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Harte Hand in Sachen Migration: Die Konservativen übernehmen die Sprache und Ideen der Rechtsextremen

PP-Chef Núñez Feijóo bedient sich beim Thema Migration des Tonfalls von Vox. Wird diese Strategie bei den Wählern aufgehen?

PP-Chef Alberto Núnez Feijóo: Die Tür nach Spanien soll nach seinen Wünschen nur einen Spalt breit offen bleiben.  | FOTO: EDUARDO PARRA/EUROPA PRESS

PP-Chef Alberto Núnez Feijóo: Die Tür nach Spanien soll nach seinen Wünschen nur einen Spalt breit offen bleiben. | FOTO: EDUARDO PARRA/EUROPA PRESS

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Spaniens Hauptstadt veranstaltete aus Anlass des Nationalfeiertags am 12. Oktober, dem Tag als Kolumbus 1492 erstmals Fuß auf amerikanischen Boden setzte, ein großes, tagelanges Festival der spanischsprachigen Völker und Kulturen mit zahlreichen Konzerten. Stadt und Regionalregierung, beide in Händen der konservativen Volkspartei PP, ließen sich nicht lumpen und brachten Stars wie Gloria Estefan, Elíades Ochoa oder Bomba Estéreo auf die Bühne. Im Publikum überwogen oft Menschen aus Lateinamerika, die eifrig die Flaggen ihrer Länder schwenkten. Das Motto des „Día de la Hispanidad“ lautete „In Madrid sind alle Akzente zu Hause“.

Praktisch als Kontrastprogramm stellte der Vorsitzende der PP, Alberto Núñez Feijóo, zwei Tage nach dem Día de la Hispanidad in Barcelona seinen seit Wochen angekündigten Plan für die Migration vor. Dort schlug der Oppositionsführer andere Töne an. „Es kann nicht sein, dass ganze Stadtviertel für die Bewohner nicht mehr wiederzuerkennen sind“, sagte Núñez Feijóo, und: „Es reicht nicht, in Spanien zu leben, um Spanier zu sein.“

Zwischen "Gutmenschen" und "Fanatikern"

Das elfseitige Dokument ist eine Mischung aus Regeln, die bereits bestehen, neuen Ideen sowie einer Verschärfung bestehender Bestimmungen. Die Konservativen positionieren ihre Vorschläge zwischen den „Gutmenschen“, sprich der Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez, und den „Fanatikern“, womit die rechtsextreme Vox gemeint ist. Die Linken und viele Kommentatoren sehen in dem Vorstoß einen weiteren Versuch der PP-Spitze, die steigende Unterstützung für Vox zu untergraben, indem man deren fremdenfeindliches Narrativ übernimmt.

Die Migration ist in Spanien in den letzten Jahren stark gestiegen. Heute sind neun der 49 Millionen Einwohner des Landes im Ausland geboren. Der Großteil davon sind Menschen aus Lateinamerika und Europa. Doch die Bilder von Migranten aus Afrika, die die lebensgefährliche Überfahrt zu den Kanaren oder über das Mittelmeer wagen, verstärken das von Populisten propagierte Bild einer vermeintlichen Invasion. In manchen Orten, wie Torre Pacheco in Murcia, gab es zuletzt Ausschreitungen zwischen Migranten und gewaltbereiten Demonstrierenden.

Sich die Staatsbürgerschaft verdienen

„Die spanische Staatsangehörigkeit wird nicht verschenkt, man muss sie sich verdienen“, lautete einer der Slogans von Núñez Feijóo am Dienstag in Barcelona. Zu diesem Zweck will die PP die Anforderungen an den Gebrauch der spanischen Sprache auf das Niveau B2 anheben und den Test über Geschichte, Kultur, Institutionen und demokratische Gepflogenheiten erschweren. Menschen aus Lateinamerika haben zumindest mit der Sprache kein Problem. Diese Anforderungen zum Erlangen der Staatsangehörigkeit hatte einst die konservative Regierung von Mariano Rajoy eingeführt.

Der PP-Chef sieht außerdem vor, die Bedingungen für eine Aufenthaltsgenehmigung durch „Verwurzelung“ (arraigo) zu verschärfen, da seiner Meinung nach zu viele Migranten dies missbrauchen. Wer nachweislich zwei Jahre ohne Papiere in Spanien gelebt und sich nichts zu Schulden kommen lassen hat, kann heutzutage eine residencia erhalten, also legal weiter hier leben und arbeiten. Wie genau diese Einschränkung ausfallen soll, ließ Alberto Feijóo jedoch offen.

Für den Familiennachzug sollen die finanziellen Hürden höhergesteckt werden. Wer also Ehepartner, Kinder oder Eltern nach Spanien holen möchte, würde demnach ein höheres Einkommen vorweisen müssen. Die PP hält auch das Maximum von 90 Tagen für die Aufbewahrung von Menschen ohne Papiere in entsprechenden Aufenthaltslagern, den berüchtigten Centros de Internamiento de Extranjeros (CIEs), vor deren Abschiebung für zu kurz.

Zentrale Stelle für Migration

Neu ist die Idee, die Kompetenzen für die Migrationspolitik, die bislang über mehrere Ministerien verteilt sind, in einer zentralen Stelle zu bündeln. Núñez Feijóo will mehr Abkommen mit den Ursprungsländern der Migranten schließen, um Quoten für die Einwanderung festzulegen. Bei schweren Straftaten sollen Migranten „automatisch“ abgeschoben werden, obwohl der Rechtsstaat auch für solche Menschen den Weg der Berufung offenlässt. „Es geht nicht darum, jemanden zu diskriminieren, weil er Migrant ist“, beschwichtigte der konservative Oppositionsführer.

Doch seit Wochen setzten PP-Spitzenpolitiker häufig die Migration mit einem vermeintlichen Anstieg der Kriminalität gleich, auch wenn es dafür keine Belege gibt. Dabei gibt Vox die Marschrichtung vor. Der Vorsitzende der Rechtspopulisten, Santiago Abascal, beschuldigte nach den Vorfällen in Torre Pacheco im Juli sowohl die PP als auch die Sozialisten von Sánchez, sie hätten seit Jahrzehnten „illegale Immigration ins Land geholt und damit einen Anstieg der Vergewaltigungen und der Kriminalität“. Am Dienstag schloss die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshof Ermittlungen gegen Abascal und weiter Vox-Politiker wegen Verhetzung ab. Die Aussagen seien im Rahmen der Meinungsfreiheit zu vertreten, so der Befund.

"Buchstäblich kopiert"

Abascal flüchtete sich nach der Präsentation des Migrationsplans der PP in Ironie. Er begrüße, dass die Konservativen ganze Aussagen von ihm „buchstäblich kopiert“ hätten. Der stets glatt rasierte Núñez Feijóo müsse sich nur noch einen Bart stehen lassen, so wie er, stichelte Abascal. In den jüngsten Meinungsumfragen rückt Vox der PP langsam auf die Pelle, trotz des rhetorischen Rechtsrucks der Konservativen.

Dass die PP ihren Plan in Barcelona vorstellte, war kein Zufall. Katalonien hat zusammen mit der Region Madrid und den Balearen den höchsten Anteil an Menschen mit ausländischen Wurzeln. Die Angst vor Entfremdung vermischt sich bei vielen mit der Sorge um den Verlust der katalanischen Identität. Davon profitiert derzeit eine neue rechtspopulistische Partei, Aliança Catalana, die den katalanischen Nationalismus mit Fremdenfeindlichkeit verbindet. Die bürgerlichen Separatisten von Junts nähern sich ebenfalls zunehmend dem Diskurs von Aliança Catalana an, was sich bislang jedoch nicht in den Umfragen niedergeschlagen hat. Auch in anderen Ländern, etwa Frankreich, scheiterten konservative Parteien beim Versuch, den Rechtsextremen beim Thema Einwanderung das Wasser abzugraben. Feijóo lässt sich davon offenbar nicht vom Weg abbringen.

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