Bringt diese Politikerin das linke Lager in Spanien unter ein Dach?

Arbeitsministerin Yolanda Díaz hat ihre Kandidatur für die Wahlen offiziell gemacht

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Bei den spanischen Parlamentswahlen, die voraussichtlich Ende des Jahres stattfinden, gehen erstmals drei Bewerber mit berechtigten Aussichten auf das Amt des Ministerpräsidenten ins Rennen. Nach langem Vorlauf hat Arbeitsministerin Yolanda Díaz am Sonntag (2.4.) ihre Kandidatur feierlich bekannt gegeben. „Heute mache ich den Schritt. Ich will die erste Ministerpräsidentin Spaniens werden. Denn es ist Zeit für die Frauen, wir Frauen wollen die Protagonisten der Geschichte sein“, erklärte die Politikerin der Linken in Madrid vor rund 5.000 Zuschauern. Der lange angekündigte Akt war die Taufe von Sumar (deutsch: summieren), einer Wahlformation, mit der sich Díaz präsentieren will und die das gesamte Spektrum links der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) von Regierungschef Pedro Sánchez widerspiegelt.

Es ist nicht der erste Versuch, das linke Lager unter ein Dach zu bringen, und auch diesmal ist reichlich Sand im Getriebe. Die Linkspartei Podemos ist von der Initiative der Arbeitsministerin wenig begeistert. Die Spitzen von Podemos blieben der Veranstaltung am Sonntag in Madrid demonstrativ fern. Dafür wurde Díaz von zwölf Parteien begleitet, unter anderem der Vereinigten Linken (Izquierda Unidas), der sie als Mitglied der Kommunistischen Partei selbst angehört, Más País – einer Abspaltung von Podemos –, dem eigenständigen Ableger von Podemos in Katalonien, angeführt von der Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau, oder Compromís aus Valencia.

Machtpoker

Die Podemos-Führung besteht darauf, dass man die Listen für die Parlamentswahlen gemeinsam mit Díaz aushandelt. Doch die selbst ernannte Kandidatin besteht auf einen offenen Prozess, unter Beteiligung aller Gruppen und der Gesellschaft. Es geht mehr um Macht und Posten als um konkrete Inhalte oder programmatische Differenzen. „Podemos ist weiterhin der ideologische Hauptvertreter der Linken in Spanien“, insistierte Pablo Iglesias, einer der Gründer und früher Chef der Partei, der weiterhin enormen Einfluss auf die Organisation ausübt.

Es war Iglesias selbst, der nach seinem überraschenden Rücktritt als Stellvertreter von Premier Sánchez in der Koalitionsregierung vor zwei Jahren Díaz als Nachfolgerin und Kandidatin für die nächsten Wahlen empfohlen hatte. Damit, dass die 51-jährige Galicierin sich mit einer eigenen Formatierung selbstständig machen würde, hatte Iglesias nicht gerechnet.

Wer ist Yolanda Díaz?

Schon seit Längerem spielte Díaz öffentlich mit der Idee, sich als Spitzenkandidatin der Linken zu präsentieren. Die Juristin für Arbeitsrecht genießt sei Jahren die besten Umfragewerte im Lande und wird auch im konservativen Lager sehr respektiert. Díaz ist charismatisch, pragmatisch und pflegt einen ruhigen Ton, der ganz im Gegensatz zur extremen verbalen Aggressivität in der spanischen Politik steht. Als Arbeitsministerin kann sie einige Erfolge aufweisen. Zur Überraschung vieler brachte die Frau mit dem kommunistischen Parteibuch die Arbeitgeber bei den verschiedenen Maßnahmen während der Pandemie mit den Gewerkschaften zusammen. Der ganz große Wurf war die Arbeitsmarktreform, auf die sich alle drei Seiten einigten. Seit dem Inkrafttreten ist der notorisch hohe Anteil an Zeitarbeit in Spanien gesunken, während die Zahl der Beschäftigten trotz der widrigen Umstände gestiegen ist.

Díaz besteht auf Dialog und Kompromissbereitschaft, doch sie kann auch anders. So setzte sie gegen den Widerstand der Arbeitgeber eine erneute Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns durch. Außerdem griff sie die Unternehmer hart an, weil sie sich sträuben, die Löhne angesichts der hohen Inflation anzugleichen. Viele große Firmen würden „sich bereichern auf Kosten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“. Eines ihrer Wahlversprechen ist die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Die Rolle von Podemos

Auch der Podemos-Spitze ist bewusst, dass man mit der Arbeitsministerin an der Spitze die besten Aussichten bei den Wahlen hat. Doch bestehen die Linken darauf, dass „Podemos keine Nebenrolle“ spielen dürfe. „Yolanda muss erklären, ob sie die Kandidatin der Einheit sein will, der Ball liegt bei ihr“, sagte die Vorsitzende von Podemos, Ione Belarra. Díaz bemerkte in Interviews am Tag nach der Kandidatenkür, dass Sumar auch ohne Podemos ein Erfolg werden könne.

Sollten beide Listen letztlich getrennt antreten, würden sie sich voraussichtlich selbst zerfleischen. Denn das spanische Wahlsystem bevorteilt die erst- und zweitplatzierten Parteien in den 50 Provinzen, zu lasten der kleineren Parteien, die bei der Verteilung der Sitze in den kleineren Wahlbezirken meist leer ausgehen.

Sorge bei Sozialisten

Bei der PSOE von Sánchez beobachtet man den Machtkampf der Linken mit Sorge. Eine Neuauflage der Koalitionsregierung und eine Mehrheit gegenüber dem konservativ-rechten Lager scheint nur mit einem guten Abschneiden von Díaz möglich. Es handelt sich jedoch um ein zweischneidiges Schwert. Die Sozialisten wissen, dass die Strahlkraft der Arbeitsministerin und zweiten stellvertretenden Ministerpräsidentin auch auf die eigene Wählerschaft abfärbt. In der PSOE rechnet man durchaus mit einer Wählerwanderung zur populären Stellvertreterin. Pablo Iglesias träumte einst vom sorpasso, dem Überholen der Sozialisten. Das gelang nicht. Dass Díaz am Ende die Nase vor der PSOE haben könnte, hängt von vielen Faktoren ab, hauptsächlich von einer Einigung der Linken.

Der Streit um die Listen ist erst mal vertagt, nicht jedoch die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Bei den Regional- und Kommunalwahlen in Spanien am 28. Mai tritt Sumar noch nicht auf den Plan. Die Ergebnisse werden aber eine Rolle bei der Frage spielen, in welcher Konstellation die Linken die Kampagne für die Spanien-Wahlen angehen.

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