Eigentlich wollte der damals 20-jährige Miquel Garriga aus Inca 1960 in Deutschland nur die Sprache lernen. Der Tourismus auf Mallorca begann zu wachsen und sein Vater schickte ihn ins Ausland. Der Plan sah ein Jahr in Deutschland und eins in England vor. Dass der Mallorquiner dann zwölf Jahre in Deutschland blieb und nie zu den Briten kam, war dem Zufall geschuldet.

Zuerst einmal landete er in Mainz ausgerechnet im Café Mallorca. „Du bist doch der Garriga aus Inca?", fragte ihn der Besitzer Antonio Ripoll aus Sóller. „Willst du nicht für den FSV Mainz 05 Fußball spielen? Ich habe Kontakte zur Clubführung." Garriga hatte bislang nur in der vierten spanischen Liga für Constancia in Inca gespielt. Doch er überzeugte beim Probetraining und wurde der erste Spanier, der in der deutschen Oberliga - damals die höchste Spielklasse - Fußball spielte.

Neben Garriga beschäftigte der Verein mit einem Iraner nur einen weiteren Ausländer. Ein internatio­nales Ambiente, welches heutzutage in den Clubs vorzufinden ist, war damals undenkbar. „Keiner meiner Mitspieler wusste, wo Mallorca liegt." Auch sprachlich gab es so einige Barrieren: „Das erste Jahr hab ich mich fast nur mit Zeichensprache verständigt. Auf dem Platz brauchte ich zum Glück nicht viele Worte." Mitspieler Manfred Zimmer nahm den Mallorquiner in der Anfangszeit bei sich zu Hause auf. „Er ist wie ein Bruder für mich", sagt Garriga. Bis heute sind die beiden Fußballer eng befreundet. Zimmer hat sich auch ein Haus in Alcúdia gekauft. Vor einer Woche besuchten sie zusammen mit anderen Veteranen Malik Fathi. Der Spieler von Atlético Baleares hat früher auch beim FSV Mainz 05 gespielt.

Als sich Garriga eine eigene Wohnung suchte, halfen ihm seine mallorquinischen Wurzeln. „Vermieter haben Leute aus Madrid oder Galicien weggeschickt, weil angeblich kein Zimmer mehr frei sei. Als sie gehört hatten, dass ich aus Mallorca komme, war mein Vermieter begeistert. Er wollte bald Urlaub auf der Insel machen."

Viel Geld verdienten die Fußballer damals noch nicht. Garriga hat seinen Vertrag bis heute aufgehoben. 120 Deutsche Mark hat er im Monat verdient. Für einen Einsatz in der ersten Mannschaft gab es zehn Mark extra. Laut Vertragsklausel verpflichtete er sich, „mit seinem ganzen spielerischen Können und seiner Kraft sich für den Verein einzusetzen."

In fünf Jahren beim FSV Mainz 05 hat Garriga nur 40 Spiele bestritten. „Daran ist meine Zeit beim Militär schuld", erklärt er. Für 18 Monate musste er zurück auf die Insel, um den Grundwehrdienst zu absolvieren. „Damals lebte noch Franco und nach dem Dienst mussten die Soldaten ein weiteres Jahr in Spanien bleiben." Eine Sondergenehmigung bekam er aber von einem Freund im ­Ministerium, Garriga konnte bereits vier Monate nach seinem Militärdienst nach Mainz zurückkehren.

Um für sein Leben in Deutschland aufzukommen, musste Garriga neben dem Fußballspielen arbeiten. Ein Vorsitzender des Vereins besorgte ihm einen Job in dessen Reinigungsfirma. Als Fahrer eines Transporters musste er das Personal abholen und zum Einsatzort bringen. „Ich habe eigentlich nur meine Zeit abgesessen und nichts gemacht", sagt der heute 77-Jährige lachend.

Die Arbeit hatte auch etwas Gutes an sich. Er lernte die Tochter des Chefs kennen, sie verliebten sich und heirateten. Es folgten sechs Kinder. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich nie eine kleine blonde Ausländerin heiraten werde", sagt er. 1972 ist der Fußballer mit seiner Frau nach Mallorca zurückgekehrt. Auf der Insel baute er sich seine eigene Reinigungsfirma auf, die heute sein Sohn leitet. Später übernahm Garriga das Traineramt in seinem Heimatverein Constancia. Dabei hat er beinahe verhindert, dass ein anderer Mallorquiner seinem Werdegang folgt. Als Guillermo Vallori zu alt für die zweite Mannschaft von Real Mallorca wurde, wollte Garriga ihn zu Constancia holen. „Wir waren uns über den Wechsel einig, aber dann haben die Schweizer dazwischengefunkt." Über Grashoppers Zürich kam Vallori zu 1860 München und spielt unterdessen wieder auf der Insel bei Atlético Baleares.

Eine Präferenz zwischen den beiden mallorquinischen Clubs hat er nicht. „Die brauchen beide ein Wunder, um ihre Ziele zu schaffen. Ich wünsche Atlético Baleares den Aufstieg und Real Mallorca den Klassenerhalt." Aber Fan ist und bleibt er einzig vom FSV Mainz 05. Und das ist nicht leicht in diesen Tagen. Nach dem 0:0-Unentschieden gegen den Hamburger SV steht Garrigas ehemaliger Club auf Tabellenplatz 15, punktgleich mit dem HSV auf dem Relegationsplatz dahinter. „Meine Kumpels sagen, dass wir im Falle der Relegation absteigen. Ich sehe die Lage auch sehr schwarz."

Dabei spielen mit Jairo und Bojan zwei spanische Nachfolger von Garriga bei Mainz. Besonders bei Bojan war die Erwartungshaltung des Clubs wesentlich größer. Der 26-Jährige hat in allen großen europäischen Ligen gespielt und galt einst als der „neue Messi". „In seiner Zeit bei Barcelona war Bojan von Weltklasseleuten umgeben und brauchte oft den Ball nur einschieben. In Mainz muss er für den Erfolg arbeiten und das kann er nicht."

Nicht nur in Mainz, sondern in der ganzen Bundesliga haben spanische Fußballer Hochkonjunktur. Spätestens mit Pep Guardiolas Trainerzeit beim FC Bayern München kam eine regelrechte Welle an Spaniern in die Bundesliga. 13 spanische Spieler stehen in dieser Saison bei Vereinen in der ersten Liga unter Vertrag. „Es überrascht mich, dass es so viele sind", sagt Garriga. „Deutsche Spieler bringen alle Eigenschaften mit, die man zum Fußballspielen benötigt: Technik, Kraft, Einsatzbereitschaft." Die Iberer hingegen seien nicht so konstant in ihrer Leistung. „Wir spielen 15 Minuten phänomenal und danach tauchen wir ab."

Doch die Spanier scheinen zum Erfolg ihren Teil beizutragen. Mit vier Spielern spielen die meisten iberischen Profis beim FC Bayern München. Und die sind Meister geworden.