Die Beziehungen zwischen ­Real Madrid und Manchester United sind nicht gerade die besten. Wie auch? Schließlich buhlen die beiden europäischen Fußballclubs seit Jahrzehnten um die Dienste der besten Fußballer der Welt. Ein Höhepunkt der Auseinandersetzung wurde in diesem Sommer erreicht, als Madrid für fast jeden Preis den portugiesischen Offensivspieler Ronaldo vom englischen Rekordmeister abwerben wollte. Vergeblich. Der Portugiese blieb auf der Insel - obwohl eine Ablösesumme von rund 80 Millionen Euro im Gespräch war, die Madrid für den Superstar auf den Tisch legen wollte. Den Übernahmeversuch hat „ManUs" Trainer und Urgestein Alex Ferguson den Spaniern noch immer nicht vergessen, weshalb er jetzt in einem Interview mit der renommierten englischen Tageszeitung „The Times" noch einmal kräftig nachtrat: Madrids aggressives Verhalten sei eben ein Überbleibsel aus Francos Zeiten, in denen Real als Regierungsclub alle Wünsche erfüllt bekommen habe, so Ferguson gehässig.

Sir Alex, wie Ferguson in Manchester ehrfurchtsvoll genannt wird, ist freilich nicht der Erste, der den erfolgreichsten spanischen Fußball-Club aller Zeiten in die Nähe zum Diktator Franco und dessen Regime rückt, das das Land nahezu 40 Jahre lang mit harter Hand regierte. Bis heute hält sich die Idee, dass die Rivalität zwischen Madrid und dem FC Barcelona - als Club der Linken und der Republik - eine Fortsetzung des Bürgerkriegs auf sportlicher Ebene ist. Wenn die Sprache auf die „Königlichen" kommt, wird auch in ­Spanien noch heute von der equipo del régimen, der Mannschaft des Regimes, gesprochen. Auch der Verdacht, dass die Schiedsrichter den Rekordmeister bevorteilen, hat sich über die Übergangszeit (transición) bis in die Demokratie gehalten. Así, así, así, así / así gana el Madrí (So! So! So! So gewinnt Madrid) lauten die Schmährufe, zu denen die Fans von Reals Gegnern ansetzen, wenn die Königlichen von einer fragwürdigen Schiedsrichterentscheidung profitiert haben.

Der Satz wurde laut SZ-Korrespondent Javier Cáceres, dem Autor des Buchs „Fútbol" (Kiepenheuer und Witsch, 2006), erstmals in einem Spiel zwischen Madrid und Sporting Gijón skandiert. Damals hatte ein Madrilene seinem Gegenspieler mit dem Ellenbogen auf den Mund geschlagen. Statt des Täters wurde entgegen aller Erwartungen jedoch der Sporting-Spieler mit dicker Lippe des Feldes verwiesen. Die spanische Fußballgeschichte kennt viele weitere Fälle, in denen Real Madrid auf wundersame Weise Elfmeter zuerkannt und Gegentore aberkannt bekommen haben soll oder Privilegien genoss, die anderen verwehrt blieben. Als der Club 1953 die Copa Latina gewann, einen Vorläufer des Europapokals der Landesmeister, wurde er mit einem der höchsten franquistischen Orden bedacht. Der FC Barcelona, der den gleichen Titel nur ein Jahr zuvor gewonnen hatte, war dagegen leer ausgegangen.

In der Zeit der Diktatur wurden zudem alle Pokalendspiele in Madrid ausgetragen. Auch wenn die Finals ohne Real stattfanden, profitierte der Club finanziell von dem Ereignis. Denn 18 Prozent der Einnahmen gingen in die Clubkassen. Franco selbst war bei jedem Endspiel im Stadion und überreichte später der Siegermannschaft die Trophäe des Generalissimo. Er sei ein großer Fußball-Fan gewesen. Seine Sympathie habe aber nicht allein Real Madrid gegolten, meint der Historiker und Kolumnist der Zeitung „La Razón", Julian García Candau. Franco habe Madrids Francisco Gento genau so verehrt wie Barcelonas Pep Samitier.

Und so könnte es sein, dass das Regime mehr von Real Madrid profitierte als umgekehrt der Club vom Regime. Denn während die Franco-Regierung in der westlichen Welt zwar nicht geächtet, so aber doch abschätzig betrachtet wurde, gewann der Fußballclub durch seine Erfolge und seine großartigen Einzelspieler Sympathien. „Der Club war der beste Botschafter des Landes", sagte einmal ein spanischer Außenminister unter Franco.

Real Madrids berühmtester Präsident, Santiago Bernabeu, nach dem auch das Stadion benannt wurde, und der den Club zwischen 1943 und 1978 führte, stand im Bürgerkrieg auf Seiten Francos und galt auch als Freund des Diktators, so Julián García Candau. Doch ließ er auch gegenüber den Parteibonzen keinen Zweifel darüber aufkommen, wer im Stadion das Sagen hatte. Den Franco-Vertrauten José Millán Astray verwies er beispielsweise von der Ehrentribüne, nachdem der gegenüber der Frau eines Diplomaten zudringlich geworden war. Astray bedrohte ihn dafür mit dem Tod. Zu Politik pflegte er sich nicht zu äußern und verwies darauf, einzig und allein dem Club zu Diensten zu stehen.

Eindeutig faschistische Ursprünge hatte indes ein Verein, der sich später oftmals als Benachteiligter gegenüber den Königlichen sah: Atlético Madrid. Schließlich wurde der Club direkt nach dem Ende des Bürgerkrieges von der Luftwaffe gesponsert und protegiert - von der gleichen Einheit, die noch einige Jahre zuvor die Zivilbevölkerung der Hauptstadt bombardiert hatte. Real Madrid hingegen hat das Angebot von den Fliegern ausgeschlagen.

Wenn Real-Fans sich gegen den Vorwurf wehren wollen, Francos Lieblinge gewesen zu sein, dann nehmen sie auch gerne die Statistik zur Hand. In den 14 Jahren nach dem Kriegsende 1939 gewann der FC Barcelona neun Titel, Valencia und Athletico Bilbao jeweils fünf, die von der Luftwaffe unterstützten Kickers Atléticos vier sowie der FC Sevilla drei. Real Madrid wurde hingegen nach dem Bürgerkrieg erstmals wieder 1953 spanischer Meister. Bevor das Luftwaffenministerium 1947 beschloss, sich als Sponsor wieder zurückzuziehen, war es bei den Derbys zwischen den beiden Madrider Mannschaften schon einmal zu Tumulten gekommen. Dabei waren es die Anhänger von Real Madrid, die tongo, tongo, tongo: „Schiebung, Schiebung, Schiebung" schrien.

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