Toni Quiñonero ist nervös. „Es ist meine erste Pressekonferenz", sagt er leicht stotternd. Wirklich wohl scheint sich der 28-Jährige angesichts der vielen Journalisten nicht zu fühlen, die ihn zu seiner bevorstehenden WM-Teilnahme befragen.

Quiñonero ist laut eigener Aussage der einzige WCMX-Fahrer Spaniens. Die Bezeichnung WCMX setzt sich aus der Abkürzung von Wheelchair, dem englischen Wort für Rollstuhl, und dem Fahrradsport BMX zusammen. Die Sportart, die auch unter dem Namen Hardcore Sitting (Hartes Sitzen) bekannt ist, wurde vom US-Amerikaner Aaron Fotheringham erfunden und gibt Rollstuhlfahrern die Möglichkeit, sich wie Skateboard-Legende Tony Hawk im Skatepark auszutoben. Mit einem Backflip - einem Rückwärts-Salto - erhielt Fotheringham einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde. „Den Salto kann ich noch nicht", sagt Quiñonero. „Aber das dauert nicht mehr lange."

Quiñonero gewinnt zusehends an Selbstbewusstsein, als er sich seinen Helm aufsetzt und den Journalisten seine Sportart vorführt. Angst habe er nie, sagt er nun mit sicherer Stimme und rollt mit seinem Rollstuhl die Quarterpipe (eine steile Rampe) im Skatepark in Son Moix herunter. Stürze machen dem Sportler nichts aus. Das gehört schließlich zum Skater­leben dazu. Bei seinen Tricks ist der Katalane Perfektionist. „Wartet, ich mache es lieber noch einmal", sagt er bei der Pressevorführung immer wieder. Mit hohem Tempo fährt er über die Rampen. Mit einem Ruck reißt er ein Rad hoch und fährt nur noch auf dem anderen. Stolz ist er auf eine Art Pirouette. Aus dem Rollen heraus dreht er sich blitzschnell einmal um die eigene Achse.

Während sich andere Rollstuhlfahrer beim Anblick einer Treppe vielleicht ärgern, sieht Quiñonero darin einen Sportplatz. „Mein Traum ist es, eine WCMX-Schule auf Mallorca zu eröffnen und anderen Rollstuhlfahrern die Freude am Skaten zu vermitteln."

Der 28-Jährige kommt aus Barcelona und lebt seit drei Jahren in Palma. „Hier habe ich meine Freundin gefunden und eine Wohnung in Son Gotleu gekauft." Quiñonero wurde mit Spina bifida geboren - einer Fehlbildung des Nervensystems im Embryonalalter. Seine Beine sind gelähmt. Seine Freizeit verbrachte der Katalane meist auf der Couch. „Ich habe es mit Rollstuhlbasketball probiert, aber das hat mich gelangweilt." Vor fünf Jahren nahm ihn ein Freund mit zu einem Skatepark. „Ich fand es blöd, nur zuzuschauen, wie er sich amüsiert." Quiñonero nahm seinen Mut zusammen und rollte die Hindernisse herab. „Mir gefiel die Geschwindigkeit und der Adrenalinschub."

Im Internet sah er dann Videos von Fotheringham und begann, auf eigene Faust zu trainieren. Seine Eltern waren über die neue Sportart zu Beginn skeptisch. „Als Jugendlicher war ich kompliziert und ein kleiner Rebell. Meine Eltern dachten, WCMX sei meine neueste Dummheit."

Doch er blieb dabei und nahm 2015 an der ersten WCMX-Weltmeisterschaft teil, die jährlich ausgetragen wird. Alle drei Titel gingen bislang an Erfinder ­Fotheringham. Quiñonero war bei der ersten WM dabei, traf sein Idol von damals und belegte den neunten Platz. Damals finanzierte Rollstuhlhersteller Box Wheelchairs ihm und seine Eltern die Reise nach Texas.

Das US-Unternehmen hat eigens für WCMX-Sportler geeignete Rollstühle geschaffen. Im Gegensatz zu den normalen Rollstühlen haben sie eine starke Federung, die Rückenlehne fehlt und ein Sicherheitsgurt hält die Fahrer am Sitz fest. „Ich benutze eigentlich nur noch den speziellen Rollstuhl. In der Stadt nehme ich auch nie den Bus", sagt Quiñonero. Sechs Tage die Woche trainiert der 28-Jährige. „Es macht mir so viel Spaß, dass ich es nicht als Arbeit wahrnehme."

Einen Job hat Quiñonero nicht. Er lebt so gut es geht von Sponsorengeldern. Bei der Pressekonferenz in Son Moix haben das Instandhaltungsunternehmen Urbia Services und der Rotary Club Calvià ihre Unterstützung zugesichert. Mit den finanziellen Mitteln kann Quiñonero in diesem Jahr wieder an der WM teilnehmen.

Sein WM-Comeback feierte Quiñonero am Donnerstag (5.4.) in Kalifornien, wo das Treffen in diesem Jahr stattfand. „Beim ersten Turnier 2015 kamen 52 Fahrer", sagt der 28-Jährige. In der Qualifikationsrunde bekommt jeder WCMX-Sportler anderthalb Minuten, um in einer Perfomance Tricks vorzuführen. Wie bei den X-Games, einer inoffiziellen Weltmeisterschaft für BMX, Skateboard und andere Extremsportgeräte, gibt es vier Richter. „Es werden die Tricks, die Schwierigkeit, die Ausdauer und der Einsatz bewertet."

Am Ende reichte es für den Fahrer aus Mallorca für die Silbermedaille in der Amateurkategorie.