Radfahrerinnen sind belastbar. Doch nach einem solchen Pensum sieht man auch Charlotte und Christina Becker die Müdigkeit an. Erst am Morgen sind die beiden Schwestern von einem Weltcup-Rennen aus Peking angereist - und kurz nach der Ankunft gleich mit der gesamten Equipe Nürnberger aufs Rad gestiegen, um auf den Inselstraßen mal eben 140 Kilometer abzuspulen. „Wir haben zuvor kaum geschlafen, der Jet-Lag, wissen Sie“, sagt Christina, die Ältere. Und jetzt sitzen sie auf dem Sofa und beantworten diszipliniert die Fragen, obwohl sie sich insgeheim lieber gleich aufs Ohr legen würden. Doch durchhalten können, auch wenn es schwierig wird, gehört schließlich zu den Tugenden ihres Sports.

Für Christina (31), mehrfache Deutsche Meisterin im Punktefahren auf der Bahn, und Charlotte (26), schon Europameisterin in der gleichen Disziplin, sind die Trainingslager mit der Equipe Nürnberger etwas Besonderes. Denn ansonsten sehen sich die beiden Frauen aus Waltrop nicht so häufig. Beide sind hauptberuflich Polizistinnen und gehören der Sportfördergruppe der Bundespolizei an. Christina ist in Cottbus stationiert, Charlotte in Berlin. Und wenn sie schon zusammen trainieren, wird auf den stundenlangen Trainingsfahrten auch schon einmal gequatscht - und das selten über Radsport, wie Charlotte anmerkt. Da stehen dann Freunde, Familie und private Dinge im Vordergrund. „Wir mussten auch schon mal vom Rad absteigen, weil wir so gelacht haben, dass wir nicht mehr weiterfahren konnten“, sagt Charlotte.

Hätte Christina nicht mit zwölf Jahren den Radsport gewählt, dann würde heute Charlotte wohl auch nicht auf dem Sattel sitzen. „Sie hat sich in meinen Windschatten gesetzt“, sagt Christina. Früher in ihrem Heimatverein Waltrop trainierten sie überwiegend gemeinsam. „Ich habe die Kleine dann zu Hause abgesetzt und bin noch ein paar Runden mehr gefahren“, sagt die Große, die freimütig zugibt, dass Charlotte diejenige sei, die mehr Talent mitbringe und deswegen auch weniger trainiere. Kaum hat sie es gesagt, erntet sie den Widerspruch der kleinen Schwester: „Das heißt aber nicht, dass ich faul bin“, sagt sie lachend.

Bei den Straßenrennen der Equipe Nürnberger sind die beiden Becker-Schwestern dafür zuständig, die Sprinterin Trixie Worrack in eine gute Ausgangsposition für den Schlussspurt zu fahren. Sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen, gehört zum Radsport, bringt aber für die Beckers ein Problem mit sich. Denn beide müssen am Ende eines jeden Jahres eigene Erfolge vorweisen, damit sie weiterhin in der Sportfördergruppe der Polizei bleiben dürfen. Titel und gute Platzierungen peilen sie deshalb auf der Bahn an, wo die Mannschaft nicht zählt.

Wenn sie bei manch einem Trainingslager deutlich mehr Gepäck mitbringen als ihre Mannschaftskameradinnen, dann liegt das auch daran, dass Charlotte und Christina noch Hausaufgaben machen müssen: „Polizeiliche Weiterbildung“, sagt Christina. Sechs Wochen im Jahr müssen die beiden Beamtinnen außerdem Praktika absolvieren: beispielsweise am Bahnhof oder auf dem Flughafen. Für die Freiheiten und Möglichkeiten, die ihnen der Job bei der Polizei bietet, nehmen sie die Einsätze gerne in Kauf. Außerdem sei es eine willkommene Abwechslung vom Trainingsalltag, sagen sie, bevor sie dann auf ihren Zimmern verschwinden. Den Schlaf haben sie sich jetzt redlich verdient.

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