Es ist nur eine von zahllosen Anekdoten über Real Mallorca. Aber sie zeigt, wie groß die Euphorie um den Verein zeitweise war. Am 29. April 1998 stieg in Valencia das Pokalendspiel zwischen dem Inselclub und Atlético Madrid. 14.000 Karten hatte Real Mallorca an seine Anhänger verkauft. 18 komplette Flugzeuge und fünf Fähren waren bereits reserviert, doch noch immer waren 2.500 Fans ohne Transportmittel. Der damalige US-Konsul Tummy Bestard saß im Verwaltungsrat von Real Mallorca und versuchte die amerikanische Flotte zu überreden, ob nicht ein Flugzeugträger die Fans mitnehmen könne. Die Militärs weigerten sich, zahlreiche Fans kamen zu spät. Mallorca verlor mit 0:1.

Die Gründung

Ab diesem Sonntag (28.2.) feiert der Verein, der durch einige Höhen und noch mehr Tiefen gegangen ist, seinen 100. Geburtstag. Genau genommen ist es schon am Samstag (27.2.) so weit. An jenem Wintertag im Jahr 1916 versammelten man sich, um den Club Alfonso XIII zu gründen. Mit dem Namen sollte der damalige König von Spanien geehrt werden. Weil die Initiative von einem gewissen Adolfo Vázquez Humasqué ausging, gebührte dem studierten Ingenieur die Ehre, erster Präsident des Clubs werden. Der in Katalonien geborene 29-Jährige war glühender Verehrer des gerade in Spanien in Mode gekommenen neuartigen Ballsports. Eine Woche später, am 5. März, wurde der Club auch offiziell ins Leben gerufen. Elf Männer trafen sich zur ersten Hauptversammlung. Hoch hinaus sollte es zunächst nicht gehen. Erst im Jahr 1923 wurde der erste Trainer verpflichtet: der Tscheche Ferry Proks. Zuvor gab es ausschließlich Spielertrainer. Im Jahr 1949 wurde erstmals der Name Real Club Deportivo Mallorca (RCD) benutzt.

Der Aufstieg

Der Club verbrachte die ersten Jahrzehnte maximal in Zweitliga-Gefilden, bis in der Saison 1959-60 der erste Aufstieg in die Primera División gelang. Die Inselfußballer hatten am letzten Spieltag einen Punkt Rückstand auf Córdoba. Die Andalusier verloren und wurden von den eigenen Fans angegriffen. Mallorca siegte mit 2:1 bei Levante, die Rückfahrt mit dem Schiff und der Empfang in Palma wurden zu einer einzigen Party.

Die Sperre

In den 60er Jahren stieg der Club insgesamt dreimal in die Primera División auf - und genauso oft auch wieder ab. In diese Zeit fiel eine denkwürdige Sanktion. Der Torjäger Francisco Javier Martínez, genant Achuri, brach in einem Spiel in Elda seinem Gegenspieler unbeabsichtigt, das Schienbein. Der Schiedsrichter zückte die Rote Karte, Achuri soll sich geweigert haben, den Platz zu verlassen. Der spanische Verband legte Achuri saisonübergreifend für 24 Spiele lahm, die bislang längste Sperre im spanischen Fußball.

Der Abstieg

Als die Mannschaft 1970 abstieg, war das um ein Haar das Ende des Clubs. Der Verein rutschte immer tiefer in einen Strudel aus sportlichen Misserfolgen und institu­tionellen Problemen. In der Saison 1977/78 ging es bis in die Tercera División hinunter. Aus der Clubzentrale verschwanden Dokumente, manche tauchten später an der Felsküste wieder auf. Immobilienunternehmer Miguel Contestí, der sich nicht zu schade war und im Jahr 1978 die Präsidentschaft übernahm, sagte später: „Wenn jemand den Club auf 200 Millionen Peseten verklagt hätte, hätten wir die Schulden zahlen müssen. Wir hatten keine Gegenbeweise."

Der Streik

Im November 1978 griffen die Spieler zum Äußersten: Sie schlossen sich in der Kabine ein, um so fünf ausstehende Gehälter zu erzwingen. Eine Woche später sperrten sie sich erneut ein - diesmal ganze drei Tage. Der Club zeigte die Spieler an und brummte ihnen zum ­fehlenden Gehalt noch eine Geldstrafe auf. Palmas Bürgermeister Buchens schlug sogar vor, Real Mallorca und Atlético Baleares zusammenzulegen -

was schnell wieder verworfen wurde. Wäre nicht Juan de Vidal aufgetaucht, der es mit dem Verkauf von elektrischen Haushaltsgeräten zu einem Vermögen gebracht hatte und die Auswärtsfahrten des Teams aus der eigenen Tasche zahlte, wäre der Club wohl aufgelöst worden.

Die Stadien Unter Präsident Miguel Contestí ging es im Rekordtempo wieder in die Primera División. Das Stadion Lluis Sitjar platzte regelmäßig aus allen Nähten. Am 18. Mai 1984 fiel beim Spiel gegen Valladolid die Mauer einer Tribüne ein. Dutzende Menschen stürzten in die Tiefe, 40 zogen sich leichtere Verletzungen zu. Die Presse sprach von Zuständen wie in der sogenannten Dritten Welt, das Stadion war zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alt. Die von den meisten Fans liebgewonnene Spielstätte an der Plaça Es Forti sollte dennoch bis zum Jahr 1999 ihren Dienst tun. Dann zog der Club in das auf der anderen Seite der Ringautobahn für die Universiade erbaute Stadion von Son Moix um. Die Fans empfanden das weite Rund stets als weitgehend atmosphärefrei, manche entwickelten eine regelrechte Antipathie gegen das Stadion.

Die Trainer

Man läuft schnell Gefahr, Llorenç Serra Ferrer ausschließlich nach seiner katastrophalen Politik als Hauptaktionär und Sportlicher Leiter des Clubs zwischen 2011 und 2015 zu beurteilen. Doch seine Verdienste um den Inselclub reichen 30 Jahre zurück. Der zierliche Mann aus Sa Pobla schaffte als Trainer zweimal den Aufstieg in die Primera División und führte das Team ins eingangs erwähnte Endspiel der Copa del Rey.

Der Liebling der Massen war aber Héctor Cúper. Der Argentinier kam im Sommer 1997 auf die Insel. Damals war der erst 41-Jährige in Europa kaum unbekannt. Der Trainer führte den Aufsteiger Real Mallorca prompt auf Platz 5 und in der Saison darauf sogar auf Rang 3. Außerdem gewann er die spanische Supercopa gegen den FC Barcelona. Bei seinem zweiten Engagement auf der Insel 2004-2006 hatte er weniger Glück und trat nach einer desaströsen Hinrunde selbst zurück.

Der Dritte, der in der Aufzählung erfolgreicher Trainer nicht fehlen darf, ist Luis Aragonés. Der kauzige Madrilene, der später spanischer Nationaltrainer und Europameister wurde und vor zwei Jahren starb, führte den Inselclub in der Saison 2000/2001 mit bisher unerreichten

71 Punkten auf Platz 3. In seinem zweiten Engagement 2003/2004 rettete er den Club vor dem Abstieg.

Der Superstar

Der Inselclub hatte zwischenzeitlich Spieler von Weltformat in seinen Reihen. Berühmtestes Beispiel ikst der Kameruner Samuel Eto´o. Er kam im Januar 2000 als 18-Jähriger für 7,2 Millionen Euro von Real Madrid auf die Insel. Schnell stand er in der Startelf. Bis 2004 blieb Eto´o auf der Insel und schoss in 133 Spielen 54 Tore. Bis heute ist er damit der Torjäger des Inselclubs. Im Sommer 2004 wechselte der Kameruner für 24 Millionen Euro zum FC Barcelona. Die Summe teilten sich Real Madrid und Real Mallorca. Ein gutes Geschäft. Junge Spieler auf die Insel zu locken und mit großem Gewinn zu verkaufen war lange Zeit das Erfolsrezept des Clubs.

Eto´os Hassliebe zum Trainer Luis Aragonés war auf der Insel legendär. Nach einer Auswechslung in Zaragoza kam es zwischen ihm und dem Trainer beinahe zu einem Handgemenge. Jahre später sagte Eto´o, sein Verhältnis zu Aragonés sei wie das eines Vaters zu seinem Sohn gewesen. „Wir haben uns ständig gestritten, aber uns auch geliebt."

Der Pokalsieg

Das Spiel der Spiele in der Geschichte von Real Mallorca ist der Pokalsieg der Copa del Rey im Jahr 2003. Am 28. Juni machte sich Real Mallorca, damals unter Trainer Gregorio Manzano, samt 15.000 Anhängern auf den Weg nach Elche, wo im Finale Recreativo Huelva wartete. Der Inselclub hatte zuvor unter anderem Real Madrid im Viertelfinale in zwei Spielen aus dem Weg geräumt. Pandiani schoss Real Mallorca gegen Huelva per Elfmeter in Führung, Eto´o sorgte in der Schlussphase mit zwei Toren für das deutliche 3:0.

Die Großen

Heutzutage, wo das Höchste der Gefühle das Duell gegen den Zweitliga-Tabellenführer Alavés ist, denkt so mancher Fan wehmütig an die Zeiten zurück, als Real Mallorca noch gegen die wirklich Großen im Weltfußball antreten durfte. Etwa im Jahr 2000, als der deutsche Nationaltrainer Erich Ribbeck seine Truppe auf Mallorca zum Trainingslager versammelte. Bei der EM-Vorbereitung musste Real Mallorca als Sparringspartner herhalten. Deutschland kannte keine Gnade und schlug den damaligen Erstligisten mit 4:0, obwohl die hiesige Presse Wert darauf legt, dass Deutschland zu Beginn nervös wirkte. Wenig Nervosität zeigte auch Mallorcas Verteidiger Damià Amer im Januar 1984, als er im Camp Nou von Barcelona den neuen Star der Liga, einen gewissen Diego Maradona, an die Kette legte. Zwei Jahre zuvor hatte Maradona sein erstes Spiel in Spanien beim Trofeo Ciutat de Palma gegen den RCD bestritten und die Mallorquiner mit seinen Fertigkeiten in Verzückung gebracht. Barça gewann den Pokal mit 2:1.

Die Europaspiele

Zeitweise spielte Real Mallorca auch in Europa mit. In Erinnerung blieb vor allem das Gastspiel von Arsenal London in der Champions League am Abend der Terrorangriffe auf die Zwillingstürme in New York, am 11. September 2001, das Real Mallorca mit 1:0 gewann. Im Europapokal der Pokalsieger stand der RCD 1999 sogar kurz vor dem Titelgewinn, musste sich im Finale aber Lazio Rom geschlagen geben. Zuvor hatte die Truppe Chelsea London ausgeschaltet. Auch ein Sieg beim damaligen Spitzenteam Ajax Amsterdam brachte dem Inselclub 1999 europaweit Respekt ein.

Die Fans

Manch einer wünscht sich für diesen Club enthu­siastischere Anhänger. Auf der Insel gebe es maximal ein Potenzial von 13.000 bis 14.000 Fans, sagt Kolumnist Alejandro Vidal. Mit der Aussage, dass die Mallorquiner die sonntägliche Paella mit der Familie dem Stadionbesuch vorzögen, hatte Trainer Gregorio Manzano sicher nicht ganz unrecht. Jetzt, zu Zweitligazeiten, kommen zwischen 5.000 und 9.000 Zuschauer. Zurzeit gibt es 52 Fanclubs, sogenannte penyes. Mit Ausnahme einer penya auf Menorca (S. 41) sind alle auf Mallorca zu Hause.

Das Chaos

Die gesamte Saison 2011/12 über zeichnete sich ab, dass Real Mallorca nach 16 Jahren ununterbrochener Erstliga-Zugehörigkeit wohl wieder absteigen würde. So gut wie nichts gelang, dazu kamen Verletzungspech und unglückliche Schiedsrichterentscheidungen. Nach dem Abstieg versank der Club erneut in einem institutionellen Chaos mit Intrigen und Ränkespielen, bei denen auch der inzwischen bei Real Mallorca eingestiegene Aktionär Utz Claassen ein Wörtchen mitredete. Er überwarf sich vor allem mit Llorenç Serra Ferrer und Biel Cerdà. Erst mit der alleinigen Machtübernahme des Deutschen im Januar 2015 wurde es ruhiger um den Club. Im Januar 2016 stieg NBA-Investor Robert Sarver als Hauptaktionär ein, nachdem er eine Kapitalerhöhung von knapp 21 Millionen Euro getragen hatte. Sportlich läuft es weiter holprig (S. 18).

Die Feierlichkeiten

Der Club lässt sich hochleben und hat ein Feierjahr organisiert. Los ging es mit einer Gala im Teatre Principal. Quasi im Stundentakt hat der Club in den vergangenen Tagen ein Logo zum Geburtstag, eine Jubiläumshymne der bekannten mallorquinischen Gruppe La Musicalité und die Geburtstagsfahne präsentiert. Das Jubiläumsspiel findet am 5. März gegen Real Oviedo statt. Danach stehen im Laufe des Jahres Konzerte, ein Volkslauf, ein Golfturnier, ein Kongress sowie eigene Wagen beim Karneval und Sant Sebastià 2017 an. Den Abschluss bildet ein Feuerwerk im März kommenden Jahres. Dann hoffentlich wieder mit Blick Richtung Erste Liga.