Es ist eher ungewöhnlich, dass Politiker Wohltaten fernab ihrer Wählerschaft verkünden. Doch der Ministerpräsident von Andalusien, Juan Manuel Moreno Bonilla, nutzte am Montag (19.9.) einen Auftritt vor einem auserwählten Publikum von 300 Personen in einem Luxushotel in Madrid, um das Ende der Vermögenssteuer in seiner Region zu erklären. Die Ankündigung richtete sich an viele Zuhörer. „Ich bin es leid, dass andalusische Unternehmer nach Madrid umsiedeln“, erklärte der Politiker der konservativen Volkspartei (PP).

„Willkommen im Paradies“

In der Tat zieht die spanische Hauptstadtregion seit Jahren reiche Bürger und Bürgerinnen aus dem Rest des Landes an, weil sie neben der Vermögens- auch die Erbschaftssteuer ausgesetzt hat. Die 17 Regionen Spaniens haben begrenzte steuerliche Zuständigkeiten. So erheben sie einen Teil der Einkommens- und Mehrwertsteuer und streichen bestimmte Sonderabgaben ganz ein, etwa auf Benzin. Es ist also jeder Regionalregierung überlassen, diesen Spielraum für Mehreinnahmen zu nutzen oder ihre Bürger zu entlasten. Andalusien ist nach Madrid nun die zweite Region, welche die Vermögenssteuer abschafft, um die Abwanderung betuchter Menschen umzukehren. Die Ministerpräsidentin von Madrid, Isabel Díaz Ayuso, nahm die Ankündigung ihres Parteifreundes Moreno Bonilla sportlich. „Willkommen im Paradies“, schrieb sie auf Twitter. Ayuso selbst kündigte kürzlich eine Senkung der regionalen Einkommenssteuer zur Angleichung an die hohe Inflation an. Die PP-Regierung von Kastilien-León will ebenfalls die Steuern senken.

Vorwurf des Steuerdumpings

Was den Konservativen als Paradies erscheint, wurde von der Regierung und anderen Parteien als Steuerdumping und unlauterer Wettbewerb zwischen den Regionen scharf verurteilt. „Einige haben mit der Abschaffung dieser Steuer ein absolut destruktives Rennen begonnen“, kritisierte die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Die Sozialisten von Premier Pedro Sánchez rechneten vor, dass das Steuergeschenk von Moreno Bonilla lediglich 0,2 Prozent der 8,5 Millionen Einwohner des größten Landesteils zugutekommt. Diese sparten nun im Schnitt 5.800 Euro pro Jahr, während der Region Einnahmen von fast 120 Millionen Euro entgingen.

„Wir stehen hier vor einer wichtigen Debatte über zwei sehr unterschiedliche Modelle – das, welches diese Regierung vertritt und das 95 Prozent der Bürger zugutekommt, gegenüber der Politik der PP, die sich an eine Minderheit richtet“, erklärte Regierungssprecherin Isabel Rodríguez. Sie verwies auf die Steuersenkungen der Linkskoalition, die just am Dienstag (20.9.) die Mehrwertsteuer auf Erdgas wegen der enorm gestiegenen Energiepreise auf fünf Prozent reduzierte.

Neben Norwegen das einzige Land der OECD mit Vermögensteuer

Die Vermögenssteuer wird auf Guthaben und andere Werte ab 700.000 Euro erhoben, wobei die eigene Wohnung einen Freibetrag von 300.000 Euro zur Folge hat. Spanien ist neben Norwegen und der Schweiz das einzige Land in der OECD, die eine solche Abgabe hat. In anderen Ländern wie der Bundesrepublik wird die Vermögenssteuer zumindest diskutiert. Spanien ist im internationalen Vergleich nicht unbedingt ein Hochsteuerland. Die Abgaben an das Finanzamt entsprechen 39 Prozent des Bruttoinlandproduktes, dieser Wert liegt weit unter EU-Durchschnitt. Die Staatsfinanzen sehen derzeit denn auch alles andere als rosig aus, mit einer Verschuldung von fast 118 Prozent und einem Defizit um die fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Mit dem Wettbewerb um die reichen Steuerzahler, die ihr Domizil recht problemlos von einer Region in eine andere verlegen können, gehen Einnahmen für staatliche Ausgaben verloren. Der Minister für die Sozialversicherung, José Luis Escrivá, brachte daher eine „Rezentralisierung“ der Steuerzuständigkeiten ins Spiel. Dies sei jedoch nur seine persönliche Meinung, so der Minister, der schon öfter ausgeschert ist – und auch diesmal direkt von der Regierung zurückgepfiffen wurde.

Dabei fordern auch Experten eine gründliche Reform des Systems zur Finanzierung der Autonomen Regionen, das zuletzt arg in Schieflage geraten ist. Doch das wird wohl bis nach den Regionalwahlen im Mai kommenden Jahres und den darauf folgenden spanischen Parlamentswahlen warten müssen.