„Same procedure as every year" für die rund 50 DFB-Schiedsrichter der Ersten und Zweiten Bundesliga. Zum dritten Mal waren sie bis Samstag (16.1.) bei einem Lehrgang im Hilton-Hotel Sa Torre, um Fehler in der Hinrunde aufzuarbeiten und sich auf die am Freitag (22.1.) beginnende Rückrunde vorzubereiten. Ronny Zimmermann, der für die Schiedsrichter zuständige DFB-Vizepräsident, sprach am Rande der Tagung mit der MZ, nicht ohne sich vorher einen Platz in der wärmenden Sonne zu suchen.

Die Schiedsrichter werden ja langsam Stammgäste auf der Insel. Worum geht es diesmal auf Mallorca?

Im Wesentlichen um dasselbe wie in den Vorjahren. Wir besprechen anhand von Videoausschnitten die Hinrunde und versuchen, für vergleichbare Situationen vergleichbare Entscheidungen hinzubekommen. Zudem machen wir Konditionstraining und diesmal sogar Yoga. Wir lassen uns immer etwas Neues einfallen.

Wie läuft denn so eine Videosichtung mit den Schiedsrichtern ab? Sind die zumeist einer Meinung oder wird da viel diskutiert?

Von Tag zu Tag gibt es weniger Debatten, die Entscheidungen gleichen sich im Lauf des Lehrgangs an. Aber die Schiedsrichter diskutieren auch mal. Dem einen geht ein Kontakt schon zu weit, er würde pfeifen. Der andere würde das noch durchgehen lassen. Diese Sicht zu vereinheitlichen, ist ein Hauptziel des Trainingslagers.

Sprechen Sie Fehlentscheidungen aus der Hinrunde an, wie etwa das Handtor von Leon Andreasen oder den Elfmeterpfiff für Bayern gegen Augsburg?

So konkret nicht. Aber wir versuchen, ähnliche Situationen zu bewerten. Normalerweise suchen wir nach Mustern für Fehlentscheidungen, wie etwa bei der Zweikampfbewertung. In dieser Hinrunde war allerdings ungewöhnlich, dass es mehrere gravierende Fehlentscheidungen gab, die alle Tore zur Folge hatten, die aber keinem Muster folgten. Und da die Entscheidungen folgenreich waren, führten sie zu einer negativen Außenwahrnehmung, obwohl es in dieser Hin­runde insgesamt weniger Fehler gab als in den vergangenen Jahren.

Diese immer wiederkehrenden Debatten um Fehlentscheidungen könnte man ganz einfach mit dem Videobeweis ausräumen. Warum konnte sich der weltweite Fußball immer noch nicht dazu durchringen?

Es ist einfach ein Sport mit einer anderen Dynamik als etwa Volleyball oder Eishockey, wo es den Videobeweis längst gibt. Der Charakter eines Fußballspiels ist eben, dass es lange Passagen ohne Unterbrechungen gibt. Aber Fehler gehören dazu. Das sagen vor allem die Fußball-Traditionalisten. Wir würden heute mit Videobeweis wohl kaum vom Wembley-Tor oder der Hand Gottes sprechen ?

Trotzdem soll der Videobeweis jetzt kommen.

Wir rechnen damit, dass wir in der nächsten Saison mit der Testphase beginnen werden. Der Weltverband FIFA muss Ende März entscheiden, ob er das will, aber wir sind vorbereitet. Die Clubs wollen es, und auch wir wollen von Anfang an mit dabei sein.

Ab wann kann dann in der Bundesliga mit der offiziellen Inbetriebnahme gerechnet werden?

Das hängt von der FIFA-Entscheidung ab, aber ich gehe davon aus, dass zwei Spielzeiten getestet werden soll. Sollten Schwierigkeiten auftreten, könnte man sicher noch eine Saison dranhängen.

Sie wollen das holländische System übernehmen, bei dem der vierte Schiedsrichter vor dem Bildschirm sitzt, aber nicht weiter eingreift?

Im Grunde ja, aber wir wollen es etwas verbessern. Beim holländischen Modell wird der Spielfluss bei Fehlentscheidungen nicht unterbrochen. Bei uns soll es diese Möglichkeit geben. Sollte der Schiedsrichterassistent beispielsweise einen klaren Elfmeter entdecken, wird er eingreifen und den Schiedsrichter auffordern zu pfeifen. Das bringt dann natürlich eine Zeitverzögerung mit sich.

Wie schnell kann eine Entscheidung mit dem Videobeweis ­gefällt werden?

Das sollte meines Erachtens nicht viel länger als zehn Sekunden dauern dürfen. Die Fans dürfen keine Zeit haben, sich zwischendurch eine Currywurst zu holen. Allerdings ist selbst bei einem Videobeweis manchmal nicht hundertprozentig festzustellen, ob es nun etwa einen Kontakt im Strafraum gegeben hat oder nicht. Sollten die zehn Sekunden nicht für eine Bewertung ausreichen, sollte der Schiedsrichter aus seiner Sicht entscheiden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem anderen ­technischen Hilfsmittel, der Torlinien­technik, gemacht?

Salopp gesagt hätten wir uns bislang die Investition sparen können, zumindest in dieser Saison. Es gab eine einzige strittige Torentscheidung, und die hat der Schiedsrichter ohne die ­Torlinientechnik ­richtig gedeutet.

Noch ein anderes Thema: Die Schmiergeldvorwürfe im Zuge der WM-Vergabe 2006 nach Deutschland haben den DFB erschüttert. Wie ist die Stimmung in der Zentrale?

Gar nicht so schlecht. Wir wollen zunächst einmal alle Vorwürfe lückenlos aufklären, bevor wir uns weitere Gedanken machen. Wir haben uns deshalb für eine externe Untersuchung durch die Kanzlei Freshfield und Partner entschieden, um möglichst große Unabhängigkeit zu gewährleisten. Der Bericht der Kanzlei soll etwa Ende Februar vorliegen. Erst dann können wir uns Gedanken machen, wie wir weiter vorgehen werden.

Wie haben Sie die Ermittlungen konkret mitbekommen?

Die Kanzlei hat sich immerhin 400 Ordner mitgenommen und unsere Leute alle angehört, manche auch mehrfach. Wenn du permanent von allen Seiten beobachtet wirst und dir auf dem Gang ständig Leute entgegenkommen, die eigentlich gar nicht dort arbeiten, musst du es schon etwas gelassen nehmen. Aber es ist ja ein Ende absehbar.