Die rund 80.000 Einwohner von La Palma warten auf das wohl schönste Weihnachtsgeschenk ihres Lebens. Am 25. Dezember könnte die Expertenkommission der Regierung der Kanaren (Pevolca) den Vulkanausbruch von Cumbre Vieja für beendet erklären, zehn Tage nachdem der Krater erstmals verstummte. In den vergangenen Tagen brummte der Berg nicht mehr, es traten keine Lava oder Rauch aus, man verzeichnete nur leichte Erdstöße.

Die Pevolca geht von einem Erlöschen der Eruption aus, will aber bis zum ersten Weihnachtstag keine offizielle Entwarnung geben, da eine Wiederbelebung nicht ganz auszuschließen ist. Insgesamt 88 Tage lang sorgte der Vulkan auf der westlichen Kanareninsel –die wie das ganze Archipel vulkanischen Ursprungs ist – weltweit für ebenso spektakuläre wie dramatische Bilder. Es ist der längste bekannte Ausbruch auf La Palma. Der letzte, vor gerade einmal einem halben Jahrhundert, im Süden der Insel dauerte nur 24 Tage. Der Krater im Meer vor der kleinen Kanareninsel El Hierro war zwischen 2011 und 2012 insgesamt 147 Tage aktiv. Alles kein Vergleich zu den mehr als sechs Jahren, als im benachbarten Lanzarote im 18. Jahrhundert die Erde bebte und Steinmassen ausstieß, welche die Insel um ein Drittel vergrößerten.

Auf La Palma haben die verschiedenen Lavaströme aus den Kratern 1.200 Hektar Fläche überwälzt. Es gab nur ein Todesopfer, aber Tausende Menschen verloren ihr Zuhause, ihr Geschäft oder ihre Anbauflächen. Noch zählt man etwa 7.000 Personen, die ihr Heim verlassen mussten. Davon sind 500 Menschen noch immer in Hotels untergebracht. Bis Februar sollen alle ein neues Dach über dem Kopf haben, nach dem Willen der Behörden.

Rund 1.600 Wohngebäude sind komplett unter der Lava begraben, andere stark beschädigt. Ganze Ortschaften sind von Erdboden verschlungen worden, wie Todoque, von wo die Bilder eines einstürzenden Kirchturms um die Welt gingen. Vom Straßennetz sind 73 Kilometer verschüttet worden, und die Anbindungen entlang der Westküste der Insel ist unterbrochen, was lange Umwege erfordert.

Derweil wird alles für den schnellen Wiederaufbau der paradiesischen Urlauberinsel mobilisiert. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, der während des Ausbruchs mehrfach La Palma besuchte, verkündete vor einigen Tagen neue Hilfen wie die Aufstockung des Zuschusses für ein neues Eigenheim auf 60.000 Euro. Die vorerst arbeitslosen Fischer werden vom Beitrag zur Sozialversicherung freigestellt. Insgesamt stehen La Palma knapp 400 Millionen Euro Hilfsgelder zur Verfügung. Aber viele Menschen klagen derzeit über das langsame Vergebeverfahren der Verteilung.

Und wie geht es weiter?

Doch wie sieht die Zukunft der unter den Lavamassen begrabenen Gebiete auf der Westseite aus? Die Menschen, deren Haus verschont geblieben ist, müssen erst einmal auf Messungen der Behörden warten. Noch droht Einsturzgefahr, zumal zahlreiche Gebäude von Zentnern von Asche bedeckt sind. Besonders große Sorge bereiten austretende Gase. In sollchen Fällen muss die Lava erst einmal vollständig abkühlen, bevor Straßen neu gebaut werden können.

Unklar sind auch die künftigen Eigentumsverhältnisse. Diese bleiben zwar rechtlich bestehen. Man kann beispielsweise Anrecht auf ein 300 Quadratmeter großes Grundstück mitten in der Lavawüste erheben, wo vorher ein Wohnhaus mit Garten lag. Manche Experten halten es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass es zum Neubau kommen wird. Eher könnte der Staat die verschütteten Gebiete zum geologischen Naturpark erklären und die Eigentümer entschädigen. Schon wird überlegt, an anderer Stelle eine Ortschaft neu zu errichten und die vertriebenen Einwohner dort bauen zu lassen. Dieser neue Ort sollte jedoch weit weg vom Cumbre Vieja entstehen. Denn neue Ausbrüche in nicht allzu weiter Zukunft gelten als wahrscheinlich.

Die neuen Gebiete, die durch das Eintreten der Lavaströme ins Meer entstanden, sind dagegen automatisch Staatsbesitz. Die Insel ist um 48 Hektar gewachsen, auf einer Länge von 1,6 Kilometern entlang der Küste, mit einer Breite von mehr als drei Kilometern. Dort bilden sich bereits neue Buchten und Strände. Tourismusministerin Reyes Maroto kündigte jetzt ein Hilfspaket von 27 Millionen Euro für die Branche an, vor allem für Marketing. Auf Lanzarote ist der Timanfaya-Nationalpark, der durch die sechsjährige Eruption im 18. Jahrhundert entstanden war, heute ein beliebter Anziehungspunkt für Touristen.