Das britische Radsport-Team Sky ist momentan der angesagteste Rennstall des Planeten. Das ist nicht zu übersehen, wenn man das Hauptquartier der Mannschaft im Vanity Golf Hotel in Port d´Alcúdia betritt. Die Verantwortlichen haben zur Audienz, sprich zum Media Day, geladen, und die Presse ist erschienen. Nicht weniger als 23 verschiedene Medien, die meisten davon britische Fernsehsender, sind hierher gepilgert.

Doch oh je, leider kommt der Zeitplan gleich zu Beginn der Veranstaltung ins Wanken, weil die Radprofis aufgrund des schönen Wetters am Dienstag (4.2.) spontan beschlossen haben, statt einer kurzen Tour eine sechsstündige Ausfahrt zu unternehmen­. Pressefrau Ellie ist am Rotieren, die Unzufriedenheit bei vielen Reportern wächst - und das, obwohl der Media Day überhaupt noch nicht richtig angefangen hat.

Dann steht Bradley Wiggins der Tour de France-Sieger von 2012, doch urplötzlich im Foyer. Aber Ellie winkt ab. Zu sprechen ist Sir Bradley jetzt noch nicht.

Dafür gibt sich Teamchef David Brailsford die Ehre. Er ist unzufrieden mit der Fluganbindung der Insel im Winter. Dennoch, beruhigt er im gleichen Atemzug, werde man ­Mallorca die Treue halten. Sky hat seinen Trainingsstützpunkt schon seit Jahren auf der Insel. „Die Vorzüge wiegen die höheren Kosten locker auf."

Mit nur kleinen Unterbrechungen bereitet sich das Team bereits seit Dezember auf der Insel vor. Die Saison startet für die meisten Fahrer am Sonntag (9.2.) mit der Mallorca Challenge. Auch für Brailsford ein wichtiger Termin. „Das ist wie das erste Match einer neuen Saison beim Fußball, nachdem du vorher nur Freundschaftsspiele bestritten hast."

Dann vergehen wieder einige Stunden. Schließlich, draußen wird es schon langsam dunkel, ist auch Bradley Wiggins bereit zu einer kleinen Gesprächsrunde. Der von der Queen zum Ritter geschlagene Fahrer hatte sich im vergangenen Frühjahr mit seinem Mannschaftskollegen und größten Rivalen Chris Froome einen leidenschaftlichen Streit um die ­Führungsrolle bei Sky geliefert. Bis Teamchef Brailsford ein Machtwort sprach und Froome zum neuen Kapitän ernannte. Wiggins fuhr den Giro d´Italia (wo er, wohl auch krankheitsbedingt, versagte), Froome die Tour de France (die er gewann).

Die Rivalität ist erst vor zwei Wochen zumindest nach außen beigelegt worden: Der in Belgien geborene Wiggins lenkte ein und verkündete, er werde in diesem Jahr mit Froome zusammen bei der Tour fahren und ihm als Helfer zur Verfügung stehen.

Wie kam es zu dem Sinneswandel? Wiggins überlegt kurz und antwortet dann etwas umständlich: „Ich habe den Film ´Gladiator´ angeschaut und gesehen, wie der Hauptdarsteller die Masse für sich gewinnt. Das ist so ein bisschen wie bei der Tour de France. Da habe ich 2012 auch die Zuschauer für mich gewonnen. Das war eine so tolle Zeit, die möchte ich noch einmal erleben. Und es ist mir egal, ob als Kapitän oder als Helfer für Chris." Zudem habe er im Trainingslager auf Mallorca kurz vor Weihnachten viel Zeit mit Chris verbracht. Man sei sich wieder nähergekommen. „Chris hat es ja verdient, weil er konstantere Leistungen als ich bringt."

Aber auch nach seinem Tour-Sieg 2012 sei nicht alles rosarot gewesen. Nachdem im gleichen Jahr Lance Armstrong wegen Dopings lebenslang gesperrt worden war, sah sich auch Wiggins Anschuldigungen ausgesetzt. „Ich musste meine Kinder an einer anderen Schule anmelden, weil man ihnen ständig zugerufen hat ´Ist dein Vater gedopt? Er hat doch auch die Tour de France gewonnen´." Wiggins hat stets beteuert, einer von nur wenigen ungedopten Tour-Siegern zu sein, was nach Recherchen des Journalisten David Walsh von der „Sunday Times" durchaus zutreffen könnte. Walsh verbrachte 2013 lange Zeit als eingeschleuster Reporter mit dem Team und sagt: „Ich konnte keine Doping-Kultur bei Sky feststellen."

Doch wirklich klären lässt sich diese Frage nicht. Sir Bradley muss nämlich noch zur Massage. Die Kameras werden wieder abgebaut. In dem Hotel kehrt wieder Ruhe ein. Ein langer Tag geht zu Ende.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 6. Februar (Nummer 718) lesen Sie außerdem:

- Stadt, Land, Berg, Strand: 21 Teams bei der Mallorca Challenge

- Der Schweizer "Ronaldo"