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Ein Jahr nach der Horrorflut von Valencia: Wo war der Ministerpräsident, als die Menschen starben?

Der Landeschef von Valencia verschwand über Stunden mit einer Journalistin

Mazón am Mittwoch bei der Gedenkfeier für die Flutopfer.  | FOTO: ROBER SALSONA

Mazón am Mittwoch bei der Gedenkfeier für die Flutopfer. | FOTO: ROBER SALSONA

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Spanien hat am Mittwoch (29.10.) mit einem großen Staatsbegräbnis, angeführt von König Felipe VI., den Opfern der katastrophalen Überschwemmungen vor genau einem Jahr gedacht. Die plötzlichen Fluten, ausgelöst durch einen Kältetropfen, Depresión Aislada en Niveles Altos (DANA), kosteten 229 Menschen das Leben, die Mehrheit davon im Großraum Valencia. Der Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Die spanische Regierung beschloss am Dienstag weitere Hilfen von fünf Milliarden Euro.

Warum kam die Warnung so spät?

Währenddessen ist ein Gericht in Catarroja, einem der am schwersten getroffenen Orte, weiterhin mit der Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten beschäftigt. Inmitten gegenseitiger Schuldzuweisungen von Politik und den zuständigen Behörden geht es um die Frage, warum erst um 20.1 1 Uhr ein Alarmmeldung über die Handys verbreitet wurde, als die meisten Opfer bereits von den Wassermassen erfasst worden waren. Die Aufmerksamkeit gilt vor allem Carlos Mazón, dem Ministerpräsidenten der Region Valencia von der konservativen Volkspartei (PP). Am Samstag demonstrierten erneut Tausende Menschen in Valencia und forderten den Rücktritt des Landeschefs. Doch der wehrt sich, wahrscheinlich auch, um seine Immunität vor der Justiz zu bewahren.

Am Mittwoch vor dem Staatsakt wandte sich Mazón in einer institutionellen Rede an die Bürger und Bürgerinnen. „Vor einem Jahr, als die Fluten zerstörerische Folgen auslösten, die wir menschlich wie materiell weiterhin reparieren müssen, gab es Dinge, die besser funktioniert hätten müssen“, räumte der Ministerpräsident ein. Ob er die Kritik auf sich selbst bezog, blieb offen. Denn nach vielen widersprüchlichen Aussagen ist heute immer noch nicht klar, was Mazón an jenem verheerenden Tag genau machte. Doch ein böser Verdacht erhärtet sich, und zwar dass der Politiker mit privaten Angelegenheiten rund um ein Mittagessen mit einer bekannten Journalistin beschäftigt war.

Aus privatem Essen wird Arbeitsessen

Unmittelbar nach der Katastrophe am 29. Oktober 2024 interessierten sich Medien und Ermittler für die Stunden nach Ende der offiziellen Agenda Mazóns am Vormittag und seinem Erscheinen beim Krisenstab Cecopi am Abend. Zunächst ließ der Landeschef verlauten, er hätte ein privates Mittagessen gehabt. Daraus wurde kurz danach ein „Arbeitsessen“. Mazón speiste in einem privaten Raum des Restaurant El Ventorro mit Maribel Vilaplana, um ihr die Leitung des regionalen Senders À Punt anzubieten, was Vilaplana ablehnte.

In einer ersten Version hieß es, dass der Ministerpräsident um 17 Uhr wieder in seinem Büro im Palau de la Generalitat gewesen sei, von wo aus er angeblich die Sitzung des Krisenstabs verfolgte. Doch dann verriet der Besitzer des Restaurants, dass Mazón und Vilaplana El Ventorro erst nach 18 Uhr verlassen hatten. Die Journalistin behauptete zunächst, sie und ihre Begleitung wären gegen 17.45 Uhr gegangen. Anfang September korrigierte Vilaplana ihre Version, wonach beide bis 18.30 oder 18.45 Uhr im Restaurant gewesen seien, ein Mittagessen von mehr als drei Stunden an einem Arbeitstag.

Was die Überwachungskameras zeigen

Mazón behauptete anfangs, dass er gegen 19.30 Uhr in den Räumlichkeiten des Krisenstabs, die außerhalb Valencias liegen, angekommen sei. Die Überwachungskameras enthüllten dann aber seine Ankunft erst um 20.28 Uhr, also nachdem der Alarm rausgegangen war. Die letzte Wendung in der Erzählung des fatalen Nachmittags lieferte der Politiker Anfang dieser Woche. Demnach habe er Vilaplana um 18.45 Uhr zur Parkgarage begleitet, wo ihr Wagen stand. Von dort sei er zu Fuß zum Regierungssitz in der Altstadt von Valencia gelaufen, ein Weg von etwa zehn Minuten. Doch Anwesende bezeugten, dass Mazón erst gegen 19.45 Uhr in der Generalitat ankam und nach einem sehr kurzen Aufenthalt zum Krisenstab gefahren sei. Zwischendurch hatte er sich umgezogen, wie Fotos von seinem letzten öffentlichen Auftritt am Vormittag und dem Eintreffen beim Cecopi belegen. Wo war der Politiker also in der Stunde zwischen 18.45 und 19.45 Uhr? Diese Lücke im Narrativ nährt alle möglichen Gerüchte.

PP-Chef Alberto Núñez Feijóo hielt lange an seinem Parteifreund fest und wies Rücktrittsforderungen zurück. Doch die Geduld des Oppositionsführers scheint am Ende zu sein. „Herr Mazón muss alle Fragen, die ihm gestellt werden, beantworten“, forderte Feijóo Anfang der Woche mit Blick auf den Auftritt Mazóns vor einem Untersuchungsausschuss im spanischen Unterhaus am 17. November. Doch davor schaut ganz Spanien auf einen weiteren Auftritt, der Licht ins Dunkel bringen könnte. Am Montag muss Vilaplana vor Gericht in Catarroja aussagen. Als Zeugin ist sie verpflichtet, die Wahrheit zu erzählen.

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