Wenn Ricardo Aracil allein in seinen Heißluftballon steigt, will er nicht die Landschaft erkunden. Der 52-Jährige kämpft um Punkte und Titel. Denn der Pilot trägt mit den Ballons sportliche Wettkämpfe aus. „Ich habe aus meinem Beruf mein Hobby gemacht", sagt Aracil in fließendem Deutsch, eine von acht Sprachen, die der Spanier spricht. Seit 1995 nimmt er weltweit an Turnieren teil. 2009 holte er die spanische Meisterschaft, bei der WM 2015 in Dubai landete er auf dem sechsten Platz.

Seit 30 Jahren wohnt der Pilot aus Alicante auf Mallorca. Über einen Job als Reiseleiter bei Neckermann ist er auf die Insel und zu den Ballons gekommen. „Damals wollte ich für meine Kunden Ballonfahrten auf Mallorca anbieten. Die deutschen Piloten hatten aber eine Warteliste von zweieinhalb Jahren und wollten umgerechnet 300 Euro pro Person - zu der damaligen Zeit ziemlicher Wucher." Kurzerhand kaufte sich Aracil einen Ballon und machte in drei Wochen die Fluglizenz. „Heute ist das nicht mehr möglich. Da kostet die Lizenz so viel wie ein Pilotenschein einer Boeing-Maschine und dauert zehn Jahre." Mit einem kleinen Ballon gründete er 1991 sein Unternehmen Mallorca Balloons in Manacor.

Mit den Jahren kam die Leidenschaft für den Sport hinzu. Die Piloten erhalten zum Rennbeginn Koordinaten. Bei manchen Wettbewerben gibt es einen Massenstart. Bei anderen müssen sich die Teilnehmer einen geeigneten Startplatz in der Umgebung suchen. Dann geht es auch um Geschwindigkeit. Denn für den Start und die einzelnen Ziele später gibt es ein zeitliches Limit. Die Ziele sind einfache Kreuze mit größer werdenden Ringen auf dem Boden. „Das ist wie Darts mit Sandsäcken." Die Piloten steuern die Ziele an und müssen den Sandsack möglichst mittig platzieren. „Es ist egal, ob wir aus einem Zentimeter oder einem Kilometer Höhe werfen. Nur den Boden dürfen wir nicht berühren. Das gibt Punktabzug." Je nach Entfernung der Sandsäcke zur Mitte gibt es Punkte. Über den Kreuzen kann es da schon mal etwas eng zugehen. 85 Heißluftballons nehmen an einer EM teil. „Wenn die Hülle vom Ballon auf die Hülle eines anderen trifft, ist das kein Problem. Nur Hülle und Korb ist schlecht. Da kann die Hülle reißen." Nach dem Wurf geht es zum nächsten der bis zu sechs Ziele. Elf Durchgänge gibt es bei der EM.

Zum Team von Ricardo Aracil gehört ein Informatiker. „Der sitzt am Computer und gibt mir meine Geschwindigkeit und Richtung vor." Dazu kommt ein Autofahrer, der den Piloten am Ziel abholt und ein weiteres Teammitglied, der die Winde misst. Dafür lässt der Assistent kleine Heliumballons steigen und beobachtet den Wind, der je nach Höhe in eine andere Richtung weht. „Meistens gibt es eine Abweichung von 45 bis 90 Grad von unten nach oben." Um ernsthaft bei der Elite mitmischen zu können, fehlt Aracil qualifiziertes Personal. „Die Wettkämpfe sind meistens im Sommer. Da arbeiten die Leute, die mir wirklich helfen könnten." Zur nächsten EM ab dem 20. August in ­Frankreich begleitet ihn sein 79-jähriger Vater. „Fotos schießen kann er gut. Für das Windmessen muss ich ihm noch einen Crashkurs geben."

Der Wind sei im Heißluftballon nicht zu spüren. So bedarf es viel Erfahrung, um den Luftstrom in eine andere Richtung zu erwischen. „Das ist wie beim Sprung ins Wasser. Für einen kurzen Augenblick merkt man den Wechsel." Training erhält Aracil nur bei Wettkämpfen oder den Ausflügen mit seinen Kunden. „Für eine Übungseinheit müsste meine Crew freihaben. Dazu kommen die Kosten für Benzin und Gas. Insgesamt 300 bis 400 Euro kann ich mir für ein Training nicht leisten."

Der Zuschauerzuspruch bei den Turnieren in Spanien hält sich in Grenzen. Besser sieht es da in Deutschland aus. „Bei der Montgolfiade in Warstein kommen um die 50.000 Besucher. Das Highlight ist aber das Rennen in Albuquerque mit einer halben Million Zuschauer." Um seine Sportart noch bekannter zu machen, schwebt Aracil eine Regel­änderung vor. Bei den Rennen müssen auch bestimmte Koordinaten angesteuert werden, die der Zuschauer am Boden nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel muss ein Kirchturm möglichst nah überfahren werden. Erst nach Auswertung von GPS-Daten stehe der Sieger erst Tage später fest. Solche „virtuellen Ziele" will Aracil abschaffen.

Für die Regeländerung kämpft er als Abgeordneter des spanischen Verbandes. Gemeinsam mit den Hoteliers von Peguera hat der 52-Jährige die nächste Tagung des internationalen Verbandes FAI im kommenden März auf der Insel organisiert. Ein Diskussionspunkt wird dann der Austragungsort der Europameisterschaft im Oktober 2019 sein. Aracil träumt von einer Heim-EM. „Aber wir haben nur wenige Chancen. Der Transport, die Hotels und das Gas sind doppelt so teuer wie auf dem Festland."