In den letzten Wochen des Jahres bricht in vielen Unternehmen für gewöhnlich Hektik aus. Der Jahresabschluss muss erstellt werden, und möglichst alle für das laufende Jahr vorgesehenen Projekte sollten noch irgendwie abgeschlossen werden, bevor sich die gesamte Belegschaft in den Weihnachtsurlaub verabschiedet. Der spanischen Regierung geht es derzeit nicht anders. Ministerpräsident Pedro Sánchez hat angeordnet, dass das Kabinett bis Jahresende zweimal statt nur einmal pro Woche tagen soll. Denn im Moncloa-Palast, dem Regierungssitz, ist man entschlossen, den Fahrplan einzuhalten, der mit der Europäischen Kommission im Gegenzug für die Hilfen aus dem Aufbaufonds vereinbart wurde. Die wichtigsten Reformen, die des Rentensystems und des Arbeitsmarktes, müssen daher bis zum 31. Dezember verabschiedet werden.

Trotz vieler Widrigkeiten lief es zuletzt recht gut für die Minderheitsregierung der Sozialisten (PSOE) von Sánchez und dem Linksbündnis Unidas Podemos. Ende vergangener Woche stimmte das Unterhaus dem Haushaltsplan für 2022 zu. Das war nicht selbstverständlich. Die Koalition hat nur 155 der 350 Sitze und muss daher gleich mit einer ganzen Reihe kleinerer Parteien verhandeln. Nach einem zähen Kuhhandel stimmten schließlich 188 Abgeordnete von 11 Parteien dem Haushalt zu. Vor einem Jahr war der Finanzplan der Regierung nur denkbar knapp mit zwei Stimmen mehr als nötig durchgekommen.

Das Regieren ist in Spanien in den vergangenen Jahren durch den Erfolg neuer Parteien schwieriger geworden. Zwischen 2015, als die damalige konservative Regierung von Mariano Rajoy ihre absolute Mehrheit verlor, und 2019 fanden gleich vier Parlamentswahlen statt. Sánchez kann dank des Erfolgs in der Haushaltsdebatte nun bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 planen. Denn für den Fall, dass er im kommenden Jahr keine Mehrheit zustande bekommen sollte, könnte er den geltenden Haushalt um ein Jahr verlängern.

Netflix auf Katalanisch?

Die kleineren Parteien ließen ihre Stimmen etwas kosten. So sicherte sich die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) ein neues Gesetz, das Streaming-Plattformen dazu verpflichtet, mindestens sechs Prozent ihrer Inhalte in einer der anderen offiziellen Sprachen des Landes wie Katalanisch zu senden. Im Gesetzentwurf ist jedoch nur von in Spanien ansässigen Medienanbietern wie Filmin oder Movistar die Rede. ERC verlangt, dass auch ausländische Konzerne wie Netflix oder HBO verpflichtet werden, und droht sogar damit, den Haushalt im Senat anzufechten. Die baskischen Nationalisten wiederum holten Zusagen für Infrastrukturprojekte heraus.

Der Haushalt war eine Grundbedingung, um einen großen Teil der Hilfen aus Brüssel abrufen zu können. Spanien stehen jeweils rund 70 Milliarden Euro an direkten Zuwendungen und Krediten zur Verfügung. Doch gibt es auch reichlich Kritik an den Finanzplänen der Regierung. Denn der Haushalt ist auf sandigem Boden gebaut. Die Prognose eines Wirtschaftswachstums von 6,5 Prozent in diesem Jahr und sieben Prozent im kommenden Jahr liegt klar über den Schätzungen fast aller Volkswirte. Gegenwärtig gibt es gleich mehrere internationale Entwicklungen, die die Konjunktur belasten, vor allem die drastisch gestiegenen Energiepreise und die Lieferengpässe. Auch die Unwägbarkeiten der Corona-Pandemie, mit der neuen Omikron-Variante, sind für das Urlaubsland Spanien gefährlich.

Rentenbezüge an Inflation angepasst

Sánchez und sein Kabinett setzen auf den kombinierten Effekt der Corona-Hilfen und der Wirtschaftsreformen. Die Überholung des Rentensystems ist schon zu guten Teilen abgeschlossen. Die Bezüge werden an die Preissteigerung angepasst. Zur Finanzierung der anfallenden Zahlungen in den kommenden Jahren, wenn dann die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen werden, wird der monatliche Beitrag angehoben.

Diese Maßnahme verärgerte Spaniens Arbeitgeber, die den Verhandlungstisch daher verließen. Der Ministerpräsident sowie seine Stellvertreterin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz von Unidas Podemos sind jedoch sehr darauf aus, dass die Reformen sowohl mit den Gewerkschaften als auch mit den Arbeitgeberverbänden abgestimmt werden. In den vergangenen Monaten konnte Díaz gleich zwölf wichtige Beschlüsse mit den Tarifpartnern feiern, darunter die Corona-Hilfen.

Brüssel wartet

Das wohl wichtigste ausstehende Projekt ist die Reform des Arbeitsmarktes, die bis Jahresende in Brüssel eingereicht werden muss. Auch hier wird das Tempo vor Weihnachten angezogen. Die Minister tagen nun mehrfach die Woche mit den Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber. Man ist sich weitgehend darin einig, dass eines der Hauptprobleme des spanischen Arbeitsmarktes der sehr hohe Anteil an Zeitverträgen ist. Jeder vierte Job ist zeitlich begrenzt, mal auf Monate, oft aber auch nur auf ein paar Tage. Wie dem Missbrauch der Zeitverträge Einhalt geboten werden kann, darüber wird nun eilig bis Weihnachten verhandelt.

Derweil macht die Opposition mächtig Druck auf Sánchez. Die Spitzen der konservativen Volkspartei (PP), die nationalliberalen Ciudadanos und die rechtsextreme Vox haben sich dieser Tage in Demonstrationen gegen die Politik der Regierung eingereiht, von Protesten der Landwirte bis hin zu einer Demo von Teilen der Polizeigewerkschaften gegen die Reform des Sicherheitsgesetzes. In der Wirtschaftspolitik und konkret im Haushalt kritisiert das Lager rechts der Mitte nicht so sehr den Inhalt als die Tatsache, dass die Linksregierung mit Separatisten wie der katalanischen ERC und der baskischen EH Bildu Vereinbarungen getroffen hat.

Ein Jahr Ruhe bis 2023

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Vor allem die Partei EH Bildu dient PP, Ciudadanos und Vox als schweres Geschütz gegen Sánchez. Zu diesem Bündnis linker Separatisten gehören auch Gruppierungen, die früher den Terror der ETA guthießen. Sánchez mache gemeinsame Sache mit Terroristen, oder zumindest den Freunden der Terroristen, heißt einer der Slogans, den die rechten Oppositionsführer regelmäßig loswerden.

Die Umfragen sehen gegenwärtig nicht so gut für die Regierungsparteien aus. In manchen liegen die Konservativen sogar vor den Sozialisten. Sánchez vertraut aber darauf, dass sich der Trend bis zu den Wahlen 2023 zum Positiven wendet, wenn die konjunkturelle Erholung mit dem Booster der europäischen Hilfen richtig an Fahrt aufgenommen haben wird. Und im zweiten Halbjahr 2023 hält Spanien auch den Vorsitz im EU-Rat.