Die Playa kann auch leise. Angespanntes Schweigen herrscht im Iberostar Bahía de Palma. „Handy bitte ausmachen", sagt eine Dame am Donnerstag (16.11.) an der Rezeption beim Betreten des eigentlich geschlossenen Hotels. Für das Schachturnier Fide Grand Prix Mallorca macht man bis Samstag (26.11.) im Foyer eine Ausnahme. 18 vorwiegend junge Männer - fast alles Weltklasse­spieler - sitzen dort wie bei einer Klausur über den Tisch gebeugt und grübeln. Allenfalls ein verhaltenes Husten oder Räuspern ist zu hören. Hinter einem Absperrband haben sich zehn Zuschauer eingefunden, ältere Männer, die unentwegt auf Bretter und Bildschirme starren. Außer an der Rezeption ist keine Frau zu sehen.

Für Schachfreunde ist es ein Highlight, das es seit 47 Jahren auf Mallorca nicht mehr gab. Beim Grand Prix in Palma werden die zwei letzten Teilnehmer des Berliner Kandidatenturniers im März 2018 ermittelt. Dort wiederum qualifiziert sich der Sieger für das WM-Finale gegen den amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen.

Nach den ersten Zügen auf den Schachbrettern nimmt die Bedenkzeit mit jeder Runde zu. Während es auf den Brettern dadurch immer statischer zugeht, werden die Spieler davor umso regsamer. Auf dem schwarzen Samtteppich herrscht erstaunlich viel Bewegung. Viele Spieler, die gerade nicht am Zug sind, gehen umher und schauen, was auf den anderen Brettern gerade los ist. Ein Tisch, an dem beide Spieler sitzen, ist eine Seltenheit.

Auf einer großen Leinwand sind alle neun Schachbretter mit den aktuellen Positionen abgelichtet. Die Figuren sind mit Sensoren ausgestattet. Jeder Zug wird dem Computer übermittelt und ist so auch für Zuschauer im Internet nachzuvollziehen. Am anderen Ende der langen Eingangshalle sitzt Michael Rahal. Er kommentiert die Spiele auf Youtube mit dem Präsidenten des spanischen Schachverbandes, Francisco Javier Ochoa de Echagüen. Rahal ist selbst internationaler Schachmeister. „Das ist der braune, nicht der schwarze Gürtel, wie wir im Schach sagen." Die 18 Spieler in Palma sind alle Großmeister.

Etwa 60 Schachfreunde folgen dem Livestream von Rahal, der mit einem Mausklick auch Züge simulieren kann. Die Zuschauer können über eine Kommentarfunktion auch Fragen an die Experten stellen. Der Computer rechnet mit und spuckt an der Seite die jeweilige Siegwahrscheinlichkeit aus. Fast alle Partien stehen nach zwei Stunden immer noch bei 50:50. „Auf diesem Niveau sind die Spiele immer sehr ausgeglichen", sagt Rahal. „Anders als beispielsweise im Tennis bedeutet ein Fehler meist die Niederlage. Ein Rafael Nadal kann ein Spiel noch drehen, wenn er einen Punkt herschenkt. Im Schach geht das in der Regel nicht."

Der Menorquiner Paco Vallejo, der mit einer Wildcard teilnimmt, beendet als erster seine Partie mit einem Remis gegen den Chinesen Ding Liren. Wie beim Fußball geht es danach in die Mixed Zone. Auch die Fragen, die das vom Veranstalter Worldchess beauftragte ukrainische Fernsehteam stellt, sind mit denen des Ballsports vergleichbar: Was war für das Spiel entscheidend? Was ist das für ein Gefühl, hier zu spielen? Was ist Ihr Ziel für das Turnier?

„Ein Remis mit den schwarzen Figuren gegen die Nummer 11 der Welt ist ein gutes Ergebnis", sagt Vallejo. „Ansonsten will ich Spaß haben und mein bestes Schach spielen." Danach kommt der Menorquiner zum Interview zu Michael Rahal. Detailliert gehen die Schachexperten jeden einzelnen Zug der gerade gespielten Partie nochmal durch. Ein Remis war die logische Folge des Spielverlaufs, da sind sich alle drei einig.

Wie Vallejo haben auch 14 weitere Spieler in Palma keine Chance mehr auf die Qualifikation für Berlin. Zu schlecht waren die Leistungen bei den Turnieren zuvor in Scharcha (Vereinigte Arabische Emirate), Moskau und Genf, die zu den Ergebnissen in Palma dazugerechnet werden. Ohne Druck kann der Weltranglistenzweite, der Armenier Levon Aronian, spielen. Er hat sich durch den Sieg beim Weltpokal in Tiflis (Georgien) bereits für das Kandidatenturnier qualifiziert. Zum Ruhetag am Dienstag (21.11.) führt er die Wertung in Palma mit zwei Siegen und drei Unentschieden nach fünf Spielen an.

Siege brauchen dringend der Franzose Maxime Vachier-Lagrave und der Armenier Teimour Radjabov. Vachier-Lagrave, die Nummer 5 der Welt, muss in Palma Erster oder Zweiter werden, um noch nach Berlin zu dürfen. Derzeit ist er auf dem zweiten Rang. Radjabov reicht der dritte Platz. Bis Dienstag stand er aber nur auf Rang 8.