Besuche von Automobilfabriken sind für Politiker ungemein wichtig. Denn meist hängt die Wirtschaft einer ganzen Region von diesen Werken ab. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez war am Montag (24.10.) bei Renault in Valladolid, in Kastilien-León. Der Sozialist erinnerte daran, dass Spanien nach Deutschland der zweitgrößte Autobauer Europas ist. „Spanien strebt danach, einer der weltweit führenden Hersteller von Elektroautos zu werden, so wie wir es bislang schon in der Automobilbranche waren“, sagte Sánchez.

Spanien versucht aufzuholen

Bei der Elektromobilität hatte man in Spanien bis vor gar nicht allzu langer Zeit noch ernsthaft befürchtet, den Zug zu verpassen. Denn schließlich hat das Land keine eigenen Markenhersteller. Das ist ein Nachteil bei Entscheidungen über Großinvestitionen, die in den Konzernzentralen von Volkswagen, Renault, Mercedes oder Ford getroffen werden. Die Standortpolitik mit großzügigen Subventionen ist daher wichtig. Derzeit ringen die Spanier um ein Riesenprojekt von VW. Die Wolfsburger hatten vor fünf Monaten den Bau einer Batteriefabrik in Sagunt, in der Region Valencia, angekündigt. Mit einer Summe von drei Milliarden Euro handelt es sich um die größte einzelne Industrieinvestition, die es jemals in Spanien gegeben hat.

Für weitere vier Milliarden Euro will der Konzern die Fabriken seiner Tochter Seat im katalanischen Martorell und die von VW in Landaben in Navarra für Elektrofahrzeuge umrüsten. Insgesamt sieht das Projekt mit dem Namen „Future: Fast Forward“ Investitionen von zehn Milliarden Euro vor. Daran beteiligt sind insgesamt 62 Unternehmen aus der Branche. Es geht um Tausende hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Die Batteriefabrik in Sagunt hat außerdem eine erhebliche internationale Signalwirkung für Spanien als Standort für die Wende zur Elektromobilität.

Hilfen aufgestockt

Als der damalige VW-Vorsitzende Herbert Diess Anfang Mai mit Sánchez das für die Fabrik vorgesehene Grundstück in Sagunt besuchte, ließ er durchblicken, dass der Konzern für sein Engagement auf erhebliche Unterstützungen des Staates setze, vor allem mit Blick auf die Gelder aus den EU-Next-Generation-Fonds. Die Wolfsburger erwarteten Zuwendungen von 800 Millionen bis einer Milliarde Euro. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als bekannt wurde, dass VW für die Fabrik zunächst nur 167 Millionen aus dem ersten Subventionsprogramm (PERTE) für die Elektromobilität erhalten sollte. Das Unternehmen deutete daraufhin an, dass man das Projekt in Sagunt absagen könne, sollte der Staat nicht noch eine Schippe drauflegen.

Die Drohung zeigte Erfolg. Am Montag verkündete Sánchez bei Renault in Valladolid, dass seine Regierung das Programm um fast 300 auf 877 Millionen Euro aufgestockt habe. Davon entfällt knapp die Hälfte auf VW. Von den 397 Millionen Euro sind 213 direkte Zuwendungen, der Rest zinslose Kredite. Insgesamt wurden mit dem PERTE zehn Projekte bedacht. Nach VW kommt Mercedes-Benz mit Zuschüssen von 170 Millionen Euro für die Produktion eines neuen Elektroautos im Werk im baskischen Vitoria am besten davon. Weitere 107 Millionen Euro fließen für die Umrüstung des ehemaligen Werks von Nissan im Industriegebiet am Hafen von Barcelona, das der japanische Autobauer aufgegeben hat. Dort sollen sich verschiedene Firmen für die Technologie zur Elektrifizierung ansiedeln.

Bau einer weiteren Batteriefabrik

Nicht berücksichtigt in dieser ersten Finanzierungsrunde wurde das Projekt einer weiteren Batteriefabrik in der Region Extremadura, an dem das chinesische Unternehmen Envision zu 90 Prozent sowie der spanische Mischkonzern Acciona beteiligt sind. Der Plan habe die Anforderungen der Ausschreibung nicht erfüllt, hieß es im spanischen Industrieministerium. Die Fabrik werde aber gebaut, da es noch regionale Hilfen gäbe und weitere Subventionen ausstünden.

Denn alles in allem plant Spanien Hilfen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro für die Förderung der Elektromobilität. Davon gehen rund 3,2 Milliarden Euro an die Industrie, der Rest wird für Infrastruktur ausgegeben. Nach dem aktuellen PERTE von 877 Millionen Euro verbleiben also noch 2,3 Milliarden an Subventionen für die Autobranche. Die nächste Ausschreibung soll bereits Anfang 2023 erfolgen.

Die Lage der Automobilindustrie in Spanien – nach dem Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig – ist derzeit alles andere als rosig. Die Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge stieg im September zwar um fast 13 Prozent. Doch seit Jahresbeginn sind die Zahlen gegenüber 2021 rückläufig. Die Hersteller erwarten ein schlechtes Geschäftsjahr, da das Vertrauen der Verbraucher infolge der Energiekrise und der hohen Inflation schwächelt und Lieferengpässe weiterhin die Produktion belasten.

Entscheidung vertagt?

Bei VW will man nach der Aufstockung der Zuwendungen des PERTE die neue Situation erst einmal prüfen, bevor eine Entscheidung über das Batteriewerk in Sagunt fällt, hieß es in spanischen Medien. Dabei schaut der Konzern auch auf die Chancen, wie weit man bei der nächsten Finanzierungsrunde Anfang des neuen Jahres zum Zuge kommen könne. Die Regionalregierung von Valencia ist stark darum bemüht, die Investition zu sichern. „Seit Monaten arbeiten wir bereits an den Enteignungen der Grundstücke für die Bebauung“, erklärte der Ministerpräsident von Valencia, Ximo Puig von den Sozialisten.

Die Gewerkschaften zeigen sich dagegen gelassen und glauben, dass die Entscheidung in Wolfsburg für die Batteriefabrik unumstößlich sei. „Das ist kein einfacher Verhandlungsprozess. Jeder versucht, das Maximale für sich herauszuholen, bei diesem und anderen PERTEs“, kommentierte der Generalsekretär von UGT, Pepe Álvarez. In der Tat gehört das Geschacher um Subventionen in der Automobilbranche zum Geschäft, ähnlich wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Bei der Batteriefabrik von Volkswagen steht jedoch sehr viel mehr auf dem Spiel als ein bloßer neuer Standort, nämlich die Zukunft Spaniens bei der Elektromobilität, wie auch die spanische Wirtschaftszeitung „Cinco Días“ warnt. „Das ist nicht der Moment, um zu pokern.“