Es gibt sie noch immer, diese Menschen, die beim Namen Mallorca ausschließlich an Sangría-Eimer, grölende Deutsche und Putzfrauen denken. Die amtierende Europameisterin über die Triathlon-Langstrecke, Diana Riesler, war bis vor einem Jahr ein solcher Fall. „Ich habe mich immer mit Händen und Füßen gegen Mallorca gewehrt, auch wenn andere Triathleten von den Bedingungen hier geschwärmt haben", sagt die Thüringerin beim Treffen mit der MZ in Felanitx, ihrer inzwischen zweiten Heimat.

Die 29-Jährige wagte sich Anfang 2013 mit ihrem Trainer und Lebensgefährten Joseph Spindler dennoch einmal nach Mallorca. Auf einen ersten Trainingsaufenthalt folgte ein zweiter, dann ein dritter - und Ende des vergangenen Jahres war beiden klar, dass das Inselfieber sie so schnell nicht mehr loslässt. In Felanitx hat sich das Paar ein Haus gemietet. „Unser Mietshaus in Bad Tölz sollte ohnehin abgerissen werden; da haben wir beschlossen, einen Großteil des Jahres auf Mallorca zu verbringen", sagt die zierliche Frau mit den blonden Haaren. Inzwischen hat sie sich in die Insel verliebt. Die anderen Trainings­gebiete der Welt könnten mit Mallorca nicht mithalten.

Kostenlos ins Hallenbad

Riesler kann das beurteilen. „Ich habe schon auf Lanzarote oder in Südafrika trainiert, doch die Bedingungen vor allem für das Radtraining sind nirgends so perfekt wie auf Mallorca." Drei Trainingseinheiten à zwei Stunden absolviert die Jenenserin täglich, Schwimmen ist gesetzt, Radfahren und Laufen werden abwechselnd eingeschoben. Beim Schwimmen bekam das Paar unerwartete Unterstützung durch die Gemeinde Felanitx. Riesler und Spindler dürfen das Hallenbad der Gemeinde kostenlos nutzen. Dafür trägt die Thüringerin auf ihrem ­Wettkampfdress das Logo des Triathlons in Portocolom, den sie sich dieses Jahr als ihren persönlichen Saisonauftakt ausgesucht hat. Termin ist der 13. April.

Zum Triathlon kam die 29-Jährige durch ein etwas archaisch anmutendes Ritual aus ihrem Heimatdorf Jena-Löbnitz. Im Zentrum des 130-Seelen-Örtchens in Thüringen gab es - und gibt es noch heute - einen Feuer­löschteich. Wenn die größeren Kinder des Dorfes beschlossen, einer ihrer kleineren Spielgefährten sei nun alt genug, schmissen sie ihn in den Tümpel. Der oder die Kleine würde dann schon zu strampeln beginnen. „Meine Schwester hat mir auf diese Weise das Schwimmen ´beigebracht´", erzählt Riesler.

Statt eines frühkindlichen Traumas entwickelte die damals dreijährige Diana eine ausgeprägte Leidenschaft für Wasser. Und weil das heranwachsende Mädchen in den Folgejahren lieber für sich allein durch den Wald joggte oder mit dem Fahrrad die Umgebung durchstreifte, als mit Freunden auszugehen - „ich war schon immer eine Einzelgängerin" -, kam ihr die Kombination dieser drei Individualsportarten zupass.

Doch erst 2006, mit 22 Jahren, lief sie ihren ersten Triathlon. „Es war gleich eine Langstrecke, und ich habe mit 9:48 Stunden eine erstaunlich gute Zeit aufgestellt. Da wusste ich, dass noch mehr drin sein dürfte." Während ihres Studiums der Forstwirtschaft trieb sie weiter Sport und fand in East London in Südafrika eine Gastfamilie. Dort weilte sie drei Jahre lang jeweils vier Wochen über Weihnachten und belegte beim dortigen Ironman zweimal den dritten Platz. „Ich war in Südafrika viel bekannter als in Deutschland." Der Ironman, das heißt, die Langdistanz über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen, ist ihr Steckenpferd - was verblüfft, wenn man die zierliche 1,64 Meter große und nur 51 Kilogramm schwere Frau vor sich sieht.

Ihr bisher erfolgreichstes Jahr war 2013. Nach einem Schlüsselbeinbruch im August 2012 - bei einer Ironman-Veranstaltung in Kopenhagen war sie auf dem Fahrrad mit etwa 45 km/h in einen Bus gerast, der fälschlicherweise von der Polizei auf die Rad­strecke gelotst wurde - kam Riesler erstaunlich stark wieder zurück und belegte beim Saisonauftakt in Abu Dhabi den sechsten Platz. „Das ist die einzige Veranstaltung, bei der es ordentlich Preisgeld gibt", sagt die Athletin. Zwar erlitt sie kurze Zeit später einen Ermüdungsbruch, doch auch der konnte sie bei der Europameisterschaft im französischen Vichy nicht stoppen. Souverän holte sie den Sieg und blieb - was ihr persönlich noch wichtiger ist - mit 8:59.42 Stunden unter der beinahe magischen Neun-Stunden-­Marke.

Derzeit ohne Team

Nach der bisherigen Vorbereitung auf Mallorca zu urteilen, dürfte es in diesem Jahr noch besser laufen, meint sie. Sie könne beschwerdefrei trainieren. Ein paar Siege oder zumindest vordere Plätze sollten drin sein, auch wenn ihr Wettkampfkalender noch nicht steht. Diese Erfolge wären auch finanziell wichtig, denn nach dem Auseinanderbrechen ihres Teams TBB weiß Riesler noch nicht, ob dieses Jahr wieder eine Mannschaft mit Sponsor zusammenkommt. Ihre einzige Einnahmequelle wären dann Preisgelder. „So lange ich davon noch leben kann, werde ich weitermachen." Gehe das eines Tages nicht mehr, werde sie sich im Bereich Forstwirtschaft umsehen. Nach ihrem Staatsexamen hatte sie damals eine sichere Beamtenstelle ausgeschlagen. Der Traum von einer Triathlon-­Karriere war stärker.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 13. März (Nummer 723) lesen Sie außerdem:

- Der nahbare Mythos: Rennfahrer-Urgestein Jean Ragnotti

- Real Mallorca: Neuer Trainer Lluis Carreras müht sich