Mallorca exportiert Oliven, ­sobrassada, inzwischen auch wirklich gute Weine und - Basket­baller. Ein Spieler mit der Herkunftsbezeichnung Balearen hat generell gute Karten, vor allem auf dem spanischen Festland. Zahlreiche Leistungsträger, die inzwischen in der Eliteliga ACB oder der Zweiten Liga LEB Oro aktiv sind, stammen von den Inseln. Darunter auch zwei der wichtigsten Akteure der spanischen Nationalmannschaft, die ab dem 4. September bei der Europameisterschaft in Slowenien das zweite Mal in Folge ihren Titel verteidigen will: Flügelspieler Rudy Fernández aus Palma und Aufbau Sergio Llull aus dem menorquinischen Maó.

Mit dem Mallorquiner Alberto Corbacho hat jetzt auch ein dritter Insulaner sein Debüt im National­dress gefeiert. Beim hart umkämpften 70:66-Testspielsieg über Polen vergangene Woche stand der beste einheimische Dreierschütze der vergangenen Saison in der ACB allerdings nur 23 Sekunden auf dem Parkett und blieb ohne Punkt. Nach der Begegnung wurde ihm mitgeteilt, dass vorerst auf seine Dienste verzichtet werde, es sei denn, ein Stammspieler verletze sich noch vor der EM. Dennoch: Noch nie zuvor hatten drei Balearen-­Spieler im National­trikot auf einmal auf dem Parkett gestanden.

In erster Linie ist das ein Verdienst der Nachwuchs­arbeit von José Luis Alberola. Der Basketball-Trainer der Escola Balear de l´Esport hat eine wahre Kaderschmiede aufgebaut. Die Sportschule ist in den Komplex des Polideportivo Principes de España im Polígono Son Castelló integriert, in dem unter anderem auch die Turn­elite der Insel mit den beiden Mitgliedern des National­teams, Cintia Rodríguez und Ainhoa Carmona, trainiert sowie die paralympische Skifahrerin Ursula Pueyo.

Die Basketball-Schüler gehen vormittags in den Unterricht, nachmittags trainieren sie. Es sind beinahe Bedingungen wie an einem US-amerikanischen College. Passend zu diesem Vorbild hat die Schule auch eigene Mannschaften. Die Liste der erfolgreichen Basketballer, die aus der Nachwuchsschmiede von ­Alberola stammen, ist lang: Joan Sastre, Miki Servera, Gabi Ocete, Inma Zanoguera und Marina Delgado neben vielen anderen.

Zur Einordnung: Joan Sastre steht seit 2009 beim sevillanischen Erstligisten Cajasol unter Vertrag, Miki Servera ist bei Liga-Konkurrent UCAM Murcia mit seinen erst 21 Jahren auf dem Sprung in die Stammformation. Gabi Ocete war jahrelang die Organisatorin des Frauen-Erstligisten Sóller Bon Día, bevor dieser Club im Frühjahr 2012 den Spielbetrieb einstellen musste. Die Aufbauspielerin wechselte daraufhin in die französische Liga zu Tarbes. Inma Zanoguera ist die neue Hoffnungsträgerin des mallorquinischen Frauenbasketballs. Die 20-Jährige gewann erst im Juli die U20-Europameisterschaft mit Spanien.

Auch außerhalb der Escola Balear de l´Esport wird Nachwuchsarbeit betrieben - vor allem in einigen sehr engagierten Schulen. Beispiele hierfür sind Álex Abrines und Alba Torrens. Der 20-jährige Abrines spielte bis 2010 in der Talentschmiede der Schule La Salle in Palma, bevor er in die zweite Mannschaft von Spitzenteam Unicaja Málaga und schließlich zum spanischen Vizemeister FC Barcelona wechselte. Europameisterin Torrens ging lange Jahre auf das Colegio Sant Josep Obrer in Palma, bevor es sie zum spanischen Meister Salamanca verschlug. Inzwischen spielt die 23-Jährige für Galata­saray Istanbul.

„Ich glaube, dass die Trainer vieler Vereine auf der Insel sich dadurch auszeichnen, dass sie ständig an sich selbst gearbeitet und sich kontinuierlich verbessert haben", sagt Maties Cerdà, Trainer des Drittligisten Palma Air Europa. „So konnten sie auch ihre Spieler verbessern."

Die Inseln selbst haben von diesen Karrieren relativ wenig. Sobald bei einem Jugendlichen absehbar ist, dass er es im Basketball weit bringen könnte, ist er weg. Auf Mallorca - genau wie auf Menorca und Ibiza - gibt es keinen Profi-Verein. Palma Air Europa schaffte zwar im Frühsommer den Aufstieg in die Zweite Liga, verzichtete aber aus finanziellen Gründen auf den Startplatz. Alberto Corbacho klagte jüngst bei einem Camp mit jungen Spielern auf Ibiza: „Es schmerzt zu sehen, welches Potenzial wir auf den Inseln haben und wie einer nach dem anderen weggeht. Aber das ist die einzige Möglichkeit, die man als Basketballspieler hier hat."

Wobei die Insellage auch ihre Vorteile habe, sagt Alex Pérez, der vergangene Saison das Team Es Pla trainierte. Man könne hier wesentlich konzentrierter arbeiten. „Unsere Jungs und Mädchen spielen und spielen und spielen. Und es ist kein Geheimnis, dass die einzige Möglichkeit, einen Sport zu beherrschen, die ist, Fehler zu machen und daraus zu lernen."

Aus der Sicht der Jugend­förderung sei es sogar zu begrüßen, dass es auf den Inseln keinen Profi-Club gibt, in dessen Reihen sich die einheimischen Spieler mit hoch dotierten Akteuren vom Festland oder aus dem Ausland um Spielminuten streiten ­müssten.

Die Clubverantwortlichen auf dem Festland wissen das Resultat von alledem zu schätzen. Manche Spieler werden schon im Kindesalter abgeworben. Rudy Fernández war erst elf Jahre alt, als er in die Jugendmannschaft von Joventut Badalona wechselte. Der katalanische Club war es auch, der die mallorquinischen Basketballprofis Joan und Pere Tomàs verpflichtete. Damals waren sie gerade mal neun Jahre alt.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 22. August (Nummer 694) lesen Sie außerdem:

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