Weiß beginnt, Schwarz gewinnt. Bei diesem Satz muss Levan Aroshidze lachen. Das deutsche Sprichwort ist dem georgischen Schachgroßmeister nicht geläufig. „Die Weißen beginnen, und die Schwarzen müssen sich daran anpassen", korrigiert der 32-Jährige. In der Fußballsprache ausgedrückt: „Weiß hat immer Heimspiel und macht das Spiel. Die Schwarzen lauern auf Kontermöglichkeiten." Im Schach nennt man das Anzugsvorteil. Laut einer Statistik von www.chessgames.com hat der Spieler mit den weißen Figuren eine zehn Prozent höhere Siegchance.

Das dürfte den Kindern im Hotel Amic Horizonte in Palma bereits geläufig gewesen sein. Dort gab Aroshidze von Freitag (27.10.) bis Sonntag (29.10.) im Rahmen der Mallorca Chess Academy Nachhilfe auf gehobenem Niveau. Statt der Basis-Zugregeln ging es um Schlussszenarien und wie einzelne Figuren am besten zu schlagen sind. Die Academy ist Teil von Proescacs, einer vom Tourismusministerium geförderten Projektserie. Im Zuge derer kommt ab dem 15. November auch die Weltelite zum ­WM-Qualifikationsturnier ins Iberostar Playa de Palma.

„Meine Schüler auf der Insel haben einen Elo-Wert von 1.400 bis 1.500", sagt Aroshidze. Das vom Physiker Arpad Elo (1903-1992) erfundene Wertungssystem ist eine gängige Methode, um die Spielstärke eines Schachspielers zu bestimmen. Je höher die Zahl, umso stärker ist der Spieler. Der norwegische Weltmeister Magnus Carlsen hat beispielsweise 2.826. Levan Aroshidze hat derzeit 2.513. „Da ich mich in letzter Zeit nur ums Unterrichten gekümmert habe, ist er leicht gesunken. Nicht viel, aber man merkt im Wettkampf den Unterschied."

Der Georgier ist studierter Sozialwissenschafter und arbeitete an seiner Doktorarbeit, als ein spanischer Club ihm 2010 anbot, Schach zu lehren. „Ich kannte Spanien von den Turnieren und wusste, dass es durch eine Vielzahl an Wettkämpfen ein gutes Land zum Schachspielen ist. Als Schachspieler ist es schwierig, finanziell auszukommen. Als Lehrer lässt es sich aber gut leben. Daher bin ich ausgewandert."

Aroshidzes Heimat ist bekannt für eine große Schachtradition. „Ich habe mit vier Jahren angefangen. Bereits mein Vater und Großvater waren professionelle Spieler. In Georgien achten die Familien darauf, dass die Kinder ordentlich Schachspielen lernen." Seit 2006 ist er Großmeister, der höchste Rang, den ein Schachspieler erreichen kann.

Vor einem Monat rückte Tiflis in den Fokus der Elite, da dort der Weltpokal ausgespielt wurde. Die beiden Finalteilnehmer qualifizierten sich - genauso wie die kommenden Endspielteilnehmer des FIDE Grand Prix in Palma - für das Kandidatenturnier im März in Berlin. Der Sieger dort spielt wiederum gegen Magnus Carlsen um den WM-Titel.

„Früher musste der Weltmeister wie alle anderen Spieler bei einem Turnier mit zwei Partien pro Runde um den Titel spielen", sagt Aroshidze. Für die Zuschauer war das Aufeinandertreffen der Stars mit den Außenseitern interessant. Den Schachspielern war das aber zu viel Risiko. Durch zwei schwache Partien konnten die vermeintlich Großen frühzeitig ausscheiden. „Der Turniersieg war auch etwas Glückssache und der Gewinner somit nicht der Weltbeste."

Wie schnell der Elo-Wert täuschen kann, erfuhr auch Carlsen in Tiflis. Einige witzelten bereits, dass der 26-Jährige am Ende mit sich selbst um den WM-Titel spielen wird. Doch mit einem Sieg und einem Remis schmiss der Chinese Bu Xiangzhi, die Nummer 29 der Welt, den Norweger in der dritten Runde raus.

Carlsen sei das alte Format mit gleichen Chancen für alle lieber als ein WM-Kampf mit zwölf Partien gegen nur einen Gegner, betonte er zuvor. Der Norweger ist ein kleines bisschen ein Schachromantiker in einer sich ­wandelnden Sportart. „Je weiter sich die Computertechnik entwickelt, umso mehr ändert sich das Schach", sagt Aroshidze. „Heutzutage besteht das Spiel darin, sich an die Simulation zu erinnern, die man vorher am Computer gemacht hat. Man kann eine ganze Partie gewinnen, ohne über einen einzigen Zug wirklich nachzudenken."

In der Vorbereitung auf eine Partie gehen die Profis am Computer mögliche Spieleröffnungen durch. „Es heißt, dass der Italoamerikaner Fabiano Caruana 5.000 Stunden alleine mit dem Studium der Berliner Verteidigung verbracht hat. Und das ist nur eine von vielen Varianten." Carlsen ist da ein Querdenker. „Er mag es nicht, die Eröffnungen zu pauken und überrascht dann meist mit unkonventionellen Zügen." Statt die Mitte zu erobern, geht er über die Außen. „Er versucht, komplexe Situationen zu erschaffen, die den Gegner zum Nachdenken bewegen."

Nach Palma kommt der Norweger nicht. Dafür duellieren sich seine Kontrahenten Levon Aronian und Maxime Vachier-Lagrave, Nummer zwei und drei der Weltrangliste. Levan Aroshidze selbst wird sein Comeback beim am 20. November startenden Open Internacional im Hotel Amic Horizonte geben. Wer antreten will, kann sich unter fbe@fbescacs.org einschreiben. Bedingung ist eine Mitgliedschaft in einem Schachclub.