Das Landgut nahe der Autobahn nach Llucmajor wirkt bis auf ein paar Pferde, die vereinzelt dastehen, auf den ersten Blick verlassen. Es ist kaum ein Geräusch zu hören. Da taucht plötzlich hinter einer kleinen Steinhütte der Kopf eines Pferdes auf, das auf einer Rennbahn einen Sulky zieht und sich rasant nähert. Auf dem Wagen sitzt Ulrich Wieland. Er rast mit einem Freund die Rundstrecke entlang. Der Wallach Albor Neula und die Stute Catalina müssen trainiert werden - und sie machen ihre Sache nicht schlecht. Rund eine Minute brauchen sie für den 800 Meter langen Rundkurs. Die beiden werden voraussichtlich am 30. Dezember auf Palmas Rennbahn Son Pardo das nächste Mal zum Einsatz kommen.

Jockey wird dann Ulrich Wieland sein, wie der 54-jährige gebürtige Münchner wenig euphorisch sagt. Denn eigentlich, so hebt er an, als er vom Wagen gestiegen ist, wollte er ja nie wieder ein Trabrennen bestreiten. Der Deutsche wollte den Nervenkitzel auf dem Sulky anderen, jüngeren Fahrern überlassen und die Traber nur noch trainieren. Doch im vergangenen Jahr bestand Kompagnon Biel Canyellas darauf, dass unbedingt Wieland dessen Pferd „Brillant de Foc" bei einem Rennen reiten solle. Das Tier hatte bis dato keinen Blumentopf gewonnen, aber Canyellas wollte sich damit nicht so recht abfinden. „Probier du doch mal, ob da nicht was geht, hat er zu mir gesagt", erzählt Wieland.

Ein wahrer Rohdiamant

Der Deutsche ließ sich überreden und arbeitete mit dem Tier. Und siehe da: „Brillant de Foc" stellte sich als wahrer Rohdiamant heraus. „Das Pferd hat von seinen bisher 13 Rennen sieben gewonnen. Seine schlechteste Platzierung war einmal ein vierter Rang", erzählt Wieland.

Der Münchner ist derzeit nach eigenen Angaben der einzige auf Mallorca im Trabrennsport aktive Deutsche und dank seiner Siegesserie gleichzeitig einer der angesagtesten Fahrer auf der trote-verrückten Insel. Sein Namensvetter und Landsmann Ulrich Schnieder fährt seit 2012 keine Rennen mehr. Die Deutschen hatten anfangs keinen leichten Stand auf der Insel. „Man hat mir immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen. Mein Erfolg passte den Mallorquinern nicht in den Kram." Schließlich gehört der Trabrennsport zu Mallorca wie die Sobrassada und die Ensaimada. Wielands Talent, mit allgemein für Versager gehaltenen Pferden gute Platzierungen einzufahren, wurde argwöhnisch beäugt.

Wieland leint Albor Neula und Catalina an, um sie später zu duschen. Seine Erfolge kämen eben nicht von ungefähr. In seinem Leben habe er bereits 16.000 Rennen bestritten und 800 Siege eingefahren. Den letzten erst vor zwei Wochen. In den vergangenen vier Monaten hat er auf der Insel allein zehn Siege geholt. Und eine wichtige Rolle spiele dabei der Ort, wo die Pferde leben. Die Finca direkt neben dem Golfplatz Son Antem habe alles, was ein gutes Traberpferd so brauche, erzählt Wieland.

Alles Psychologie

45 Pferde stehen hier. Es gibt die bereits angesprochene Rundrennbahn, zusätzlich eine 800 Meter lange Gerade zum Sprint-Training, viel Auslauf, ein Pferde-Schwimmbad und geräumige Stallungen, deren Türen geöffnet sind, „damit die Pferde ein- und ausgehen können. Für den Kopf später im Rennen eine wichtige Angelegenheit". Wieland sieht sich nämlich nicht nur für die Fitness der Pferde zuständig, sondern auch als Psychologe. „Wer erfolgreich arbeiten will, muss herausfinden, wie ein Pferd tickt und dann dementsprechend mit ihm trainieren." So gebe es Tiere, die jeden Tag das gleiche Training benötigen, andere wiederum seien sensibler und schauten Wieland drei Tage nach einem härteren Training nicht an. Da müsse eben mit Fingerspitzengefühl vorgegangen werden.

Zehn Tiere betreut Wieland zurzeit, vier auf der Finca nahe Son Antem und sechs weitere bei Son Juliá, nicht weit davon entfernt. Mit deutlich bayerischem Einschlag erzählt er, wie er seine Liebe zu den Pferden entdeckte. Alles begann mit einer dreijährigen Lehre zum Pferdewirt. „Das mag heute exotisch klingen, aber zu meiner Zeit war das in München ein gängiger Beruf." Schließlich gibt es im Stadtteil Daglfing eine der renommiertesten Rennbahnen in Deutschland. Wieland arbeitete in direkter Nachbarschaft und verantwortete damals das Training von 60 Pferden, nachdem er die Prüfung zum Pferdewirtschaftsmeister draufgesetzt hatte.

Damals, das war in den 80er Jahren, als der Trabrennsport in Deutschland noch das Publikum zahlreich auf die Rennbahnen trieb. Als noch an einem einzigen Renntag in München-Daglfing über eine Million D-Mark umgesetzt wurde. Es sei einfach gewesen, zu dieser Zeit im Trabrennsport gutes Geld zu verdienen. „Aber das ist vorbei. Kaum ein junger Mensch setzt sich heutzutage einen ganzen Tag an die Rennbahn."

Mit den sinkenden Zuschauerzahlen ging das Interesse der Medien zurück, dann das der Wettanbieter und schließlich auch das der Rennteilnehmer. Heute würden an einem Renntag in Daglfing gerade noch 100.000 Euro erwirtschaftet. Der Niedergang des Trabrennsports in Deutschland begünstigte Wielands Neuanfang auf Mallorca. 2006 bekam er ein Angebot, auf der Insel eine Reihe von Pferden zu trainieren. Er packte seine Sachen und kam. 2011 heuerte er beim Reitstall der Chefin des Playa Golf Hotels, María García, an und bildete dort die Pferde aus. Als García im vergangenen Jahr ihre Rennpferde verkaufte, war Wieland seinen Job los. Eine Zeit lang überlegte er, ob er die Insel verlassen sollte. Etwa nach Österreich gehen sollte, wo er ein Angebot bekam. Aber er entschied sich dagegen.

Subventionen satt

Auf Mallorca würde der Volkssport trote schließlich hofiert. „So etwas wie hier gibt es nirgends auf der Welt", sagt Wieland und meint die millionenschweren Zuschüsse, die vom Inselrat fließen. Auch wenn in der Krise die Preisgelder nicht immer zügig flössen, funktioniere dieses System auf Mallorca bisher ganz gut.

Sorgen bereitet Wieland jedoch die Einstellung vieler Mallorquiner gegenüber den Tieren. Was auch mit der Krise zu tun habe. „Der gesunde Mittelstand ist weggebrochen. Pferde können sich heute nur noch Reiche leisten." Und die „verheizten" ihre eigenen Rennpferde in jungen Jahren, um dann teure Pferde aus Frankreich herzuschaffen. „Die kosten dann zwar mal eben mehrere tausend oder auch zehntausend Euro, aber Geld spielt ja keine Rolle."

Die Franzosen schlagen sich gut auf den mallorquinischen Rennbahnen. „Das französische Blut ist härter als das hiesige, die Tiere halten mehr aus", erklärt Wieland und legt den frisch geduschten Tieren eine Decke über den Rücken. Er aber will es weiterhin auf der einfühlsamen

Schiene versuchen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 18. Dezember (Nummer 763) lesen Sie außerdem:

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