Als Nello di Martino 1971 zu Hertha BSC Berlin kam, dachte er wohl kaum, dass er seine restliche Karriere in der Hauptstadt verbringen wird. „Wenn er da ist, bemerkt ihn keiner. Aber wenn er mal fehlt, dann ist die Hölle los", schreibt die Berliner Morgenpost über den 65-Jährigen. Als Spieler gekommen, wurde er Trainer und schließlich Teamkoordinator. Der Neapolitaner blieb aber auch seiner Heimat verbunden und gewann 2006 als Organisator mit Italien den WM-Titel - ausgerechnet im Berliner Olympiastadion. Im Interview am Dienstag (29.11.) spricht di Martino über das anstehende Trainingslager, Alkoholkontrolle bei den Spielern und Vereinstreue.

Sie haben gerade die Anlage besichtigt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Platz?

Ich war im Oktober schon mal da, habe mir alles angesehen und mich für Mallorca entschieden. Damals habe ich mit dem Platzwart gesprochen, und er hat mich in seine Pläne eingeweiht. Heute habe ich überprüft, ob das Gras entsprechend gesprossen ist. Es sieht alles gut aus.

Wieso fiel die Wahl auf Mallorca?

Keiner will mehr nach Belek, wo sonst viele zum Training hingeflogen sind. In der Türkei ist die politische Situation zu unsicher. Hier stimmt das Gesamtpaket mit dem Wetter und dem Preis.

Was waren die Alternativen?

Manche Vereine bleiben zu Hause. Die Winterpause ist in dieser Saison sehr kurz. Wir haben am 21. Dezember das letzte Spiel und am 22. Januar geht es schon weiter. Wir wollen aber etwas Abwechslung und bei wärmeren Temperaturen trainieren. Zur Auswahl ­standen noch Marbella und die Algarve. Dort, in Portugal gibt es beispielsweise nur ein Luxushotel, das infrage kommt. Man weiß, wie begehrt man diese Saison ist und schraubt den Preis nach oben. Das war uns dann zu teuer.

Einige Vereine nutzen das Trainingslager auch zur Marketingtour in Asien oder Amerika.

Das geht dann auf die Leistung. Die Vereine bekommen viel Geld, haben aber später in der Saison konditionelle Probleme. Frankfurt war im Januar in Abu Dhabi und musste am Ende in die Relegation.

Was spielt außer dem Geld noch eine Rolle bei der Auswahl des Trainingslagers?

Die Nähe zum Platz ist wichtig. Wir wollen nicht jeden Tag lange mit dem Bus fahren. Hier auf Mallorca ist es mit 10 bis 15 Minuten schon grenzwertig. Der Platz sollte auch dem Hotel gehören. Einmal haben wir im Trainingslager auf einer städtischen Anlage trainiert. Da standen wir an einem Regentag blöd da, als das Feld mit einer Kette abgesperrt war. Wir mussten dann auf den Strand ausweichen. Im Hotel sollte ein Wellness-Bereich vorhanden sein, damit sich die Spieler nach der Arbeit entspannen können. Die Unterkunft muss auch groß sein. In Belek war das nie ein Problem, da passten locker drei bis vier Mannschaften in ein Hotel. Hier ist das schwieriger.

Problematisch wird es auch, Gegner für Testspiele zu finden.

Genau. In der Türkei hatten sich sonst alle versammelt und wir konnten gegen die Topclubs spielen. Hier bleiben uns nur Real Mallorca und Atlético Baleares. Mehr Testspiele sind auch nicht geplant.

Real Mallorca hat am Sonntag (27.11.) mit 0:1 gegen Elche verloren und steht im Mittelfeld der zweiten Liga. Ist das überhaupt ein angemessener Gegner?

Man darf die zweite spanische Liga nicht unterschätzen. Da spielen viele junge Spieler, die schnell und technisch stark sind. Die könnten auch in der ersten Liga spielen.

Sind Sie alleine für die Entscheidung der Trainingslager verantwortlich?

Wir besprechen vorher im Team, was wir suchen, und dann geh ich auf Reisen. Da ich aber der Einzige bin, der die Gegebenheiten vor Ort sieht, entscheide am Ende ich.

Sie genießen viel Vertrauen?...

Auf jeden Fall. Aber ich habe in den vergangenen 45 Jahren über 100 Trainingslager organisiert. Da muss ganz viel schieflaufen, dass ich die falsche Entscheidung treffe.

Was passiert nach der Auswahl?

Ich organisiere die gesamte Logistik und stehe als Ansprechpartner für Spieler und Trainer zur Verfügung.

Sind Sie auch in die Betreuung der Spieler eingebunden und passen auf, dass niemand Alkohol auf das Zimmer schmuggelt?

Das sind alles erwachsene Menschen. Wenn sie das machen, fliegen sie raus. Früher war das schlimmer. Da haben die Spieler bereits zu Hause die Koffer mit Bier vollgepackt. Wir hatten in den 70er-Jahren mal einen Trainer, der am Flughafen die Taschen hochgehoben und aus einem Meter fallengelassen hat. Entweder der Spieler hatte nichts dabei oder eine ziemliche Sauerei in der Tasche.

Viele Fußballer sind heute Legio­näre. Fehlt Ihnen die Vereinstreue bei den Spielern?

Ich bekomme Bauchschmerzen, wenn ich sehe, dass ein neuer Spieler das Vereinsemblem auf dem Trikot küsst. Er sollte mindestens zwei Jahre dabei sein, ehe er das macht.

Ihren größten Erfolg feierten Sie mit der Nationalmannschaft. Wie kam das damals zustande?

Ich habe seit Jahrzehnten Kontakt zum Verband. Auch die italienischen Vereine sprechen mich immer an, wenn sie in Deutschland spielen. Die Vorbereitung zur WM 2006 begann drei Jahre zuvor unter Trainer Giovanni Trapattoni. Als er dann durch Marcello Lippi ersetzt wurde, gab es auch ein paar Umstellungen für mich. Ich sollte das Quartier aussuchen. Sie haben mir gesagt: Regel das mit dem Hotel und der Stadt, dann kommen wir zur Vertragsunterschrift. Während der WM musste ich dann sehen, wie die Spieler zu den Spielen kommen, war für den Transfer der Materialen zuständig und mich auch um die Tickets für die Politiker kümmern. 2010 wollte mich der italienische Verband auch in Südafrika haben. Ich habe aber abgelehnt, denn ich war ja schon Weltmeister.

Sehen die Italiener Sie nach 45 Jahren in Berlin überhaupt noch als Landsmann?

Klar! Wir sind Freunde und telefonieren regelmäßig. Vor ein paar Tagen hat mich der Co-Trainer der Nationalmannschaft angerufen und mich nach meiner Meinung zu den Spielern Vincenzo Grifo und Daniel Caligiuri gefragt.

Damit gehören Sie ja fast schon zum Trainerteam.

Man kann zwar alle Spiele auf Sky sehen, aber eine persönliche Einschätzung von jemanden vor Ort ist besser.

Seit einer Woche sind Sie 65. Wann gehen Sie in Rente?

Was soll ich dann machen? Rente kann ich auch so bekommen und trotzdem weiterarbeiten.