Gleich mehrfach zählte Ministerpräsident Pedro Sánchez in seiner Rede im Parlament am Mittwoch (30.3.) die verschiedenen Krisen auf, die seine linke Koalitionsregierung seit Anfang 2000 heimgesucht haben. Es klang wie eine Beschreibung der biblischen Plagen: Schnee- und Sandstürme, Migrationswellen, ein historischer Vulkanausbruch auf La Palma, die weltweite Corona-Pandemie und zuletzt auch noch der brutale Angriffskrieg in der Ukraine. „Es sind sehr schwere Zeiten, in denen wir regieren müssen“, resümierte der spanische Regierungschef und appellierte an die Unterstützung der anderen Parteien: „Was muss noch alles passieren, damit wir gemeinsam handeln, so wie es Europa tut?“

Der Aufruf zur Einheit verhallte jedoch im weiten Rund des Abgeordnetenkongresses. Die Opposition hielt dem Sozialisten ein mangelhaftes Krisenmanagement vor, das sich in leeren Supermarktregalen äußerte, bedingt durch den Streik der Transportbranche und die astronomischen Preise, vor allem für Energie.

Inflationsrate von 9,8 Prozent

Während Sánchez im Parlament sprach, verkündete das Spanische Statistikamt INE eine Inflationsrate von 9,8 Prozent im März, die höchste seit fast vier Jahrzehnten. „Während andere Länder in Europa handelten, haben Sie drei Wochen lang nichts getan“, kritisierte Cuca Gamarra, die Fraktionssprecherin der konservativen Volkspartei PP.

In der Tat heißt es aus Kreisen der Koalitionspartner, den Sozialisten von Sánchez und dem Linksbündnis Unidas Podemos, dass man die Krise, die sich aus der Preisexplosion ergibt, falsch angegangen sei. Erst am Montag (28.3.) präsentierte Spanien als eines der letzten Länder Europas sein Maßnahmenpaket, um die Folgen der Inflation für die Bürger abzufedern. Als vor gut drei Wochen die ersten Lastwagenfahrer streikten und andere bei der Auslieferung behinderten, spielte die Regierung den Fall herunter. Sie schob die kleine, bis dato fast unbekannte Initiative, die hinter dem Protest stand, in die rechtsextreme Ecke.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez auf Tour durch Europa

Doch als die Spritpreise kontinuierlich weiterkletterten, schlossen sich immer mehr Brummifahrer dem Streik an, und auch die Fischereiflotte legte für ein paar Tage die Arbeit nieder. In den Geschäften wurden viele Artikel knapp und mehrere Industrieunternehmen mussten die Produktion einstellen. Schließlich sah sich die Regierung doch zu Verhandlungen mit den Transporteuren gezwungen.

Sánchez tourte derweil durch mehrere europäische Hauptstädte, um für seine Pläne für eine Reform des europäischen Energiemarktes zu werben. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel am 25. März kam es dann zum großen Showdown. Andere Länder, angeführt von Deutschland, wollten in keinem Fall den geltenden Mechanismus zur Preisfindung bei der Stromerzeugung ändern. Dieser hat zur Folge, dass die extrem hohen Preise für Erdgas den Tarif für alle übrigen Energiequellen bestimmen, auch für den weitaus günstigeren Ökostrom oder Atomkraft.

Nachdem er kurzzeitig die Verhandlungen aus Protest verlassen hatte, errang Sánchez zusammen mit seinem portugiesischen Amtskollegen António Costa eine Ausnahmeregelung. Das Argument lautet, dass die Iberische Halbinsel kaum mit dem Rest Europas energietechnisch vernetzt ist und die beiden Staaten außerdem einen höheren Anteil an erneuerbaren Stromquellen aufweisen als die meisten Nachbarn.

Stromerzeuger in Spanien werden belangt

Noch diese Woche wollen Sánchez und Costa daher einen Plan bei der Europäischen Kommission einreichen, um die Gaspreise von den Kosten der Stromerzeugung abzukoppeln. Davon erhoffen sich die zwei Sozialisten eine spürbare Entlastung der Haushalte.

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Mit dem diplomatischen Erfolg im Rücken stellte Sánchez am Montag den Krisenplan seiner Regierung vor. Dieser enthält Hilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro sowie Kredite der staatlichen Aufbaubank ICO von zehn Milliarden. Neben der Subvention auf Treibstoffe, wie etwa Benzin und Diesel (S. 12), bekommen auch einzelne Branchen wie der Transport, die Landwirtschaft oder die energieintensive Industrie staatliche Subventionen, und es gilt eine Mietpreisbremse bis Juni. Die großen Stromerzeuger sollen für ihre zusätzlichen Gewinne in der Energiekrise belangt werden.

Die Wirkung des Krisenplans wird sich bald zeigen. Manche Wirtschaftsexperten rechnen nicht mit einer deutlichen Senkung der Preise. Die rechten Oppositionsparteien fordern Steuersenkungen als Antwort auf die gestiegenen Preise, freilich ohne dabei konkret zu werden. In den jüngsten Umfragen legen die PP und die rechtsextreme Vox zu und sind in Tuchfühlung einer Mehrheit. Der Unmut im Lande ist wegen der Preisexplosion deutlich zu spüren. „Die gegenwärtige Notsituation wird Spanien und Europa auf lange Sicht definieren“, räumte Sánchez ein und warnte: „Der Wohlstand in unserem Land ist in Gefahr.“