Das Treffen mit Toni Nadal, dem Onkel und Trainer von Mallorcas Tennis-Ass Rafael Nadal, findet im Polideportivo Miguel Ángel Nadal an der Umgehungsstraße statt. Es ist nach seinem Bruder, einst ­Fußballer des FC Barcelona, ­benannt. Dort sitzt Toni Nadal mit drei Bekannten am Tisch. Seine Tochter spielt gerade in der Halle Basketball. Toni Nadal hat Zeit. Die Saison mit seinem Schützling Rafa ist vorbei, das Training für die kommende Saison wird erst in dieser Woche wieder aufgenommen. Trotzdem wirkt der Onkel des Tennis-­Weltranglisten-Ersten gehetzt und stellt gleich klar, dass er kein Drei-Stunden-Interview geben könne. Schuld seien Rückenschmerzen, die ihn seit einigen Wochen plagen. Mit Schmerzen kennt sich auch sein Schützling Rafael bestens aus. Nach einem halben Jahr Pause 2012 ist er im Februar wieder auf den Tennisplatz zurückgekommen - zur Überraschung aller stärker als je zuvor. Lohn für seine 75 Siege war die Rückkehr auf Platz 1, den er im Sommer 2011 an seinen schärfsten Rivalen Novak Djokovic abtreten musste. Toni Nadal lässt den Trubel um Rafa nicht an sich heran. Jeglicher Starkult ist ihm fremd. Er spricht konsequent von Rafael, während alle Welt Rafa sagt.

Ist jetzt auch bei Ihnen der Moment gekommen, in dem Sie nach der Saison mal durchschnaufen können?

Wir haben zwar jetzt gerade Pause, aber ich bin nicht der Typ, der sich auf Siegen ausruht. In dieser Saison haben wir sehr viel erreicht, viel mehr, als wir selbst gedacht hätten. Wir sind glücklich und zufrieden mit den Ergebnissen. Aber jetzt sind wir mit den Gedanken schon bei 2014. Ich freue mich aber trotzdem, nun endlich mal ein bisschen Luft zu haben, um mich um meine Familie, meine drei Kinder zu kümmern. Dafür bleibt während der Saison viel zu wenig Zeit. Außerdem muss ich meinen Rücken auskurieren.

Wo ist Rafa gerade unterwegs?

Rafael weilt auf der Insel und genießt seinen Urlaub mit seiner Familie, seiner Partnerin und seinen Freunden. Natürlich geht er wie die meisten jungen Männer gerne abends mit seinen Freunden aus und hat Spaß. Außerdem ist er mit seinem Physiotherapeuten zugange, um sich körperlich auf die kommende Saison vorzubereiten.

Gegen Jahresende zieht man Bilanz. Welche ist Ihre nach zehn Turnier-Siegen, davon zwei Grand Slams?

Es war wirklich ein sehr, sehr gutes Jahr, vor allem wenn man die lange Verletzungspause bedenkt. Aber Rafael ist eine extrem leistungsbereite Person. Er hat eine herausragende Fähigkeit, mit Hindernissen und Schwierigkeiten fertigzuwerden. Er hat seine Kniebeschwerden akzeptiert und noch einmal deutlich aggressiver gespielt, als man das von ihm gewohnt war.

Aber hat diese höhere Aggressivität dem Knie nicht noch mehr geschadet?

Nein, im Gegenteil. Durch seine neue Spielweise hat er das Knie geschont. Er hat nämlich ein Spiel entwickelt, bei dem er deutlich weniger laufen muss. Das spart am Ende wieder Kraft und hält Belastungen vom Knie fern.

Wie sieht es momentan mit dem Knie aus?

Das kann ich leider nicht sagen. Das müssen sie seinen Physiotherapeuten fragen. Er hat eine sehr gute Betreuung und spricht ständig mit seiner medizinischen Abteilung. Klar ist aber, dass gerade die harten Beläge für das Knie eine große Belastung sind, auch wenn Rafael auf diesen Belägen in diesem Jahr sehr gut gespielt hat.

Gab es denn so etwas wie Aufmunterung von seinen Gegnern während seiner Zwangspause, vielleicht sogar Besuche?

Nein, so weit geht die Liebe dann doch nicht. Dafür sind es ja die Gegner. Klar wünschen sie einem nicht gleich das Karriereende. Aber dass mal jemand vorbeikäme, um Rafael zu besuchen, das wäre eher merkwürdig. Wir besuchen ja jetzt auch nicht Andy Murray, obwohl wir ihm wünschen, dass er sich wieder erholt.

Wie haben Sie denn Rafa für diese Saison nach der langen Pause und all der Ungewissheit über den Zustand des Knies mental vorbereitet?

Nicht anders als sonst auch. Wenn jemand, wie Rafael, schon seit der Kindheit eine derartige mentale Stärke besitzt, ist alles viel einfacher. Dann braucht man keine neuen Tricks. Er hat eine positive Grundhaltung, die ich versucht habe, ihm zu vermitteln. Das Leben hat es gut mit ihm gemeint. Klar könnte er sich beschweren und mit Schwierigkeiten hadern. Aber ich habe immer versucht, ihm mitzugeben, das Glas halbvoll, oder besser gesagt, annähernd voll, zu sehen. Man kann nicht durch das Leben gehen und sich ständig beklagen. Vor allem nicht, wenn es einem so gut geht wie uns.

Diese Haltung wurde ja nicht ganz billig erkauft. In früheren Interviews haderte Rafa schon mal mit Ihrer strengen Erziehung.

Ich bin nicht streng, vielleicht bin ich ein bisschen hart. Ich hasse es eben, wenn sich jemand beklagt. Und Rafael hat sich nie bei mir beklagt. Jeder muss sich selbst für sein Leben rüsten, und wenn du dich daran gewöhnst, jeden Tag 15 Kilometer zu rennen, dann fragst du irgendwann nicht mehr, warum. Du tust es einfach und bist dann gut vorbereitet. Im Tennis funktioniert das genauso wie im Leben. Mit zehn, elf Jahren wusste Rafael schon ziemlich genau, was er wollte. Ich habe mich immer an einer Reihe von Werten orientiert: Anstrengung, Respekt, Leidens­fähigkeit und Durchhalte­vermögen.

Kam es denn nie vor, dass Rafa mal im Training zu Ihnen kam und sagte: Ich habe heute keine Lust, lass uns doch ein Eis essen gehen.

Nein, das ist nie vorgekommen.

Ist es schwieriger, mit einem nahen Familienangehörigen eine solche Disziplin durchzuziehen?

Nein, es ist viel einfacher. Wenn ich so etwas von einer fremden Person fordere, dann kommt wahrscheinlich sofort der Vater zu mir und beschwert sich. Aber in der Familie ist man mehr oder weniger auf derselben Linie. Ich schließe aber nicht aus, dass dem Vater von Rafael ab und zu etwas weniger Härte recht gewesen wäre.

Stört es Sie eigentlich nicht, dass alle Welt immer nur über Rafa redet, aber Sie ja einen riesigen Anteil an seiner Karriere haben?

Nein, das stört mich überhaupt nicht. Seine Karriere hat er selbst auf die Beine gestellt. Ich weiß natürlich, was ich dazu beigetragen habe. Und damit ist es auch gut.

Aber Sie hätten ja selbst Tennis-Profi werden können. Sie gehörten zu den besten Spielern des Landes €

Naja, ich sehe mich eher als zweitklassigen Spieler. Ich habe zu spät mit dem Tennis angefangen und war nicht gut genug, um eine eigene Profi-Karriere zu starten. Außerdem macht es mir mehr Spaß, Kinder und Jugendliche zu trainieren.

Wie viele Opfer hat die gesamte Familie für die Karriere von Rafa gebracht?

Überhaupt keines. Wenn wir unseren Einsatz als Opfer angesehen hätten, dann wäre das Resultat nie so gut geworden, wie es nun eben ist. Es hat mir unglaubliche Freude gemacht, mit Rafael schon in jungen Jahren viel zu trainieren, ihn zu Turnieren oder Spielen zunächst nach Palma zu fahren, und dann überall auf der Welt zu begleiten.

Gibt es in der Familie Nadal mit einem Tennis- und Fußballprofi eigentlich eine besonders sportliche Aura?

Nein, es gibt sicherlich eine positive Einstellung zum Sport. Aber wir sind trotzdem eine ganz normale Familie, vielleicht besitzen Miguel Ángel und Rafael ein angeborenes sportliches Talent.

War Ihnen schon, als Rafa zehn oder elf Jahre alt war, klar, dass er das Zeug zu einem Top-­Spieler hat?

Man sah die Ansätze natürlich. Er gewann damals schon fast alle Spiele. Und ich hatte immer den Glauben daran, dass er ein herausragender Spieler werden würde. Ich wusste nicht, dass es zur Nummer 1 reichen würde. Aber ich habe mich immer dazu gezwungen, an Rafaels Erfolg zu glauben. Das hat ihm gleichzeitig Selbstvertrauen mitgegeben. Andererseits habe ich ihm immer im Training mitgegeben, dass er mehr bringen muss. Dass das, was er tut, noch nicht reicht.

Aber damit kann man junge Spieler auch frustrieren.

Er hat eine große Leidensfähigkeit.

Wie wird denn das Jahr 2014? Sehen wir einen ähnlich gut aufgelegten Rafa?

Ich bin ja kein Hellseher, aber ich hoffe, dass es so gut weitergeht. Wir müssen weiter hart arbeiten, aber dann kann Rafael Nummer 1 bleiben, wenn alles perfekt läuft.

Obwohl Sie ja immer sagen, die Weltranglisten-Platzierung spielt bei Ihnen keine so große Rolle.

Das stimmt. Wichtiger ist uns, Spiele und Turniere zu gewinnen. Aber dieses Jahr war die Rückkehr an Position 1 doch ein großes Ziel, das wir uns nach den US Open gesteckt haben. Sie kompensiert das Pech, das Rafael in den vergangenen Jahren oft hatte.

Sein größter Rivale im kommenden Jahr wird wieder Djokovic heißen €

Ohne Frage. Er spielt konstant auf hohem Niveau. Aber auch Murray oder del Potro können Rafael gefährlich werden.

Wird Rafa vom 31. Januar bis 2. Februar beim Davis-Cup gegen Deutschland antreten?

Der Plan sieht es so vor. Wir wollen es versuchen.

Wie sehen Sie die Leistungs­stärke des deutschen Tennis?

Das Niveau in Deutschland ist gut. Mit Tommy Haas, der im vergangenen Jahr viele Siege gefeiert hat, Philipp Kohlschreiber oder auch Florian Mayer gibt es einige sehr gute Spieler. Was dem deutschen Tennis aber fehlt, ist eine Galionsfigur mit Strahlkraft. Eine Steffi Graf oder einen Boris Becker, die gibt es zurzeit nicht. Ein solcher Spielertyp würde dem deutschen Tennis einen Schub geben.

Wie sieht es auf den Balearen mit dem Nachwuchs aus? Jaume Antoni steht als Sieger des Jugend-Davis-Cup in den Startlöchern, und die kleine Dami Edibson hat bereits zahlreiche Sponsorenverträge.

Dass Jaume Antoni sehr stark sein soll, habe ich gehört. Ich kenne ihn nicht gut genug, um sein Niveau beurteilen zu können. Aber ich denke, man kann in Zukunft einiges von ihm erwarten. Das Thema Dami ist etwas komplizierter. Da wird man abwarten müssen, wie sie sich entwickelt.

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