Die Bezeichnung klingt eigentlich zu sperrig, um Erfolg zu versprechen: Jedermann-Fahrer. Aber die begeisterten Hobby-Radsportler scheint das dieser Tage wenig zu jucken. Da geht es nur um ihren Sport. Einen Sport, der sich abseits der ­Doping-Abgründe der Profi-Teams regeneriert und eine neue Blüte erlebt. Jedermann-Fahrer, das sind Radsportler mit Ambitionen, viele davon bereits in Teams organisiert. Sie nehmen an den Jahr für Jahr besser besuchten Jedermann-Rennen teil. Auf Mallorca (s. u.), aber auch bei Großveranstaltungen wie den Cyclassics in Hamburg, wo dieses Jahr über 20.000 Teilnehmer erwartet werden.

Bevor die Saison richtig losgeht, tummeln sich im Frühjahr besonders viele von ihnen auf Mallorca zum Training, genau wie die Profis. Im Robinson Club in Cala Serena hat in der vergangenen Woche, wie bereits in den Vorjahren auch, das Jedermann-Team von Alpecin seine Zelte aufgeschlagen. Der Shampoo-Hersteller aus Bielefeld sponsert seit 2007 Jahr für Jahr ein zwölf Mann starkes Fahrerfeld und dazu ein Team aus Betreuern, Trainern, Physiotherapeuten, Ernährungswissenschaftlern und Ärzten. Mit dabei sind auch die Ex-Profis Jan Ullrich, Werbe­träger von Alpecin, und Jörg ­Ludewig als Sportlicher Leiter.

Die MZ trifft die Mannschaft im Rahmen des Sigma Roadbike-Festivals an der Playa de Muro. Schon auf den ersten Blick wird klar: Bei den Jedermännern ist richtig Geld im Spiel. Der Jahres­etat des Alpecin-­Teams wird mit einer sechsstelligen Summe angegeben. Davon bezahlt werden Team-Autos, Unterkünfte, Trainingslager, Personal ? Zahlreiche Sponsoren drängen ins Boot. Jörg Ludewig, der sich auch um die Marketing-Aktivitäten kümmert, erzählt: „Wir haben sogar Wartelisten. An Geldgebern mangelt es uns nicht."

Der Boom bei den Jeder­männern begann vor einigen Jahren, parallel zum Image­verfall des Profi-Radsport. Es ist ein Umfeld, in dem sich immer mehr Ex-Profis, zum Teil auch überführte Doping-Sünder tummeln.

Auch wenn Jan Ullrich nie gestanden hat, des Dopings überführt ist er dennoch. Und jetzt soll er mithelfen, die Alpecin-Truppe zu sportlichen Höchstleistungen zu treiben.

Wie man mit dem Thema Doping umgehe? Doping sei im ­Jedermann-Sport irrelevant, heißt es vom Team Alpecin. Fest steht, dass sich das Training der Jedermänner in Rekordtempo professionalisiert. Auch die Ausrüstung der Mannschaften steht der eines heutigen Profi-Teams in nichts nach - und ist um Welten besser als bei Tour de France-Teilnehmern vor wenigen Jahren. Ludewig und Ullrich staunen nach eigener Aussage schon mal Bauklötze über die Ausstattung, die den Fahrern zur Verfügung steht. Die beginnt bei hochwertigen Rädern von Specialized, geht über Helme und Brillen von Uvex und endet bei Trainingsklamotten des Edelausstatters Assos. Alles aufeinander abgestimmt.

Jörg Ludewig dagegen hatte bei einem seiner ehemaligen Teams zwei verschiedene Sättel und Radhöhen, fürs Training und für die Rennen. „Absolut unprofessionell", sagt er heute. Den Jedermännern von Alpecin geht es da besser: „Sogar Ausgehkleidung bekommen wir gestellt", erzählt Daniel Beck, Journalist der Rad-Zeitschrift „Roadbike", der das Alpecin-Team begleitet. Der in Hamburg lebende Schwabe gehört zur Jury, die jedes Jahr zwölf Männern und Frauen die Chance gibt, eine Saison unter professionellen ­Bedingungen auf dem Rennrad zu verbringen.

In diesem Jahr hatte Beck ungefähr 1.500 Bewerbungen, darunter waren auch etwa 150 Frauen. Das diesjährige Team setzt sich aus neun Männern und drei Frauen zusammen. Eine davon, Claudia Beitsch, ist zwar noch nie Rennrad gefahren, aber 2010 auf Langlaufskiern zum Südpol gelaufen. „Das war natürlich ein Wagnis, aber wir wollten es mal mit einer Anfängerin probieren", sagt Beck. Der Tag, auf den das gesamte Projekt hinausläuft, ist der 25. August. Dann muss die Truppe beim Ötztaler Radmarathon antreten: 238 Kilometer durch die Alpen. Neben der Distanz müssen auch noch 5.500 Höhenmeter überwunden werden. Eine Belastung, die bislang die Phantasie der meisten Jedermänner des Alpecin-Teams übersteigt.

Um solche Bewährungsproben erfolgreich zu bewältigen, muss trainiert werden. Das sechstägige Camp auf Mallorca ist für die Alpecin-Truppe nur der Anfang einer umfangreichen Vorbereitung mit mehreren Trainingslagern und Rennen. „Zwei von unseren Teilnehmerinnen werden heute das erste Mal mehr als 100 Kilometer am Stück fahren, sie wissen es nur noch nicht", frohlockt Jörg Ludewig.

Er trommelt seine Fahrer zusammen, und los geht´s auf die Etappe. Einer wohl glorreichen Zukunft entgegen. Einer, die hoffentlich ohne Doping auskommt.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 25. April (Nummer 677) lesen Sie außerdem:

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