Nach dem spektakulären Aufstieg von Vox bei den Regionalwahlen in Kastilien-León am vergangenen Sonntag (13.2.) ist in Spanien die Debatte über den Umgang mit den Rechtsextremen neu entbrannt. Die Partei konnte in der weitläufigen, dünnbesiedelten Region ihren Stimmenanteil gegenüber 2019 auf 17,6 Prozent fast verdreifachen. Mit 13 Abgeordneten ist Vox nun drittstärkste Kraft im Parlament von Valladolid. Eine Regierungsbildung ohne die Rechten gestaltet sich außergewöhnlich schwierig. Das bringt die konservative Volkspartei (PP) in die Bredouille, nicht nur in Kastilien, sondern auch spanienweit.

Die PP konnte die Wahl in ihrer Hochburg, wo sie seit 35 Jahren an der Macht ist, zwar gewinnen. Doch blieb sie mit 31 Sitzen – lediglich zwei mehr als 2019 – weit von der absoluten Mehrheit von 41 Sitzen entfernt und ist daher auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Die PP hatte die Koalition mit den Ciudadanos aufgekündigt, in der Annahme, sie könnte bei Neuwahlen stark vom Niedergang der Liberalen profitieren und fortan allein regieren. Die Ciudadanos stürzten tatsächlich von zwölf Sitzen auf einen einzigen ab. Doch kam das im Lager rechts der Mitte fast ausschließlich Vox zugute.

Platz in der neuen Regierung

Die Rechtspopulisten beanspruchten bereits in der Wahlnacht ihren Platz in einer neuen Regierung. In den vergangenen Jahren, in denen Vox fast überall im Land in Parlamente und Stadträte eingezogen ist, hatte die Partei auf Posten verzichtet und konservativ-liberale Minderheitsregierungen von außen getragen, so in Andalusien, Murcia oder Madrid.

Anders als in den meisten europäischen Nachbarländern haben Spaniens Konservative bisher keine klare Abgrenzung von den Rechtsextremen betrieben. PP-Chef Pablo Casado hat stattdessen versucht, sich teils thematisch, vor allem aber rhetorisch an Vox anzunähern. In seinen wüsten Attacken auf die Linksregierung des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez steht Casado den Rechten kaum nach. Doch hat es die PP bislang vermieden, mit Vox Koalitionen einzugehen, aus Angst, dass dies moderate Wähler und Wählerinnen verschreckt.

Und so lehnt die PP auch in Kastilien-León eine Regierung mit Beteiligung von Vox ab. Zumal die Rechtsradikalen auch gleich einen Preis für die Zusammenarbeit benannten. García-Gallardo verlangt die Aussetzung der regionalen Gesetze zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt sowie zur Aufarbeitung der Franco-Diktatur. Doch Casado zog am Dienstag (15.2.) eine rote Linie. „Die Gleichberechtigung ist für uns nicht zu verhandeln“, so der Oppositionsführer. „Unsere Prinzipien sind unsere Bedingungen. Wer mit der PP Abkommen schließen will, muss diese akzeptieren.“

Was PP und Vox trennt

Es sind vor allem soziale Themen, bei denen sich PP und Vox unterscheiden. Am Dienstag stimmten die Konservativen im spanischen Parlament gegen einen Antrag der Rechtsextremisten, den Zugang zur spanischen Staatsbürgerschaft zu erschweren, Argument war die angeblich hohe Kriminalitätsrate unter Ausländern. Die PP will auch nicht das System der Autonomen Gemeinschaften in Spanien oder die Mitgliedschaft in der Europäischen Union infrage stellen, so wie es Vox fordert. Die beiden Parteien eint dagegen der harte Kurs gegen die Separatisten in Katalonien und im Baskenland. Auch in der Wirtschaftspolitik gibt es viele Gemeinsamkeiten.

Die Konservativen appellierten daher an die anderen Parteien, vor allem die Sozialisten (PSOE), eine Regierung in Kastilien-León ohne Beteiligung der Rechtsextremisten zu ermöglichen. Premier Sánchez nahm das Angebot auf, stellt allerdings Bedingungen. „Wir sind bereit zu helfen, aber sie müssen um Hilfe bitten“, so der Regierungschef zu Casado in der Fragestunde im Parlament am Mittwoch (16.2.). „Sie müssen erklären, warum die Rechtsextremen nicht an einer Regierung beteiligt sein dürfen, und sie müssen klarmachen, dass dies immer und überall gilt.“ So soll die PP auch in Regionen und Stadträten auf die Unterstützung von Vox verzichten.

Vor einem Dilemma

Casado steht vor einem Dilemma. Einerseits wissen die Konservativen, dass eine Koalition mit Vox in der Mitte der Gesellschaft verpönt ist. Anderseits scheint, nach allen Umfragen und Ergebnissen, die Machtablösung in Spanien ohne die Rechten mathematisch so gut wie unmöglich.

Auch bei den konservativen Parteifreunden in Europa wie der CDU in Deutschland käme eine Regierung der PP mit Vox schlecht an. „Ist es etwa der deutsche Partner oder der in Brüssel, der über die Bündnispolitik der PP entscheidet?“, stichelte der Vorsitzende von Vox, Santiago Abascal. Schließlich steht Oppositionsführer Casado auch innerhalb der PP unter erheblichem Druck. Seine parteiinterne Rivalin Isabel Díaz Ayuso, die Regierungschefin von Madrid, sprach sich für eine Koalition mit Vox aus. „Es sollte uns doch egal sein, was die Linken über unsere Bündnisse denken“, sagte die streitsame Konservative, deren Minderheitsregierung in der Hauptstadtregion von Vox gestützt wird.

Rechtpopulisten spielen Opferrolle

Wie andere rechtspopulistische Parteien in der westlichen Welt nimmt Vox gern die Opferrolle an, die Stimme derer, die sich von der politischen Korrektheit der linken Weltverbesserer ausgegrenzt oder gar angegriffen fühlen. Das traf bei vielen in Kastilien-León offenbar den richtigen Nerv. Die Region leidet seit Jahren unter wirtschaftlicher Strukturschwäche und der Abwanderung vor allem junger Leute.

Dieses Gefühl der Vernachlässigung bescherte am Sonntag auch Initiativen in verschiedenen Provinzen viel Zuspruch. In Soria, mit 89.000 Einwohnern die kleinste der neun Provinzen von Kastilien-León, erreichte „Soria Ya!“ mehr Stimmen als PP und Sozialisten zusammen. Auch in Ávila und León holten lokale Parteien Sitze. Das macht die Regierungsbildung in Nordkastilien nicht leicht. Bis Ende Mai muss eine Lösung gefunden werden, sonst käme es zu Neuwahlen.