme. Das Yoga würde helfen. Mikala Greentree mischt in ihrer Klasse Kundalini-Yoga mit schweißtreibenden Pilates-Übungen, am Ende wird manchmal meditiert und danach ein Bier getrunken.

Auch MZ-Grafikerin und Yogalehrerin Marion Dörr hat ihre Nische entdeckt, nachdem sie zunächst die klassischen Ausbildungen im Vinyasa und Yin Yoga absolviert hat, bietet sie neben Yoga-Kursen in Palma und Bunyola im Fitnessstudio Sport Atenas Bodyart-Klassen an (10 Euro). „Das ist ein Mix aus Yoga, Pilates und Thai-Chi." Hier geht es um die körperliche Ertüchtigung und darum, die Seele baumeln zu lassen. Ganz ohne die Gefahr, dass einem die Spiritualität beim Yoga zu Kopf steigen kann.

Kontakte

www.zunray.com

www.earthyoga.es

www.ramayogainstitute.com

Mikala Greentree, Facebook: Bikini Beach Wellness. Marion Dörr, Facebook: Bodyart Baleares

Die wichtigsten Yoga-Stile kurz erklärt

Hatha Yoga

Hatha bedeutet Kraft oder Hartnäckigkeit, die Übungen heißen „Krokodil" oder „zornige Katze". Diese Art ist sehr populär und gut für Anfänger geeignet, da die Bewegungen langsam ausgeführt werden und nicht allzu schwierig sind.

Vinyasa Yoga

Die Übungen sind etwas anstrengender als beim Hatha. Beim Vinyasa wird darauf geachtet, dass der Atem im Einklang mit den Bewegungen steht. Häufig findet man in Yogastudios auch den Begriff Vinyasa Flow, da die Bewegungen fließend ineinander übergehen.

Yin Yoga

Es heißt, dass das Yin Yoga dem Faszien-Gewebe guttun soll. Dabei handelt es sich um die erst vor Kurzem entdeckten bindegewebigen Häute im Körper, die für die Elastizität entscheidend sind. Die Übungen finden meist im gedehnten Bereich statt, die Positionen werden möglichst lange gehalten - das kann schon einmal wehtun.

Kundalini Yoga

Hierbei wird der Fokus verstärkt auf geistige und spirituelle Aspekte gelegt. Noch mehr als beim Vinyasa Yoga wird der Atem (Pranayama) auf die Körperbewegungen abgestimmt. Ziel ist die Aktivierung der Kundalini Energie. Die Übungen im Kundalini Yoga werden auch Kriyas genannt.

Ashtanga und Power Yoga

Es geht recht intensiv zu, wobei jeder Teilnehmer auf seinem eigenen Leistungsniveau agiert. Dabei werden verschieden schwere Serien von Übungen wiederholt. Der stets fließende Übergang von einer Position in die andere ist anstrengend. Beim Power Yoga (gegründet von Bryan Kest) wird die Reihenfolge der Übungen flexibler gestaltet.

Iyengar Yoga

Diese Richtung wird dem Hatha Yoga zugerechnet. B. K. S. Iyengar entwickelte die Grundlagen zu einer korrekten Körperhaltung. Dazu werden bei den Übungen auch Hilfsmittel wie Gurte, Klötze, Polster, Rückenbänke verwendet. Die Praxis wird zusammen mit dem notwendigen philosophischen und anatomischen Wissen in einer dreijährigen Ausbildung zum Iyengar-Yoga-Lehrer vermittelt.

Sivananda Yoga

Gegründet wurde diese Form von dem Guru Swami Sivananda. Die Stunden beinhalten eine bestimmte Abfolge der Übungen, immer wieder wird meditiert und Atemübungen (Pranayamas) abgehalten.

Bikram Yoga und Hot Yoga

Hierbei geht es heiß zu, die Übungen finden in einem 40 Grad heißen Raum statt. Bei dieser Temperatur sollen die Muskeln besonders flexibel sein. Außerdem wird durch das Schwitzen der Entgiftungsprozess beschleunigt. Eine Einheit besteht aus 26 Übungen.