Superwahljahr und EU-Ratspräsidentschaft: Was 2023 in der spanischen Politik auf uns zukommt

Im neuen Jahr wird auf allen Ebenen gewählt. Die Akteure, die Strategien, die Konsequenzen

Pedro Sanchez (l), Ministerpräsident von Spanien, und Alberto Nuñez Feijoo, neuer Chef der konservativen Volkspartei (PP), schütteln sich vor einem Treffen am Regierungssitz in Madrid die Hände. Dies ist das erste Treffen im Moncloa-Palast nach der Ernennung von Feijoo zum nationalen Präsidenten der PP.

Pedro Sanchez (l), Ministerpräsident von Spanien, und Alberto Nuñez Feijoo, neuer Chef der konservativen Volkspartei (PP), schütteln sich vor einem Treffen am Regierungssitz in Madrid die Hände. Dies ist das erste Treffen im Moncloa-Palast nach der Ernennung von Feijoo zum nationalen Präsidenten der PP. / Foto: Alberto Ortega/EUROPA PRESS/dpa

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Spaniens König Felipe VI. mahnte in seiner Weihnachtsansprache vor der Verrohung des Umgangstons und der wachsenden Polarisierung im Lande. 2022 hat der Schlagabtausch zwischen der Linksregierung und der rechten Opposition in der Tat an Schärfe gewonnen, bis zur gegenseitigen Beschuldigung, die Institutionen zu untergraben.

Die Kritik des Staatsoberhauptes an der Politik dürfte im neuen Jahr jedoch kaum Beachtung finden. Denn 2023 ist ein Superwahljahr. Im Mai wird in allen Gemeinden und der Mehrheit der Regionen gewählt, bevor dann spanienweite Parlamentswahlen anstehen, voraussichtlich Ende des Jahres. Mitten im Dauerwahlkampf übernimmt Spanien dann im zweiten Halbjahr die turnusmäßige Präsidentschaft der Europäischen Union.

Im Vordergrund des medialen Interesses stehen die Chancen auf eine Wiederwahl des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Doch im Mai werden auf lokaler und regionaler Ebene Tausende Posten neu besetzt, die weitere Zehntausende Stellenwechsel nach sich ziehen, nicht zuletzt, um Parteimitglieder mit Jobs zu versorgen.

Auf Distanz zu Sánchez

Gewählt wird in zwölf der 16 Regionen, darunter auch den Balearen. Andalusien, Galicien, das Baskenland und Katalonien wählen aufgrund ihrer Sonderstellung zu einem anderen Zeitpunkt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Katalanen ebenfalls zu vorgezogenen Neuwahlen zitiert werden, da die Separatisten die Koalitionsregierung gebrochen haben. Auf den Balearen ringt die Linksregierung von Francina Armengol um die Wiederwahl. Ähnliche Konstellationen gibt es in der Region Valencia und Aragón. In letzter Zeit haben sich einige Provinzfürsten der Sozialisten von ihrem Parteifreund Sánchez distanziert, um die eigene Wiederwahl zu fördern. Emilio García-Paje in Kastilien-La Mancha und Javier Lambán in Aragón fürchten, dass der Annäherungskurs des Regierungschefs und die Zugeständnisse an die katalanischen Separatisten viele Wähler der PSOE abschrecken. Daher bekam Sánchez zuletzt auch Breitseiten aus den eigenen Reihen ab.

Das Rennen in der Region Madrid wird in den spanischen Medien wohl den meisten Platz einnehmen, nicht nur weil die Verlage und Fernsehsender in der Hauptstadt sitzen. Die stets für eine Kontroverse gute Ministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso von der konservativen Volkspartei (PP) versucht, ihren großen Erfolg bei den vorgezogenen Neuwahlen zu wiederholen oder gar zu verbessern. Díaz Ayuso strebt nach einer absoluten Mehrheit, um auf die rechtsradikale Vox verzichten zu können. Beim letzten Mal konnte die libertäre Regierungschefin von ihrem umstritten lockeren Umgang mit der Coronapandemie profitieren, als in Madrid anders als im Rest des Landes Bars und Restaurants weitgehend geöffnet blieben.

Das Ergebnis in Madrid könnte auch Konsequenzen für die spanienweite Politik haben. Bei einem überzeugenden Triumph im kommenden Mai wäre Díaz Ayuso noch unbequemer für den PP-Vorsitzenden und Oppositionsführer, Alberto Núñez Feijóo. Sie streitet es ab, aber es ist offensichtlich, dass sich die Madrilenin für die geeignetere Gegenspielerin von Sánchez hält.

Die kleinen Parteien

Die lokalen und regionalen Wahlen im Mai sind auch entscheidend für die kleineren Parteien. Die rechtsliberalen Ciudadanos werden allen Umfragen nach weiter abstürzen und den Großteil ihrer Mandate verlieren. Der rechtsextremen Vox könnte eine Spaltung drohen. Macarena Olona, eine frühere Spitzenpolitikerin, erwägt nach dem Bruch mit der Führung eine eigene Partei für die Spanien-Wahlen zu gründen. Das Abschneiden von Podemos und ihren lokalen Marken entscheidet darüber, in welcher Form die Arbeitsministerin Yolanda Díaz mit einem erweiterten Wahlbündnis als Spitzenkandidatin in den landesweiten Wahlkampf zieht.

Für Sánchez ist der Mai unter anderem ein Test dafür, wie die Maßnahmen seiner Regierung in der Gesellschaft angekommen sind. Der Wirtschaft droht nach den jüngsten Prognosen keine harte Krise im neuen Jahr. Doch die anhaltend hohen Preise setzen vielen Menschen hart zu. Am Dienstag (27.12.) verabschiedete das Kabinett auf seiner letzten Sitzung 2022 ein weiteres Hilfspaket zur Linderung des Preisanstiegs (s. re.).

Die Sozialisten hoffen nun darauf, dass die Schritte zur Inflationsbekämpfung beim Wähler ankommen. In den meisten Umfragen liegt die PSOE von Sánchez hinter der PP von Núñez Feijóo zurück, obwohl der Vorsprung der Konservativen zuletzt geschmolzen ist. Die Parlamentswahlen könnten erneut eine instabile Situation hervorbringen, sollte keines der beiden Lager eine überzeugende Mehrheit erreichen. Sozialisten und Linke wären möglicherweise wieder auf die Unterstützung der baskischen und katalanischen Nationalisten angewiesen. Die Konservativen dürften abgesehen von Vox und den Ciudadanos keine Partner im Unterhaus finden.

Vorsitz in der EU

Mitten im Wahlkampfgetöse übernimmt Spanien im Sommer den Vorsitz im Rat der EU für das zweite Halbjahr. Diese Situation sei nicht ideal, aber es ist auch nicht das erste Mal, dass der Gastgeber der EU-Partner gleichzeitig zu Hause Kampagne macht, heißt es in diplomatischen Kreisen. Für Sánchez ist es eine Chance, sich als Staatsmann zu profilieren. Sollten die Wähler dies nicht honorieren und ihn vor die Tür setzen, wäre der EU-Vorsitz eine Gelegenheit, sich für einen wichtigen internationalen Posten zu empfehlen.