Wettbewerb und Hochgeschwindigkeit bei der Bahn: So klappt es in Spanien

Mit dem Neuzugang Iryo gibt es nun einen dritten Anbieter auf der Trasse Madrid-Barcelona

Neuester Anbieter: ein Zug von Iryo im Bahnhof von Atocha in Madrid.  | FOTO: JUAN CARLOS HIDALGO/EFE

Neuester Anbieter: ein Zug von Iryo im Bahnhof von Atocha in Madrid. | FOTO: JUAN CARLOS HIDALGO/EFE / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Vor 30 Jahren ging in Spanien der erste Hochgeschwindigkeitszug auf der Strecke Madrid–Sevilla in Betrieb, anlässlich der Weltausstellung 1992 in der andalusischen Hauptstadt. Heute hat das Land mit rund 4.000 Kilometern, die 70 Prozent der Bevölkerung anbinden, das größte Schnellbahnnetz Europas. Die Infrastruktur des AVE (Alta Velocidad Española) ist zum Exportschlager geworden, von Europa bis nach Saudi-Arabien. Der Ausbau des Netzes hat nach Angaben des Transportministeriums rund 60 Milliarden Euro gekostet. Im neuen Haushalt werden die Mittel für den Zugverkehr nun erneut aufgestockt, auch dank der 6,2 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds. Denn die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene ist ein erfolgreiches Instrument zur Schadstoffreduzierung.

Mehr Wettbewerb

Spanien ist auch ein Vorreiter beim Wettbewerb. Auf der Strecke Madrid-Barcelona hat vergangene Woche Iryo den Betrieb aufgenommen, ein Konsortium der italienischen Staatseisenbahn Trenitalia und Air Nostrum, Tochter der Fluggesellschaft Iberia. Damit ist Spanien das einzige Land in Europa, wo gleich drei Anbieter konkurrieren. Im vergangenen Jahr hatte Ouigo, Tochter der staatlichen französischen SNCF, den Personenverkehr zwischen Madrid und Barcelona begonnen, mit Erfolg: Die modernen doppelstöckigen Hochgeschwindigkeitszüge seien sehr gut ausgelastet, bekräftigt das Unternehmen.

Die spanische Staatseisenbahn Renfe reagierte auf das Ende ihrer Monopolstellung mit dem Lowcost-Ableger Avlo. Der von der Regierung gewünschte Effekt auf die Preise ist spürbar. Für die einfache Strecke zwischen Madrid und Barcelona oder Valencia kann man Schnäppchenangebote für nur neun Euro ergattern, sofern man zeitlich flexibel ist. Die Preise für die Strecke Madrid-Barcelona, die fast die Hälfte des Verkehrs des AVE ausmacht, lagen zuletzt gut 40 Prozent unter dem Niveau von 2019 vor Ausbruch der Pandemie, so Transportministerin Raquel Sánchez.

Zwischenhalt in Zaragoza: Züge von Ouigo und Renfe.  | FOTO: JAVIER CEBOLLADA/EFE

Zwischenhalt in Zaragoza: Züge von Ouigo und Renfe. / Javier Cebolleda / Efe

Neue Zielgruppen

Die günstigen Preise haben eine langjährige Debatte über den AVE als Transportmittel für Besserverdiener beendet. Denn auf manchen Hochgeschwindigkeitsstrecken wurden die langsameren und dafür günstigeren Zugverbindungen eingestellt. Die neuen Angebote richten sich nun wieder an ein anderes Publikum. „Wir sehen, dass neue Kunden, Berufstätige, Touristen und Familien, nun die Hochgeschwindigkeitszüge nutzen“, so Adif, staatlicher Betreiber der Eisenbahninfrastruktur.

Corona hatte den für Dezember 2020 geplanten Start der Liberalisierung des Personenverkehrs in Spanien – im Frachtbereich herrscht schon länger Wettbewerb – zunächst verzögert. Der erste Zug von Ouigo rollte am 10. Mai 2021 aus dem Bahnhof, am Tag nach dem Ende der meisten Pandemie-Einschränkungen. Seitdem wächst das Angebot für die Reisenden stetig. Die Franzosen und Avlo bedienen bereits die Valencia-Strecke, wie auch Iryo ab Mitte Dezember. Im neuen Jahr kommen dann die Verbindungen Madrid–Alicante sowie Madrid–Málaga hinzu, auf der alle drei Anbieter verkehren wollen.

Madrid-Barcelona, beliebteste Strecke

Die mit Abstand beliebteste Strecke sind die 506 Kilometer zwischen Madrid und Barcelona. 2021 fuhren 5,6 Millionen Passagiere mit dem AVE zwischen den beiden Metropolen, wie eine Studie der Wettbewerbsbehörde CNMC belegt. Im zweiten Quartal 2022 lag das Verkehrsaufkommen 20 Prozent über dem vergleichbaren Zeitraum vor der Pandemie. Laut CNMC konnte die staatliche Renfe wegen der höheren Fahrgastzahl einen Marktanteil von 81 Prozent behaupten.

Anbindung der Airports

Der Zug nimmt dem Flugverkehr Kunden weg. Der Anteil des Fliegers am Passagieraufkommen zwischen Madrid und Barcelona ist von 35 Prozent vor der Pandemie auf zuletzt 24 Prozent gesunken. Einer der Schwachpunkte des AVE-Netzes ist jedoch die fehlende Anbindung an die Flughäfen. Wer mit dem Zug etwa am Madrider Atocha-Bahnhof ankommt, hat es derzeit nicht leicht, von dort zum Flughafen zu kommen. Doch die Ausschreibung für die Anbindung des AVE nach Barajas läuft.

Das größte Problem für den Wettbewerb ist derzeit die Explosion der Energiepreise, sie haben sich für die Zugbetreiber in Spanien zuletzt verdoppelt. Die drei Anbieter fordern von der Regierung deswegen Hilfen für ihre energieintensive Branche. Sonst könnte es mit der schönen Welt der Schnäppchentickets bald vorbei sein, warnen sie.