Tagebuch schreiben mit der Mallorca-Koryphäe Axel Thorer

Der Journalist Axel Thorer zeigt bei einem eintägigen Seminar auf Son Bauló, wie man spannend und nachhaltig Tagebuch schreibt

Tagebuch-Schreiben fordert Disziplin und Ordnung.

Tagebuch-Schreiben fordert Disziplin und Ordnung. / DPA

Simone Werner

Simone Werner

„Liebes Tagebuch, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, könnte der erste Satz lauten. Wenn die eigenen Aufzeichnungen allerdings auf Dauer spannend und witzig sein sollen, sodass man sie sich auch in ein paar Jahren noch gern durchliest, sollte Tagebuch-Schreiben einfallsreicher vonstattengehen.

Das gilt sowohl für klassische Tagebücher, wie sie schon vor Hunderten von Jahren geschrieben wurden, als auch für modernere Wege, sein Befinden auszudrücken. Der Journalist Axel Thorer findet, dass auch Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken wie Instagram, TikTok, Facebook oder Twitter moderne Tagebücher sind. „Zugleich erlebt aber auch die alte Art des Tagebuch-Schreibens eine Renaissance. Ich kenne kaum noch Menschen, die kein Tagebuch führen oder irgendwelche Aufzeichnungen machen, auch wenn sie es vielleicht nicht Tagebuch nennen.“

Bekannte Tagebuch-Schreiber

Für den ehemaligen Vize-Chef der „Bunten“ und Inselkenner („Mallorca: Lexikon der Inselgeheimnisse“) ist beim Handwerklichen aber noch viel Luft nach oben. Am 23. April bietet er deswegen ein eintägiges Seminar zum Thema Tagebuch an. Anhand berühmter Beispiele zeigt er, wie man Spannung und einen roten Faden in die Texte bekommt und sie lesenswert macht – begonnen bei dem Tagebuch von Anne Frank über die Aufzeichnungen von Johann Wolfgang von Goethe bis zu dem, was Rockmusiker Kurt Cobain für berichtenswert hielt. Gemeinsam mit den Teilnehmern des Seminars will Thorer dann erörtern, was das Faszinierende an diesen und weiteren Texten ist und welche Rolle die Selbstdarstellung beim Schreiben spielt.

Axel Thorer

Axel Thorer / Will Kauffmann

Neun Gruppen an Tagebuch-Schreibern

Der MZ-Preisträger macht neun Gruppen an Tagebuch-Schreibern aus, darunter die „glatten Lügner“, die „Angeber“ oder die „Sich-selbst-Bemitleider“. „Jeder muss sich überlegen, wer er ist oder sein will und für wen er das Tagebuch schreibt: für sich selbst, seine Kinder, die Nachwelt?“

Thorer selbst führt schon seit Jahrzehnten Tagebuch – „aber nur auf Reisen“, wie er hinzufügt. Wie war das Wetter damals vor 30 Jahren, wie die Temperatur? War der Tempel schön oder nicht? Es mache große Freude diese Details Jahre später in Erinnerung rufen zu können. Die meisten Menschen schreiben Tagebuch ohnehin, um später eine Erinnerungsstütze zu haben und Vergleiche zwischen damals und heute ziehen zu können.

Anerkannte Methode in der Psychotherapie

Auch in der Psychotherapie sei die Niederschrift der eigenen Gedanken und des subjektiven Empfindens längst eine anerkannte Methode, zu der etwa einsamen oder depressiven Patienten geraten wird. „So haben sie einen ‚Partner‘, können sich mit sich selbst aussprechen und das, was sie denken oder fälschlicherweise denken, korrigieren“, sagt Thorer.

Weil bekanntlich aller Anfang schwer ist, nennt Thorer den Seminarteilnehmern zwölf Themenkategorien, zu denen sie sich Gedanken machen sollen. Darunter sind etwa „Gesundheit“, „Ärgernis“, aber auch „Freude“. Worüber man am Ende auch schreibt: Ohne Disziplin geht es nicht – ob beim Umfang oder dem Zeitpunkt, zu dem man sich dem Tagebuch-Schreiben widmet. So könne man sich etwa vornehmen, jeden Tag nach dem Abendessen oder von sechs bis sieben Uhr für eine halbe Stunde zu schreiben.

Umfang und Uhrzeit festlegen

Beim Umfang wiederum zwinge eine genaue Angabe ebenfalls zur Konzentration: „Will ich vor mich hin labern oder nehme ich mir wie ein Schriftsteller vor, jeden Tag eine Seite zu schreiben, aber auch wirklich nur eine Seite und nicht mehr“, laute eine Frage. Eine Idealform des Tagebuch-Schreibens gebe es aber nicht. Das zeigen schon die vielen Beispiele, die er den Teilnehmern mit an die Hand gibt.

Auch ob man am Laptop, Handy oder auf Papier schreibe, sei gleichgültig. Nur einen Vorteil habe das digitale Schreiben: „Du kannst per Schlagwortsuche direkt herausfinden, wann du etwa in Venedig warst. In deinen 20 Papier-Tagebüchern suchst du dich da eher zu Tode“, so der 83-Jährige, der auch Stellen aus seinen Tagebüchern vorlesen wird und gespannt auf die Kritik der Teilnehmer ist.

Lernen, wie man Tagebuch schreibt: 23. April,10–17 Uhr, Kulturfinca Son Bauló, Camí de Son Bauló, Teilnahme: 85 Euro (Mittagessen, Kaffee & Kuchen inklusive), Anmeldung: son-baulo@son-baulo.com, Tel.: 971-52 42 06