Pedro Sánchez benötigte schon seit Längerem einen richtigen Befreiungsschlag. Die Sozialisten (PSOE) des spanischen Ministerpräsidenten liegen in den Umfragen seit Wochen hinter der konservativen Volkspartei (PP). Bei den Regionalwahlen in Andalusien im Juni setzte es eine empfindliche Schlappe, und die Gräben in der Koalitionsregierung mit dem Linksbündnis Unidas Podemos wurden von Tag zu Tag tiefer. In dieser Situation kam die Debatte zur Lage der Nation diese Woche dem Regierungschef sehr gelegen.

Sánchez enttäuschte seine Anhänger nicht. Manche Schritte überraschten sogar. Das gilt für eine neue Sondersteuer auf die Gewinne der Banken und der Energieversorger, die in zwei Jahren sieben Milliarden Euro in die Staatskasse spülen sollen. Damit will die Linksregierung die Hilfsmaßnahmen zur Linderung der Folgen der hohen Inflation finanzieren, darunter etwa kostenlose Monatsabos für den Nahverkehr von September bis Ende des Jahres. „Diese Regierung wird nicht zulassen, dass manche Unternehmen die Krise zur Bereicherung nutzen“, erklärte Sánchez in seiner Rede zum Auftakt der dreitägigen Parlamentsdebatte am Dienstag (12.7.). „Die Schwierigkeiten einer Mehrheit können nicht der Profit einer Minderheit sein.“

Applaus von Links

Für die Sondersteuern für Energieversorger und Banken erntete Sánchez reichlich Applaus und Lob vom linken Koalitionspartner. Unidas Podemos hatte seit einiger Zeit einen Linksruck der Regierung gefordert. Zuletzt hatte man sich über die von Sánchez auf dem NATO-Gipfel in Madrid angekündigte Erhöhung der Rüstungsausgaben zerstritten. „Diese Maßnahmen sind positiv, aber es werden bestimmt nicht die letzten sein“, kommentierte die Arbeitsministerin Yolanda Díaz von Unidas Podemos, eine von drei Stellvertreterinnen des Ministerpräsidenten. Díaz hatte sich seit Wochen mit der sozialistischen Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, der ersten Vizepräsidentin, über Steuererhöhungen für Konzerne und Vielverdiener gestritten. „Was vorher nicht möglich war, ist nun möglich geworden“, bejubelte Díaz die Sonderabgaben für Banken und Versorger.

Die Steuer auf die außergewöhnlichen Gewinne der Stromkonzerne infolge der drastisch gestiegenen Energiepreise war schon länger im Gespräch. Die Gewinnmargen der großen Versorger sind seit Jahresbeginn und im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine nach oben geschossen. Länder wie Großbritannien, Italien oder Griechenland haben bereits eine entsprechende Besteuerung beschlossen. Mit den Abgaben auf die Gewinne von 2022 und 2023 erwartet die Regierung Einnahmen von jeweils zwei Milliarden Euro pro Jahr. Im Gegensatz zu den Energieversorgern war die neue Steuer für die Banken jedoch eine Überraschung. Die Kurse der großen Kreditinstitute rutschen demzufolge am Dienstag in den Keller, mit Verlusten von bis zu zehn Prozent. Sánchez rechtfertigte die ebenfalls auf zwei Jahre begrenzte Abgabe mit den wieder steigenden Zinsen im Euroraum. Das nährt die Gewinne der Banken, während Haushalte mit Hypotheken zu variablen Zinssätzen nun mehr zahlen müssen. Die Steuer für die Kreditinstitute soll pro Jahr 1,5 Milliarden Euro einbringen.

Das sagt die PP

Der Vorsitzende der PP, Alberto Núñez Feijóo, äußerte im Radio die Sorge, dass die Unternehmen die neuen Abgaben auf die Verbraucher abwälzen dürften. Der neue Oppositionsführer, der im April den Vorsitz der Konservativen übernommen hatte, spielte in der Debatte zur Lage der Nation nur eine untergeordnete Rolle. Er ist kein Abgeordneter und hat daher im Unterhaus kein Rederecht. Als Mitglied des Senats durfte er jedoch neben der Fraktionssprecherin der PP, Cuca Gamarra, Platz nehmen und zuhören.

In den Umfragen hat Núñez Feijóo die PP zuletzt wieder an die Spitze geführt. Die Analysten sehen das Problem der PSOE in der geringen Motivation des eigenen Wählerlagers. Mit dem Linksruck will man die Anhängerschaft vor den Wahlen in mehreren autonomen Regionen – darunter die Balearen – und zum spanischen Parlament im kommenden Jahr offenbar wachrütteln. „Wir werden alles tun, um die Mittelschicht und die Arbeiterklasse zu verteidigen“, versprach Sánchez.

Neue Bewegung im linken Lager

Die neue Entschlossenheit und die überraschende Ankündigung der Steuer auf die Banken zielen wohl auch auf die jüngste Bewegung im linken Lager ab. Am Freitag zuvor (8.7.) gab Arbeitsministerin Díaz vor rund 5.000 Teilnehmern in Madrid den Startschuss für ein neues Projekt, mit dem sie sich im Herbst 2023 bei den Parlamentswahlen präsentieren will. Unter dem vorläufigen Namen „Sumar“ (Summieren) will die charismatische Politikerin das zerstreute linke Lager einen und gleichzeitig die Marke Unidas Podemos erneuern, die an Zugkraft verloren hat. Díaz trifft sich in den kommenden Monaten zu Gesprächen mit Bürgern im ganzen Land. Daraus soll dann eine Formation entstehen, der sich die Parteien links der PSOE anschließen können. Einige kleinere, im Parlament vertretene Gruppen wie Más Madrid oder Compromís haben bereits ihre Bereitschaft zur Mitarbeit an der neuen Linken signalisiert. Bei Podemos ist man noch zurückhaltend.

Díaz ist die Politikerin mit den besten Umfragewerten in Spanien und wäre zweifelslos das Zugpferd einer einheitlichen Kandidatur der linken Kräfte. Die Anwältin für Arbeitsrecht aus Galicien kommt mit ihrer versöhnlichen Art und ihrem Pragmatismus sogar bei Wirtschaftsvertretern gut an. So gelang es der 51-Jährigen Ende 2021, eine tiefgreifende Reform des Arbeitsmarktes mit Unternehmern und Gewerkschaften abzustimmen. Doch der gute Draht zum Arbeitgeberlager droht zu reißen. Denn Díaz war zuletzt eine heftige Verfechterin von höheren Steuern für Großkonzerne und Vermögende, um die Auswirkungen der Krise ihrer Meinung nach gerechter zu verteilen. Dieser Forderung kam Sánchez mit den neuen Abgaben für Banken und Versorger nun entgegen.

Der Burgfrieden in der Koalitionsregierung scheint fürs Erste wiederhergestellt. „Wir wollen gern eine Neuauflage dieser Koalition 2023, und mit dem, was heute im Parlament angekündigt wurde, ist das auch möglich“, erklärte der Fraktionssprecher von Unidas Podemos, Pablo Echenique.