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Nach Vorstoß von Pedro Sánchez: Was das Ende der Zeitumstellung für Spanien bedeuten würde

Die spanische Regierung fordert das Ende der Zeitumstellung. In Brüssel stößt sie damit auf offene Ohren

Wie spät hätten Sie es gern?

Wie spät hätten Sie es gern?

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Am Samstag kann man auf Mallorca, sofern das Wetter es zulässt, den Sonnenuntergang um kurz vor 19 Uhr genießen. Am Sonntag findet das Naturspektakel bereits eine Stunde früher statt. Dafür wird es in der kommenden Woche morgens früher hell, kurz nach sieben statt wie dieser Tage erst nach acht Uhr. Der Grund ist die alljährliche Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit. In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren eine Stunde zurückgedreht.

Der zweimalige Wechsel im Jahr ist bei den meisten Menschen in Spanien und in anderen europäischen Ländern seit Langem äußerst unbeliebt. Ministerpräsident Pedro Sánchez hat nun der Dauerdebatte um die Zeitverschiebung einen neuen Impuls gegeben. „Ehrlich gesagt, ich sehe darin keinen Sinn mehr“, erklärte der Regierungschef in einer Videobotschaft am Montag (20.10.). Seine Regierung brachte den Vorschlag, die Umstellung abzuschaffen noch am selben Tag beim Treffen der Minister für Transport und Energie in Luxemburg auf den Tisch.

2018 scheiterte der Vorstoß

Es ist ein alter Hut, der jedes Jahr zweimal die Gemüter erregt. Die EU-Kommission versprach schon 2018, das alljährliche Zeigerdrehen abzustellen, doch man scheiterte am mangelnden Konsens zwischen den Mitgliedsstaaten. Die Gründe für ein Ende dieser Praxis, die erstmals im Ersten und dann im Zweiten Weltkrieg angewandt wurde und seit der Energiekrise in den Siebzigerjahren dauerhaft ist, werden zunehmend stärker. Experten sind sich einig, dass einer der ursprünglichen Zwecke, nämlich die Energieersparnis, mittlerweile einen verschwindend geringen Effekt hat. Dagegen häufen sich wissenschaftliche Studien über die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, besonders Kinder, Ältere und Personen mit gewissen Vorerkrankungen.

Sánchez führte in seinem Video diese beiden Aspekte an. Doch ging der Ministerpräsident nicht auf die entscheidende Folgeüberlegung ein. Wenn man die Umstellung abschafft, soll in Spanien dann die Sommer- oder die Winterzeit gelten? In einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstitut CIS von November 2023 sprachen sich 66 Prozent der Befragten für ein Ende des Uhrendrehens aus. Sollte es so weit kommen, wollen 68,5 Prozent lieber die Sommerzeit beibehalten. Der Wunsch nach längeren Abenden mit Sonne auch im Winter ist also größer, als die Abneigung dagegen morgens im Dunkeln aufzustehen.

Der Sonderfall Spanien

Spanien liegt im Südwesten Europas und mit Ausnahme von Katalonien und den Balearen westlich des Meridians von Greenwich. Eigentlich sollte die Zeitzone daher die Greenwich Mean Time (GMT) sein, wie in Großbritannien, Irland, Portugal und auf den Kanarischen Inseln. Doch der Diktator Francisco Franco passte Spanien an die Mitteleuropäische Zeitzone an, um seine Verbundenheit zu Hitler-Deutschland zu demonstrieren. Experten raten seit Langem, dass Spanien besser bei GMT aufgehoben sei.

Die Uhrzeit drückt sich in der weiten Ausdehnung der Iberischen Halbinsel sehr unterschiedlich aus. In A Coruña, ganz im Westen des Landes, geht die Sonne dieser Tage rund 40 Minuten später unter als in Palma. Sollte Spanien die Sommerzeit beibehalten, so wie es die breite Mehrheit fordert, hätten die Menschen in Galicien im Juni Sonnen- untergänge nach 22 Uhr, während es im Dezember erst um 10 Uhr morgens hell werden würde.

Für die Tourismusbranche, den stärksten Wirtschaftszweig des Landes, wären längere sonnige Abende besser, da die Mehrheit der Reisegäste eher nicht zu den Frühaufstehern gehört. Doch Gesundheitsexperten versichern, dass die Beibehaltung der Winterzeit besser zum menschlichen Biorhythmus passe. Die Winterzeit „synchronisiert besser das Sonnenlicht mit den täglichen Aktivitäten“, meint die Spanische Gesellschaft für Schlaf (Sociedad Española del Sueño) unter Berufung auf diverse Studien.

Kritik am spanischen Tagesablauf

Bei allem Lob für den mediterranen Lebensstil kritisieren Gesundheitsexperten seit geraumer Zeit den traditionellen Tagesablauf in Spanien, vor allem die langen Abende. In Madrid öffnen viele Restaurants überhaupt erst nach 20 Uhr und für die Fernsehsender beginnt die Primetime weit nach 22 Uhr. Sánchez will sich nicht auf eine der beiden Alternativen festlegen.

Der Vorstoß des Sozialisten wurde diese Woche von der Opposition als Ablenkungsmanöver für die Skandale der Linksregierung abgetan. Doch in Brüssel stieß Sánchez auf offene Ohren. „Obwohl die Zeitumstellung vielleicht nicht einer der wichtigsten Punkte der Agenda der EU ist, ist es für Millionen Bürger ein Thema“, räumte der EU-Kommissar für Energie, Dan Jørgensen, ein. Man werde nun eine Einigung der Mitgliedsstaaten suchen.

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