Der Frust saß richtig tief Anfang Mai, als Max Kruse von Bundestrainer Joachim Löw erfuhr, dass er nicht mit zum Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Brasilien gehören würde. Eigentlich hatte sich der 26-jährige National­spieler mit den Leistungen, die er bei seinem Verein Borussia Mönchengladbach gezeigt hatte, eine gute Chance auf das Turnier ausgerechnet. Doch es nutzte nichts, er musste „sich schütteln und wieder aufstehen", wie er auf seiner Facebook-Seite schreibt. So ganz konnte Kruse indes Gerüchte nicht aus der Welt räumen, die Entscheidung habe etwas damit zu tun, dass er bei der Länderspielreise nach England im November 2013 auf seinem Zimmer Damenbesuch empfangen hatte. Die deutschen Begegnungen verfolgt der gebürtige Hamburger natürlich trotzdem aufmerksam. Zum letzten Gruppenspiel gegen die USA war Kruse zu Gast im Robinson Club in Cala Serena, wo er in der Halbzeit mit Sportschau-Urgestein Heribert Faßbender und dem Fitness-Coach Pedro González fachsimpeln konnte. Die MZ hat ihn im Robinson Club am Telefon erwischt.

Was machen Sie denn hier auf Mallorca außer Fußball zu schauen und zu kommentieren?

Ich habe schon mit dem Training angefangen. Schließlich steigen wir mit Borussia Mönchengladbach diese Woche in die Vorbereitung ein. Fußballerisch mache ich auf der Insel noch nicht so viel. Es geht hauptsächlich darum, mit meinem Konditionstrainer Pedro González, den ich noch aus der Zeit bei St. Pauli kenne, Grundlagen im Bereich Ausdauer und Koordination zu legen. Ich fahre zum Beispiel viel Fahrrad.

Ist doch ein blödes Gefühl, die Kollegen aus der Nationalmannschaft in Brasilien aus der Ferne beim Spielen zu beobachten €

Ach, das habe ich inzwischen abgehakt. Schließlich hatte ich jetzt ein paar Wochen Zeit, die Entscheidung von Löw zu verarbeiten. Klar habe ich alles für die WM getan und wäre jetzt liebend gerne in Brasilien dabei. Aber ein Monat mal ganz ohne Fußball hat mir auch gut getan.

Bleiben Sie dabei, dass Sie in London keinen Damenbesuch auf dem Hotel hatten?

Das habe ich, glaube ich, oft genug dementiert. Und es spielt jetzt auch keine Rolle mehr.

Kommen wir zu den deutschen Auftritten: Bis auf das Portugal-Spiel waren die ja bisher nicht unbedingt weltmeisterwürdig €

Man sieht eben, dass die Witterungsbedingungen ganz anders sind als bei uns in Europa. Trotzdem sind die Deutschen souveräner Gruppensieger geworden. Ich glaube, das Spiel im Viertelfinale gegen Frankreich ist richtungs­weisend.

Die Abwehr steht trotz aller Unkenrufe bisher ordentlich.

Ja, das war ja das Thema vor der WM: Ganz Deutschland hatte Angst, dass die Abwehr versagt. Inzwischen hat Joachim Löw eine kompakte Defensive zusammengestellt, obwohl man auch sehen muss, dass bisher die ganz großen Gegner gefehlt haben.

Einige dieser vermeintlichen Großen haben sich ja schon verabschiedet.

Ja, aber das wundert mich nicht. Dass die südamerikanischen Mannschaften stark sein würden, war zu erwarten. Überrascht hat mich nur Costa Rica. Wie die durch ihre Gruppe marschiert sind, Donnerwetter!

Wie ist denn die Stimmung in der Mannschaft? Ist da ein Spirit zum ganz großen Wurf?

Der Teamgeist ist gerade bei Deutschland nie das Problem. Da halten alle zusammen. Andererseits ist der Anspruch an das deutsche Team aus dem eigenen Land enorm. Wir müssen immer unter den Top 3 der Welt stehen. Deshalb wird es langsam mal Zeit, dass wir den Titel holen. Allerdings ist es nicht unbedingt das günstigste Jahr und der günstigste Ort dafür. In Deutschland 2006 wäre es wohl einfacher gewesen.

Felix Magath sagte in einem MZ-Interview, dass er Joachim Löw nicht als den Trainer sehe, der einen Titel holen kann.

Ich halte nichts davon, irgendwelche Aussagen zu widerlegen. Ich wünsche es der Mannschaft natürlich und weiß, dass Deutschland danach lechzt. Aber wenn es nicht klappt, hat das sicher nichts mit Joachim Löw zu tun.

Wie regelmäßig haben Sie Kontakt zu Ihren Teamkollegen in Brasilien?

Ziemlich häufig, wenn auch immer nur sehr kurz. Aber Thomas Müller hat mir zum Beispiel ein Video aus Brasilien geschickt, als ich gerade im Urlaub in Las Vegas war. Und mein Mannschaftskollege Christoph Kramer hat mir ein Foto mit Lukas Podolski gemailt. Ich weiß von den Jungs, dass es ihnen in ihrem Camp sehr gut gefällt, und dass die Rahmenbedingungen perfekt sind. Das darf also auch nicht als Ausrede herhalten.

Haben Sie schon die EM 2016 in Frankreich im Auge?

Oh je, es ist ein bisschen zu früh, ein paar Wochen nach einer Nicht-Nominierung schon wieder über das nächste Turnier nachzudenken. Ich muss erst einmal meine Leistungen im Verein bestätigen, dann können wir weiterreden.

Sie waren selbst bis 2006 Schiedsrichter, haben sich dann aber für die Fußballerkarriere entschieden. Wie sehen Sie die Leistungen der Unparteiischen bei der WM?

Klar gab es schon einige strittige Entscheidungen, die wird es auch immer geben. Aber insgesamt hatten die bisher keinen großen Einfluss auf die Spiele.

Wie stehen Sie zu den technischen Hilfsmitteln?

Ich finde es gut, dass in Brasilien die Torlinientechnik eingesetzt wird. Denn meiner Meinung nach haben Spieler und Fans das Recht, zu wissen, ob der Ball nun hinter der Linie war oder nicht. Gerade, weil ich weiß, was es bedeutet, wenn dir ein Treffer zu Unrecht aberkannt wird. Was andere Hilfsmittel angeht, bin ich aber kritisch. Wir sollten nicht ständig den Spielfluss unterbrechen.

Sie spielen auch sehr gut Poker. Gerade haben Sie in Las Vegas bei einem Turnier den dritten Platz belegt und 27.000 Euro gewonnen. Wie kam das denn?

Nachdem ich gewusst habe, dass ich nicht mit nach Brasilien fahren würde, habe ich einen Urlaub nach Las Vegas gebucht. Das Turnier war dann eher eine spontane Idee. Mein Schwerpunkt liegt natürlich auch weiterhin auf dem Fußball.

Welche Ziele haben Sie mit Borussia Mönchengladbach in der neuen Saison?

Ich hoffe, dass wir in der Tabelle noch einen Platz nach vorne rücken und weiterhin international spielen können. Was mich persönlich betrifft, glaube ich, dass ich ein ganz gutes Startjahr bei der Borussia hatte. Den Wechsel aus Freiburg habe ich zumindest nie bereut.

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