Jens Keller ist niemand, der nachtritt. Das liegt wahrscheinlich an seinem eher nüchternen Naturell, und vielleicht hat der Schwabe ja wirklich keinen Grund dazu. Doch von außen betrachtet glich seine Zeit beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 zumeist einem Kreuzweg: Keller konnte es dem Club einfach nicht recht machen. Der 44-Jährige stand nahezu die gesamte Zeit - immerhin 22 Monate - in der Kritik, und das, obwohl er die Knappen zweimal in Folge in die Champions League führte. In dieser Saison war nach sieben Spieltagen für ihn Schluss. Kellers Nachfolger wurde der Italiener Roberto di Matteo, der 2012 mit dem FC Chelsea London die Champions League gewonnen hatte. Jens Keller unterdessen hat einen Sportmanagement-Kurs begonnen, bei dem er zusammen mit dem Ex-Nationalspieler Malik Fathi die Schulbank drückt. Fathi spielt inzwischen für Atlético Baleares. Am Freitag (20.3.) weilte Keller mit Trainerkollegen wie Peter Neururer oder Wolfgang Sidka beim Benefiz-Golf-Turnier der „Gofus" in Camp de Mar. Mitglied der Gofus - golfende Fußballer - ist Keller schon seit zwölf Jahren.

Können Sie auf dem Golfplatz abschalten?

Je nachdem in welcher Situation ich in meinem Job bin, ist das mit dem Abschalten schwierig. Aber meistens kann ich mich ganz gut auf den Golfball fokussieren und mit den Leuten auf dem Platz Spaß haben. Das Gute ist: Wenn ich den Ball nicht richtig treffe, kann ich es immer darauf schieben, dass ich gerade zu viel Stress habe.

Das gilt bei Ihnen zurzeit aber nicht als Entschuldigung €

Das stimmt. Momentan bin ich eigentlich ganz erholt.

Sind Sie denn schon völlig heruntergekommen nach ihrer Zeit auf Schalke?

Das war nicht ganz einfach. Aber ich hatte ja inzwischen etwas Zeit. In den vergangenen Monaten habe ich viel Urlaub gemacht. Mittlerweile bin ich tatsächlich heruntergekommen und wieder bereit, etwas Neues anzufangen.

Gab es bereits Anfragen von anderen Clubs?

Ja, es kamen relativ schnell schon mehrere Anrufe. Aber damals war ich noch nicht so weit. Ich habe momentan den ein oder anderen Kontakt, aus dem etwas werden könnte.

Aus der Bundesliga oder dem Ausland?

Derzeit bin ich für alles offen. Ich befinde mich ja in der glücklichen Lage, dass ich nicht alles machen muss, sondern dass ich mir meine Tätigkeit aussuchen kann. Und da gehört die Bundesliga genauso dazu wie eine erste Liga im Ausland. Die kommenden Wochen könnte sich etwas tun.

Das heißt, Sie würden den Sportmanagement-Kurs dann wieder aufgeben?

Ich möchte ja nicht ins Sport­management einsteigen. Ein Freund von mir hat diesen Kurs ins Leben gerufen und mich gefragt, ob ich da mitmachen möchte. Er meinte, für die Veranstaltung wäre es nicht schlecht, wenn ich dabei wäre. Außerdem denke ich, dass ich mich immer weiterbilden kann. Wir behandeln in diesem Kurs ja auch Dinge, die man in den Trainerberuf herüberziehen kann, wie beispielsweise die Personalführung. Wenn ich den Kurs durchziehen könnte, wäre das schön. Aber wenn ich vorher einen Trainer­job finde, ist das auch gut.

Wie sähe es denn mit einem Engagement auf Mallorca aus? Könnten Sie sich das vorstellen?

Die Lebensqualität wäre natürlich toll, aber es müssen auch die Bedingungen stimmen. Und momentan spielt Real Mallorca ja in der Zweiten Liga. Wenn der Verein ein schlüssiges Konzept hat, dann kann das spannend sein. Aber ich habe mit Herrn Claassen keinen Kontakt und kenne ihn auch nicht.

Beim FC Schalke 04 waren Sie der Trainer mit dem dritt­besten Punkteschnitt nach MirkoSlomka und Ralf Rangnick. Und trotzdem standen Sie permanent in der Kritik €

Zeitweise war ich sogar der beste Schalke-Trainer, was die Punkte­ausbeute betrifft.

Haben Sie schon verstanden, was da wirklich abgelaufen ist?

Das hatte ja nicht nur mit dem Verein alleine zu tun. Die Medien waren da schon auch ein bisschen mit schuld. Aber ich bin der Meinung, ich habe einen guten Job gemacht und mein Gesicht nicht verloren. Mir war wichtig, mich nicht verbiegen zu lassen. Und das habe ich nicht getan. Man wollte einfach gewisse Dinge von mir, die ich nicht gemacht habe. Und ich kann noch in den Spiegel schauen.

Was waren das für Dinge?

Das möchte ich nicht sagen.

Rein sportlich scheint sich Ihre Entlassung für Schalke 04 gelohnt zu haben. Das Team steht inzwischen auf Platz fünf.

Naja, ich wurde nach dem siebten Spieltag freigestellt. Und ich habe die Mannschaft in der vergangenen Saison auf den dritten Platz geführt. Die Punkteausbeute der Mannschaft seit meiner Entlassung ist auch nicht so viel höher als mit mir. Aber es war die Entscheidung des Vereins, und mit der muss und kann ich umgehen.

Verfolgen Sie denn noch das Schicksal von Schalke 04? Haben Sie beim knappen Ausscheiden in der Champions League gegen Real Madrid noch ein bisschen mitgefiebert?

Ich habe mit der Mannschaft die vergangenen zwei Jahre zusammengearbeitet. Alles, was mit Schalke zu tun hat, schaue ich mir genau an.

Was empfanden Sie, als Dortmund-Trainer Jürgen Klopp Ihnen mehrfach zu Hilfe geeilt ist und Sie vor den Medien ver­teidigt hat?

Ich verstehe mich mit Jürgen sehr gut. Wir kennen uns schon lange. Er sagt immer ehrlich, was er denkt. Durch seine Aussagen weiß ich, dass meine Arbeit wertgeschätzt wurde. Und wenn das dann beim größten Rivalen ist, macht einen das schon stolz.

Schalke 04 scheint oft ein Opfer der eigenen Ansprüche zu sein. Der Club hat einen der höchsten Liga-Etats. Der Druck, um die Meisterschaft mitspielen zu müssen, schwingt ständig mit. Aber im Endeffekt reicht es doch nie €

Ja, aber das ist schon richtig so. Das muss der Anspruch von Schalke 04 sein. Bei einem solchen Verein mit einem solchen Umfeld und diesen Fans muss man sich das Ziel stecken, immer unter den Top-Mannschaften der Bundesliga zu stehen.

Wie steht es insgesamt um die Liga? Die Bayern-Dominanz droht langsam langweilig zu werden.

Sicher, Bayern ist diese Saison auch von Wolfsburg nicht mehr einholbar. Aber in den kommenden Jahren traue ich das speziell Wolfsburg schon zu. Die Bayern haben einfach 20, 30 Jahre lang sehr viel richtig gemacht. Es ist ja kein Zufall, dass sie so konstant da oben stehen. Man kann nur hoffen, dass sie auch mal wieder schwächeln.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 26. März (Nummer 777) lesen Sie außerdem:

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