Ihren Saisonhöhepunkt hat die Bahnrad-Olympiasiegerin und vierfache Weltmeisterin Miriam Welte für dieses Jahr schon hinter sich. Bei der WM im französischen Saint-Quentin-en-Yvelines nahe Paris im Februar holte die 28-jährige Kurzstrecken-Spezialistin über die 500 Meter Zeitfahren immerhin eine Bronzemedaille. Im Teamsprint verpasste sie mit ihrer Partnerin Kristina Vogel Edelmetall. Mit ihrem Stiefvater und Trainer Frank Ziegler ist Welte am Mittwoch (11.3.) für eine Woche in den Robinson Club Cala Serena gekommen. Direkt nach dem Gespräch mit der MZ sauste sie mit dem ehemaligen deutschen Radprofi Danilo Hondo, der seit seinem Karriere­ende im vergangenen Jahr auf Mallorca lebt, auf einer Trainingsfahrt davon.

Die WM hat Ihnen einmal Bronze eingebracht. Für eine Athletin, die zwei Weltmeister­titel zu verteidigen hatte, klingt das nach einem enttäuschenden Resultat.

Klar, in der Endabrechnung ist es ein bisschen schade, dass es nur zu einer Medaille gereicht hat. Aber für einen WM-Titel muss eben alles passen, und bei mir hat es das nicht. Ich lag kurz vor der WM mehrere Tage mit einem grippalen Infekt flach. Das soll nicht als Ausrede gelten, aber vor Titelkämpfen ist so etwas sehr ärgerlich. Denn die Schnelligkeit für den Wettkampf fahre ich normalerweise erst unmittelbar vor den Rennen auf. Ich bin trotzdem nicht unzufrieden, denn meine Zeiten waren gut. Über die 500 Meter bin ich sogar meine drittbeste Zeit gefahren. Es waren eben diesmal zwei Fahrerinnen schneller.

Was ist denn der Zweck Ihres Aufenthalts auf Mallorca? Erholung nach der WM oder Training für die nächsten Wettkämpfe?

Beides. Wobei ich auf der Insel kein Bahn-Training mache, nur ein bisschen Straße. Das darf ich nur sehr dosiert machen, zu viel Ausdauertraining macht mich auf Dauer langsamer.

Frank Ziegler: Vor Kurzem ist der UCI-Rennkalender veröffentlicht worden, und hier haben wir Ruhe, um uns den genau anzuschauen und die Saisonplanung zu machen. Miriam braucht ja eine gewisse Punktzahl, um sich für die Weltmeisterschaften und Weltcups zu qualifizieren.

Das Bahnrad und Sie - war das Liebe auf den ersten Blick?

An der Bahn hängt mein Herz. Da kann ich meine athletische Stärke, die ich mir als Jugendliche beim Leichtathletiktraining geholt habe, perfekt nutzen. Ich bin früher alles Mögliche gefahren: Rennrad, Mountainbike, Bahnrad. Aber wenn es bergauf ging, war ziemlich schnell Schluss. Bei einem Mountainbike­Rennen in Südfrankreich zum Beispiel war ich von Beginn an abgehängt. Da habe ich beschlossen, das Ganze wie eine Radtour zu sehen und die herrliche Landschaft zu genießen.

Ihr nächstes großes Ziel ist wohl die Titel­verteidigung bei Olympia 2016 in Rio im Teamsprint - diesmal auf sportlichem Wege. 2012 in London wurden die Chinesinnen wegen eines Wechsel­fehlers disqualifiziert.

Es war ja nicht so, dass wir in London etwas geschenkt bekamen. Es gibt schließlich beim Bahnradsport genauso Regeln wie in der Leichtathletik, und wer in der Wechselzone die Regeln verletzt, der verschafft sich einen Vorteil und wird dementsprechend disqualifiziert. Meine Renn-Partnerin Kristina Vogel und ich sehen dieses Thema eher entspannt. Nur für die Medien war das ein Aufreger. Aber natürlich wollen wir dieses Mal wieder Gold holen.

Streben Sie auch über die 500 Meter Einzelfahren die Goldmedaille an?

Schön wäre es, aber der Fokus liegt ganz klar auf dem Teamsprint. Dafür trainiere ich, und mein Training unterscheidet sich dabei ziemlich von einem Training für ein Einzelfahren. Im Team bin ich die Anfahrerin, und Kristina diejenige, die den hoffentlich herausgefahrenen Vorsprung hält oder ausbaut.

Inwiefern unterscheidet sich dafür das Training?

Das verrate ich nicht, sonst schaut sich die Konkurrenz noch etwas ab. Nur so viel: Für mich als Anfahrerin geht es in erster Linie um die Spritzigkeit und Explosivität.

Auf der Bahn ist zurzeit der Stundenwelt­rekord das beherrschende Thema. Wäre der auch etwas für Sie?

Nein, eine Stunde ist für mich als Sprinterin zu lang. Mit Kristina Vogel habe ich immerhin mal den Weltrekord über die 200 Meter Teamsprint geknackt, und auch beim fliegenden Start habe ich über die 200 Meter einen Weltrekord aufgestellt.

Es scheint, als komme Bahnradsport zurzeit wieder in Mode. Mit Bradley Wiggins zieht es ab April einen prominenten Profi zurück zu seinen Wurzeln ?

Ja, unser Sport boomt zurzeit richtig. Das ist klasse. Und man muss eigentlich den Briten dankbar sein, denn sie haben den Sport bei Olympia 2012 in London wieder großgemacht. Dort herrschte eine riesige Begeisterung, natürlich auch wegen der guten Bahnradfahrer, die es dort gibt.

Hat der Bahnradsport vom Doping-Sumpf im Straßenradsport profitiert?

Nein, auch uns hat die Dopingdebatte eher geschadet. Man sieht es an der medialen Aufmerksamkeit. Früher haben ARD und ZDF hin und wieder mal Bahnradwettkämpfe übertragen. Inzwischen kommt das nicht mehr vor. Das hat neben dem Doping auch mit der Verlagerung der Wettkämpfe in den Winter zu tun. Da wird lieber Wintersport übertragen. Die Rechte für die Weltmeisterschaften etwa hat Eurosport an einen Sender in Russland übertragen. Und der wollte, dass man ihm die Rechte für den Preis eines Fußballspiels abkauft. Das ist illusorisch. Das hat natürlich kein Sender gemacht.

Im Bahnradsport ist Doping kaum ein Thema, obwohl es auch zur Leistungssteigerung eingesetzt werden könnte.

Wir haben gar nicht das Geld für Doping. Frank Ziegler: Das lohnt sich bei uns nicht, schließlich gibt es lange nicht so viel Geld zu verdienen wie im Straßenradsport. Ich bin jetzt über 30 Jahre dabei und habe noch keinen Dopingfall miterlebt.

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