Wie Trauben hängen sie an den Stauden. Manche Tomaten sind dick und schon rot, andere klein und noch grün. An der Spitze der Stöcke blitzen gelbe Blüten aus dem Laub, sie werden im Laufe des Sommer Früchte bilden. Die Pflanzen sind an stützenden Stangen gebunden und bieten, so weit das Auge reicht, frisches Grün in der ansonsten eher ockerfarbenen Landschaft bei Manacor. Hier wachsen auf einem zwei Hektar großen Feld rund 20.000 einjährige Pflanzen im Spalier.

Sie gehören Maties Adrover, dem kleinen Bruder von Joan Adrover, der erfolgreich den Biohof Sa Teulera bewirtschaftet. Viele Felder sind Teil des ehemals elterlichen Hofs. Die Produktion von Maties Adrover wird unter der Marke Terracor vertrieben, seine Plantagen mit Freilandtomaten zählen zu den größten der Insel. Unter der Marke Terragust lädt er Gäste zum Mahl direkt auf das Feld und auch zur Verkostung von Tomaten ins Spalier ein.

Gerade sind Transporter mit am Vortag geernteten Tomaten unterwegs zu den Insel- Filialen von Lidl. Weil der Verkaufsriese auf Mallorca kein Lager für verderbliche Lebensmittel unterhält, wird die Ware täglich außer sonntags beim Discounter abgeliefert.

Obst oder Gemüse?

Die Tomate ist eigentlich eine Beere. Nach Jahren der Diskussion, ob sie nun zum Obst oder Gemüse zählt, haben sich die Botaniker auf den Namen Fruchtgemüse für die Tomate (Solanum lycopersicum bot., tomate span, tomàtiga kat.) geeinigt. Wobei der Name ursprünglich von dem aztekischen Wort tomatl abstammt. Als Nachtschattengewächs ist die Tomate mit dem Tabak, der Kartoffel, der Paprika und der Aubergine verwandt, die in Laub oder Wurzeln giftige Substanzen enthalten. Das hat ihnen wohl den gespenstisch klingenden Familiennamen eingebrockt.

Schon in den Wintermonaten kaufte Adrover Samensorten ein. Für jede Pflanze werden zwei Setzlinge vorgezogen. Bei einem handelt es sich um eine alte Sorte, die sich als besonders robust, wuchsfreudig und resistent gegen Krankheiten erwiesen hat. Sie bildet die Unterlage der Veredelung und wird später auf der Plantage Wurzeln schlagen. Dazu kauft der Mallorquiner noch Samen von Edelsorten ein, die aufgepfropft werden. Den Ausschlag geben hier Geschmack, Größe, die Eignung als Zutat sowie die Blattgesundheit. Jedes Jahr experimentiert Adrover mit 25 neuen Sorten, unter ihnen auch solche, die den Gästen bei den Verkostungen besonders geschmeckt haben.

Für die Setzlinge sind Spezialbetriebe zuständig. Sie säen Unterlage und Edelsorte gleichzeitig aus, denn für die Veredelung müssen beide gleich groß sein. Haben sie die Größe einer Handspanne erreicht, werden die hohlen Stängel abgeschnitten, mit einem Stift geschient und so aufeinander gesetzt, dass sie zusammenwachsen. Im April konnten dann die 48 Mitarbeiter von Terracor die Setzlinge zwischen die Stangen setzen.

Die Sorten

Bei gut schmeckenden Tomatensorten ergeben das Zusammenspiel von Süße, Säure und eine leicht salzige Note den perfekten Geschmack, wobei deren Anteile von Sorte zu Sorte variieren. Auf der Plantage bei Manacor sind jetzt die Cor de Buey, die Ochsenherz-Tomaten reif, große scharlachrote Früchte, die an ihren Rippen zu erkennen sind. Ihr Fruchtfleisch ist fest, zwischen den Kammern bildet sich reichlich Saft, und das Verhältnis von Säure und Süße ist im reifen Zustand optimal. Kreuzungen mit der tomate negro und rosa ergeben kleinere saftige Früchte.

Die tomate rosa bildet ebenfalls riesige Früchte mit heller, zarter Haut. Das Fruchtfleisch in großen Kammern ist fleischig-süß, der Geschmack leicht mehlig. Weil das Innere vom Fruchtfleisch ausgefüllt ist, hat nur wenig Fruchtsaft Platz. Außer den Eiertomaten, tomate de pera, hängen an den Stauden auch klassisch runde sowie Cherrytomaten, die wie Perlen auf einer Kette aufgereiht sind.

Der Markt

Wenn Adrover im Winter die Samen für die Edelsorten auswählt, ist der Geschmack der Tomate wichtigstes Kriterium. Für den Handel dagegen spielt die Lagerfähigkeit eine große Rolle. "Du kannst erstklassige Tomaten ernten oder solche, die kaum Geschmack haben", sagt Adrover, nimmt eine grüne Tomate vom Strauch und erklärt, dass die Frucht den Einfachzucker wie Glukose und Fruchtzucker erst im Endstadium ihrer Reife am Strauch bildet. Großhändler kaufen jedoch bevorzugt große Mengen unreifer Früchte dann, wenn der Tagespreis niedrig ist, und holen sie nach Bedarf aus den Kühlkammern. Grün gepflückt werden auch all diejenigen Tomaten, die auf dem Weg zum Verbraucher viele Kilometer zurücklegen. Wären sie schon reif, könnte auf ihrer Reise bereits Fäulnis einsetzen.

Doch es gibt Ausnahmen: Bei den Cherrytomaten ist es den Züchtern gelungen, sie mit langer Lagerfähigkeit auszustatten. Sie werden reif gepflückt und überstehen die Wege zum Verbraucher und auch die Zeit danach im Kühlschrank unbeschadet. Auch die Ramallet-Tomate kann lange lagern und deshalb reif geerntet werden.

Die Marke

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Adrover bestellt seine Plantagen nach den Vorgaben der agricultura integral, einem Mittelweg zwischen ökologischem und konventionellem Anbau. Viele der bisher eingesetzten Pestizide und Insektizide sind ohnehin verboten worden, man orientiert sich am Bioanbau. In diesem Bereich stehen zudem Gelder für die Forschung nach umweltverträglichen Methoden zur Verfügung. Deshalb gibt es jetzt auch wirksame und gleichzeitig sanfte Mittel gegen Schädlinge und Krankheiten.

All dies kann das Konsumverhalten von Verbrauchern beeinflussen, die umweltbewusst sind und bevorzugt regional kaufen. Deshalb will Maties Adrover künftig seine reif geernteten Tomaten mit dem Logo Terracor unter die Leute bringen. Denn wer einmal eine Tomate gekauft hat, die richtig gut war, wird sie sicherlich den ganzen Sommer über essen wollen. Doch viele Gemüsehändler bieten lieber die tomàtiges anonym oder mit ihrer eigenen Marke an. Nicht so der Discounter Lidl, der seinen Kunden die Tomaten in den Obstkisten von Terracor anbietet.