Die Hertha-BSC-Fans grölen jedes Mal, wenn ein Spieler den Ball über das Fangnetz auf dem Trainingsplatz in Son Bibiloni schießt. „Leck mich doch am A...", flucht Verteidiger Sebastian Langkamp, der des Öfteren unfreiwillig prüft, was die Fenster der Playerslounge von Real Mallorca aushalten. „Ganz bestimmt nicht", antwortet ihm auf Berlinerisch ein Zuschauer, der wenige Meter entfernt an der Bande lehnt.

Etwa 50 Fans verfolgen am Dienstagmorgen (10.1.) die Übungseinheit des Drittplatzierten der Bundesliga, der für eine Woche im Trainingslager auf der Insel ist. „Heute früh ist es mir schwergefallen, aus dem Bett zu kommen", sagt Hertha-Anhänger Marcel Mehlis. Die Nacht verbrachte er bis zur Sperrstunde um 3 Uhr im Bierkönig. Sieben Stunden später beobachtet er mit einer Bierdose in der Hand das Treiben auf dem Platz. Gemeinsam mit seinem Freund Stefan Gandecki beschloss er spontan, der Mannschaft ins Trainingslager hinterherzureisen. „Mallorca bot sich an. Da lässt sich die Hertha mit dem Feiern verbinden", sagt Gandecki. „Nach Belek wären wir nicht geflogen."

Langfristiger geplant hatte eine kleine Gruppe aus Lutherstadt Wittenberg die Reise. „Es ist mein viertes Trainingslager mit dem Club. Zuvor war ich schon in der Türkei und in Österreich", sagt Hertha-Fan Jens. Auch er genießt an der Ferieninsel die Vorzüge des Nachtlebens. „Zumindest das, was außerhalb der Saison noch davon übrig ist. Aber die ganze Nacht mache ich nicht mehr durch. Das habe ich hinter mir." Anders sieht das ein junges Mädchen aus seiner Gruppe. „Hm", bringt sie müde über die Lippen auf die Frage, ob das Training um 10 Uhr morgens nicht etwas zu früh für sie kommt.

„An die 100 Fans sind mitgereist", sagt Andreas Blaszyk. Er ist einer der Fanbeauftragten von Hertha BSC. Seit dem Jahr 2000 kümmert er sich um den Anhang des Clubs. „Zum Trainingslager im vergangenen Jahr in die Türkei haben wir als Verein den Fans Reisen angeboten. Auf Mallorca war das nicht möglich, da viele Hotels keine großen Gruppen wünschen." Der Fanbeauftragte hat daher zwei Unterkünfte in Arenal vorgeschlagen, und die Fans haben die Reise selbst gebucht. Ein Teil ist im Hotel Pueblo Park untergebracht, die anderen haben sich im Hotel Rui Bravo einquartiert. Ein Zimmer im Luxushotel Castillo Son Vida - wo das Team untergebracht ist - wollte sich niemand leisten. „Außerdem will Coach Pál Dárdai die Spieler etwas von den Fans abschotten", meint Hertha-Fan Jens. „Daher wird das Hotel erst sehr spät bekannt gegeben. Unter den Trainern zuvor war das besser."

Mit Mietwagen und zwei Kleinbussen erreichen die Fans das Trainingsgelände. „Manche ziehen das All-inclusive-Angebot im Hotel vor und gehen nur zu den Spielen", sagt Mehlis. „Der Ultra-Fanclub Dynamic Supporters zum Beispiel. Das sind 15 Leute, die tagsüber Party machen, und dann bei den Testspielen für Stimmung sorgen."

Der Fanbeauftragte Andreas Blaszyk bemüht sich immer um ein Kulturprogramm abseits des Trainingsplatzes und des Hotels. „Wir waren schon in Camp de Mar und Valldemossa", sagt er. „Als wir durch die Tramuntana gefahren sind, waren einige Leute erstaunt, dass Mallorca nicht

nur aus dem Strand und dem Bierkönig besteht." Ein Highlight steht am Freitag (13.1.) an. Dann hat Hertha BSC ein Dankeschön für die Fans geplant. Nach dem Training wird es ein Foto mit dem Team und ein Treffen in der Playerslounge geben.

Das Trainingslager bietet Blaszyk die Chance, einen engeren Kontakt zu den Fans zu pflegen. „Die Leute kommen nicht nur aus Berlin. Manche sehe ich daher nur bei den Auswärtsspielen in ihrer Region. Da bleibt oft nur wenig Zeit." Auf Mallorca setzt er sich dann mit den Fans zusammen und diskutiert über die sportliche Lage und neue Spieler. „Manchmal geht das auch in den privaten Bereich. Da bin ich dann als Seelsorger und Sozialarbeiter gefragt."

Während die Hertha-Spieler auf dem Rasen Kontersituationen üben, machen sich die Fußballer von Real Mallorca auf einem Nebenplatz warm. Einige Spieler des Zweitligisten gucken erstaunt zu, wie die Berliner über den ganzen Platz sprinten, drei Doppelpässe spielen und den Ball mit Wucht im Tor unterbringen. Mit solchen Fähigkeiten würden sie wohl nicht gegen den Abstieg spielen.

Nach anderthalb Stunden ist die erste Einheit am Dienstag beendet. Die Fans schießen Fotos mit den Spielern und halten ein kurzes Pläuschchen. So mancher spielt auch Mäuschen beim Interview, das Trainer Pál Dárdai den mitgereisten deutschen Journalisten gibt. Platz 6 sei das Ziel für die restliche Saison, sagt der ungarische Trainer. Angesichts des jetzigen dritten Platzes und der konzentrierten Arbeit im Trainingslager auf Mallorca sollte das auf jeden Fall machbar sein.