Joan Munar ist erst 21, aber schon bei zwei Paralympischen Spielen gestartet. Der Sprinter aus Peguera hat von Geburt an die Netzhautdegeneration Retinopathia pigmentosa. Bei der Leichtathletik-WM in London holte er zwei Medaillen. Neben dem Sport studiert er Dolmetschen für die Sprachen Deutsch und Englisch in Barcelona. „Aber die Fragen bitte auf Spanisch stellen", sagt er beim MZ-Interview auf der Leichtathletikbahn in Magaluf lachend. „Schließlich bin ich erst im zweiten Studienjahr."

Sie haben bei der WM Bronze über die 100 Meter geholt. Danach sagten Sie: Besser geht es nicht. Ist das nicht untertrieben für einen 21-Jährigen?

Das war eine hart umkämpfte Medaille und meine erste WM-Medaille überhaupt. Zudem habe ich meine persönliche Bestzeit mit 11,09 Sekunden aufgestellt.

Mit Silber über 200 Meter haben Sie sich danach aber schon verbessert.

Da habe ich leider knapp meine Bestzeit verfehlt. Aber angefühlt hat es sich wie eine Goldmedaille.

Diese hätten Sie beinahe mit der 4?x?100-Meter-Staffel geholt. Sie kamen als erstes Team durch das Ziel, wurden dann aber disqualifiziert. Was ist passiert?

Wir waren zehn Minuten lang völlig euphorisiert, da wir dachten, dass wir gewonnen haben. Es war ein sehr verunglücktes Rennen, mehrere Teams haben den Staffelstab fallen lassen. Wir haben beim Wechsel vom zweiten zum dritten Läufer den Stab außerhalb der Wechselzone übergeben und wurden daher zu Recht disqualifiziert.

Sie treten in der Kategorie T12 an. Was bedeutet das?

Es gibt drei Kategorien: T11, T12 und T13. Bei T11 laufen völlig blinde Sportler mit einem Begleitläufer. Bei T12 können die Sprinter zum Teil sehen und können sich entscheiden, ob sie mit Begleitung laufen oder ohne. Die T13-Athleten können mehr sehen und müssen ohne Begleitung starten.

Wie viel können Sie sehen?

Bei hellem Licht kann ich mehr sehen. Dann sind es 8 Prozent von dem, was ein normaler Mensch sieht. Wenn sich Farben ähneln, wie ein schwaches Orange und Gelb, dann habe ich Probleme, sie zu unterscheiden. Rot und Weiß kann ich aber klar trennen. In für mich unbekannten Gegenden nehme ich zur Sicherheit immer den Blindenstock mit.

Warum laufen Sie ohne Begleitung?

Das ist dann eine andere Person, mit der ich mich koordinieren müsste. Das macht es schwieriger. Da mein Augenleiden degenerativ ist, kann es sein, dass ich irgendwann meine Entscheidung ändere. Aber die Ärzte können mir nicht sagen, ob ich in fünf oder in 40 Jahren völlig erblinde.

Ohne Begleitung könnten Sie doch auch gegen die „normalen" Läufer antreten.

Zur Sicherheit bekommt jeder sehbehinderte Läufer zwei der acht Bahnen. Auf gerader Strecke über 100 Meter könnte ich in der normalen Kategorie starten. Aber bei der Kurve über die 200 Meter fällt es mir schwer, die Linien zu sehen, wenn sie nicht klar gezeichnet sind.

Die Paralympischen Spiele werden gewöhnlich nach Olympia ausgetragen und stehen dann immer etwas in dessen Schatten. Wie empfinden Sie das?

Das hängt vom Land ab. 2012 in London kamen mehr Zuschauer zu den paralympischen Wettkämpfen ins Stadion als zu den olympischen zuvor. Vergangenes Jahr in Rio war das Stadion vielleicht nur noch zu 40 Prozent gefüllt.

Da kamen mehr Leute zur diesjährigen WM. London ist offener für den Behindertensport.

Bei der Leichtathletik-WM waren zuerst die Behindertensportler an der Reihe.

Die Reihenfolge ist mir eigentlich egal. Ich ziehe es aber vor, die WM bereits im Juli auszutragen. Dadurch zieht sich unsere Saison nicht so in die Länge. Normalerweise ist unsere WM im September. Da muss ich mich immer

den ganzen Sommer im Hochleistungszentrum in Barcelona vorbereiten. Das ist das erste Jahr meiner professionellen Karriere, in dem ich den Sommer auf Mallorca genießen kann.

Wie sieht es mit der finanziellen Unterstützung für die Behindertensportler aus?

Für eine Goldmedaille in Rio bei den Olympischen Spielen gab es für Spanier 90.000 Euro, bei den Paralympischen Spielen nur 30.000 Euro. Das gleicht sich aber langsam aus. In London 2012 gab es nur 9.000 Euro für die

Paralympioniken.

Ist das in anderen Ländern besser?

In einigen Ländern ist es besser, aber in vielen noch schlechter. Dort bekommen die Sportler nichts. In Spanien bekommt der Begleitläufer das gleiche Geld wie der Sportler selbst. Das gibt es in vielen Ländern nicht. Spanien gehört insofern in finanzieller Hinsicht zur Spitzengruppe.

Wie finanzieren Sie sich?

In Barcelona bin ich im Hochleistungszentrum untergebracht, das das paralympische Komitee stellt. Meine restlichen Ausgaben kann ich durch Siegprämien bei Wettkämpfen abdecken.

Der große Traum ist eine paralympische Medaille?

Klar! Das ist der größte Preis, den ein Athlet bekommen kann.