Spätestens wenn Hunderte deutschsprachige Residenten und Urlauber in der prachtvoll geschmückten Kathedrale von Palma de Mallorca an Heiligabend gemeinsam „Stille Nacht, heilige Nacht“ anstimmen, kann man als Gottesdienstbesucher eine Gänsehaut spüren. Wohl auch wegen ihrer ganz besonderen Stimmung ist die ökumenische Christvesper der deutschsprachigen evangelischen und katholischen Gemeinde auf Mallorca für viele seit Jahren ein fester Bestandteil des Weihnachtsfestes. Schon seit 1971 feiern beide Gemeinden zusammen. Nach einer pandemiebedingten Pause im vergangenen Jahr steht sogar ein runder Geburtstag der Christvesper an: Sie soll zum inzwischen 50. Mal stattfinden.

Angesichts steigender Corona-Zahlen ist allerdings noch nicht sicher, ob es die Christvesper in diesem Jahr geben wird. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereiten wir uns darauf vor, sie unter bestimmten Sicherheitsauflagen stattfinden zu lassen“, sagt der evangelische Kirchenvorstand Jan Marks optimistisch. Die Verantwortlichen beobachteten die Entwicklungen der Pandemie in den kommenden Wochen akribisch weiter und orientierten sich letztlich an den Vorgaben der Regierung und der kirchlichen Gastgeber.

Skeptischer klingt dagegen die Einschätzung in der deutschsprachigen katholischen Gemeinde auf Mallorca. „Die Zahlen diktieren das Vorgehen“, meint lakonisch Pfarrer Andreas Falow gegenüber der MZ.

„Bisher hat keine Kirche einen Gottesdienst für Weihnachten abgesagt“, führt Marks aus. Der ökumenische Weihnachtsgottesdienst ist laut ihm nicht nur der größte der Welt, sondern für viele Menschen an dem besonderen Tag eine wichtige Veranstaltung. „Viel wichtiger als Fußballspiele oder Kinobesuche“, fügt Marks hinzu, der sich überzeugt zeigt, dass die Organisation eines sicheren Gottesdienstes möglich sei. Auch der Ökumenebeauftragte im Bistum, Baltasar Morell, und das für Liturgie zuständige Mitglied des Domkapitels der Kathedrale, Pere Oliver, hätten grünes Licht gegeben. Über die Details, etwa eine begrenzte Teilnehmerzahl, wolle man dieser Tage gemeinsam sprechen.

Es dürfe etwa nicht wie vor Covid zu Menschenansammlungen vor dem Seiteneingang der Kathedrale kommen. „Den Einlass müssen wir strukturieren, etwa durch Schlangenlinien ähnlich wie beim Check-in am Flughafen oder Abstandsaufkleber auf dem Boden“, so Marks. Sowohl im Wartebereich als auch während des Gottesdienstes soll zudem Maskenpflicht gelten. Außerdem wollen die Organisatoren streng auf genügend Abstand in den Bänken achten. Nach dem Gottesdienst sollen die Besucher dann Reihe für Reihe kontrolliert die Kathedrale verlassen. Wer die Gemeinden dabei unterstützen will, als Ordner am Ein- und Ausgang zu kontrollieren, kann sich per E-Mail melden (info@kirche-balearen.net). Um Menschenansammlungen zu vermeiden, soll es auch in diesem Jahr am Nachmittag des 24. Dezember zwei Christvespern geben. „Vielleicht können wir die zweite eine halbe Stunde später als sonst beginnen lassen“, so Marks.

Holmfried Braun, Pfarrer der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde, rechnet mit deutlich weniger Besuchern als den sonst 4.000 bis 5.000 in beiden Vespern. „Viele meiden Großveranstaltungen derzeit.“ Bedenken, die derzeit vor allem die deutschsprachige katholische Gemeinde äußere, könne er angesichts der aktuellen Lage gut verstehen. „Ich denke trotzdem, dass es klappt“, so Braun. Gerade zu Weihnachten wolle die Gemeinde ein Zeichen setzen, Menschen nicht allein zu lassen, den Gottesdienst also nur absagen, wenn es nicht anders geht.

Klar ist schon jetzt: „Stille Nacht, heilige Nacht“ wird nicht mit voller Stimmgewalt erklingen. „Das Singen wird mit Instrumenten vom Altarbereich aus gestaltet. Dazu kann jeder vor sich hin summen“, so Marks. „Aber es können nicht Hunderte Leute gemeinsam laut in die Halle pusten.“