"Der Vulkan schweigt tatsächlich, aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so bleibt", sagte die Inhaberin eines kleinen Ladens auf der Atlantikinsel La Palma dem staatlichen spanischen TV-Sender RTVE. Über dem Vulkan in der Cumbre Vieja steht an diesem Donnerstag kurz vor Weihnachten nur noch eine kleine Rauchwolke. Erstmals seit Langem ist wieder Vogelgezwitscher zu hören. Mehr als drei Monate hatte der Vulkan donnernd und fauchend Rauch, Asche und mehr als 1.000 Grad heiße Lava ausgespuckt, der längste Ausbruch in der Geschichte der Insel.

Nun keimt Hoffnung auf ein Ende des Albtraums und ein vielleicht doch noch ruhiges Weihnachtsfest. Aber noch wagt niemand das laut auszusprechen, so als ob der "verdammte Vulkan" dann sofort zu neuem Leben erwachen könnte. "Dem Vulkan ist nicht zu trauen", zitierte der Sender Bewohner der Insel.

Ein letztes Aufbäumen?

Seit Montagabend hat sich der noch namenlose Feuerberg im Süden der Insel beruhigt. Zuvor hatte er noch einmal in einem letzten großen Aufbäumen seine ganze Kraft gezeigt, große Mengen Lava und Rauch Hunderte Meter in die Höhe geschleudert. Seither berichten Experten von einer weitgehenden Beruhigung.

Es gebe nur noch sehr wenige schwache Erdbeben in mehreren Kilometern Tiefe, aus dem Vulkankegel selbst seien gar keine Erschütterungen mehr feststellbar und auch die Menge des ausgestoßenen Schwefeldioxids sei sehr stark zurückgegangen. Von einer wirklichen Stabilisierung könne aber erst gesprochen werden, wenn dieser Zustand sieben bis zehn Tage anhalte.

Verheerende Bilanz

Selbst wenn es so kommen sollte, ist die Bilanz schon jetzt verheerend für die 85.000 Einwohner der Atlantikinsel vor der Westküste Afrikas. Die Familie Leal aus dem untergegangenen Ort Todoque etwa, die alles, Bananenplantagen und ihre Häuser, verloren hat. Dort, wo bisher ihr Zuhause war, hat der Vulkan eine Mondlandschaft geschaffen, die noch immer rund 400 Grad heiß ist. Sie warten nun auf staatliche Hilfe, um "wieder bei Null anfangen zu können", wie Jésica Leal der Zeitung "La Vanguardia" sagte. Die Inselregierung schätzt die Schäden auf etwa 900 Millionen Euro.

Rund 7.000 Menschen mussten wegen der heranrückenden Lava ihre Häuser räumen und sind bei Angehörigen, in Hotels, Pensionen oder in vom Staat angemieteten Wohnungen untergekommen. Ihre Häuser wurden entweder von der Lava zermalmt und verbrannt, oder sie befinden sich in der Sperrzone unterhalb des Vulkans. Aber trotz aller Probleme gibt es schon Pläne für eine nachhaltige Zukunft. Pläne, in denen der Vulkan eine wichtige Rolle spielt.

Vorfreude auf die Teigtaschen

Sollten die Hoffnungen der Menschen erfüllt werden, dann wäre bei allem Verlust zumindest eine friedliche Weihnacht möglich. Zum Weihnachtsessen gehören auf La Palma traditionell meist Sopa de Picadillo, eine Hühnerbrühe, sowie Gerichte mit Ziegenfleisch, dem berühmten Käse der Insel und den Truchas, einer mit Süßkartoffel und Mandeln gefüllten Teigtasche.

Aber draußen werden die Folgen noch lange zu sehen sein. Knapp 1.200 Hektar der Insel sind mittlerweile mit einer dunklen Kruste aus erkalteter Lava bedeckt. Es wird Jahrzehnte dauern, bis dort wieder etwas wächst. Rund um den Vulkan hat sich zudem eine bizarre Landschaft gebildet. Eine meterdicke Schicht aus Vulkanasche deckt alles mit den weichen Konturen von Neuschnee zu, nur dass es sich um Asche handelt. Aus dieser schwarzen "Winterlandschaft" ragen hier und da noch dürre Baumgerippe und Schornsteine verschütteter Häuser heraus.

Viele der Evakuierten hatten ihre Häuser angesichts der näher rückenden Lava leergeräumt und gehofft, ihr Haus möge verschont bleiben. Aber mehr als 1.000 Bewohner und Bewohnerinnen verloren ihr Zuhause. "Jeden Tag habe ich gebetet: Bleib doch stehen", erzählt Jésica. Umsonst, das Haus, die Arbeit ihrer Vorfahren, für immer verschwunden.

Ein von der Vulkanasche bedecktes Haus in der Nähe von Tacande auf La Palma. MARCO TRUJILLO

Einzug ins Fertighaus

Für Menschen wie sie hat die Inselregierung Holzfertighäuser bestellt, von denen die ersten bald aufgebaut sein sollen. Die 74 Quadratmeter großen Blockhäuser aus nordischer Fichte mit zwei bis drei Schlafzimmern, Wohnzimmer, Küche, Bad und Toilette sowie Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss sollen in der Gemeinde El Paso rund vier Kilometer nordwestlich des Vulkans entstehen.

Der Staat hat umfangreiche Hilfen für die schwer getroffene Insel auf den Weg gebracht, unter anderem für die Landwirtschaft. Wichtigstes Erzeugnis sind Bananen. Aber etwa 470 Hektar Bananenplantagen sind von Lava begraben worden, die Ernte von jährlich rund 150.000 Tonnen ging nach Angaben des Verbandes der Bananenproduzenten Asprocan um mindestens 20 Prozent zurück, wie der Radiosender Onda Cero berichtete.

Aber es gibt auch schon Pläne für einen Neuanfang, wenn der Vulkan erst einmal Ruhe gegeben hat. Wenn es nach der Vereinigung der Vulkan-Geschädigten geht, soll südlich von der Ortschaft La Mancha eine neue ökologische und nachhaltige Stadt "Cumbre Nueva" entstehen, berichtete die Zeitung "El Diario". Die Fertigteile der Häuser sollten aus Vulkanasche hergestellt werden, sagte der Architekt Sergio González-Jaraba. Und Geologen seien sich sicher, dass der gesamte Energiebedarf der Insel künftig durch Erdwärme gedeckt werden könne, die hier offensichtlich leicht zugänglich sei.

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Hoffen auf Nummer 19921

Und dann ist da noch die berühmte spanische Weihnachtslotterie. Dabei vertrauen die Menschen ausgerechnet auf diese Nummer: 19921. Sie steht für das Datum des Vulkanausbruchs am 19. September 2021. Lose mit dieser Nummer, von denen es wegen Stückelung und paralleler Serien insgesamt 1720 gibt, seien in ganz Spanien binnen Stunden ausverkauft gewesen. Fast alle, so berichtet es die Zeitung "El Mundo" unter Berufung auf Losverkäufer, seien von Palmeros gekauft worden.