Sechstagerennen sind eigentlich wie Formel 1 mit Fahrrädern in einer Halle. Schnelle Gefährte, ohrenbetäubender Lärm und eine euphorische Atmosphäre. „Sechstage­rennen ist nicht blind im Kreis fahren, sondern mehr Show und Action", sagt Maximilian Levy. „Für mich ist es ein Riesending, wenn ich in Berlin vor 12.000 Zuschauern fahre." Der 30-Jährige aus Berlin ist einer von sechs Sprintern, die am Samstag (14.4., ab 18.30 Uhr) in der Palma Arena um den Titel der Six Day Series fahren.

Das britische Unternehmen Madison Sports Group hat im vergangenen Jahr erstmalig zum Teil traditionsreiche Sechstagerennen zu einer Serie zusammengeführt. Statt in sechs Tagen wird der Titel an einem Abend auf Mallorca ausgefahren. Für das Finale am Samstag haben sich 46 Fahrer in Sechstagerennen in London, Berlin und Kopenhagen qualifiziert.

Mit einer Stimmung wie in Berlin kann Palma noch nicht mithalten. Die erste Version des Six Day Finals im Vorjahr verlief holprig. „Es war ziemlich zäh", sagt Levy, der damals wegen eines Schlüsselbeinbruchs nur als Zuschauer anwesend war. „Das Konzept war noch nicht auf die Leute zugeschnitten."

„Es wird seine Zeit brauchen, ehe sich das Inselpublikum an das Event gewöhnt", sagt auch der US-Amerikaner Michael Gollner, Chef der Madison Sports Group. Das ginge nicht von heute auf morgen. „Das Sechstagerennen in Berlin gibt es seit 107 Jahren. Die Leute kommen dort seit Generatio­nen hin, machen an Mitternacht Party auf ihren Plätzen und haben die beste Nacht ihres Lebens."

Das Publikum auf Mallorca bestünde hingegen zu 60 Prozent aus Radfahrern, die gerade Urlaub auf der Insel machen. „Viele kommen mit Bräunungsstreifen vom Helm in die Halle. Das sind keine feier­wütigen Zuschauer. Sie wollen Spitzensport sehen."

Und den bekommen sie. Mit Radprofis wie Maximilian Levy bekommt das Publikum in der Palma Arena die Weltelite zu sehen. Der 30-Jährige holte in seiner Karriere je vier EM- und WM-Titel. Hinzu kommen zwei Bronze- und eine Silbermedaille bei Olympia. Bei den Spielen in Rio 2016 reichte es hingegen nur für den fünften Platz, obwohl der Verband auf einen Platz bei den Straßenfahrern verzichtete, um Bahnradprofi Levy zu nominieren. Der Kompromiss war, dass Levy zumindest beim Straßenrennen startet. Das Problem: Das Rennen startete um 9.30 Uhr, und bereits um 11 Uhr stand das Bahnradtraining auf dem Programm. „Mir war von Anfang an klar, dass ich das Rennen nicht beende." Nach 33 Kilometern gab er auf. „Wir sind an der Copacabana gestartet. Der schnellste Weg zur Bahnradhalle war, mitzufahren und dann abzubiegen."

Beim Six Day Final will ­Levy wieder auf das Podium fahren. „Wobei es beim Sechstagerennen nicht um Leben oder Tod geht. Wir Fahrer sind Teil der Show." Wie im Vorjahr legt DJ Martin 2 Smoove Musik auf. Popstar Rihanna soll ihn als besten DJ Londons bezeichnet haben. Für die Qualifikationsrunden können sich die Radprofis bei ihm bestimmte Lieder wünschen. „In der Einführungsrunde animieren wir dann die Zuschauer, dass sie im Takt mitklatschen", sagt Levy.

Dass der wiederentdeckte Trend Sechstagerennen die Mallorquiner noch nicht gänzlich erreicht hat, liegt laut dem 30-Jährigen auch am fehlenden Alkohol. „Ein Sechs­tagerennen ohne Bier geht nicht." Dem stimmt auch Veranstalter Michael Gollner zu. „Das ist wie ein spanisches Abendessen ohne Wein." Das Gesetz unterbindet in Spanien allerdings den Ausschank von Alkohol in Sta­dien und Sporthallen. „Das ist eine große Hürde", sagt Gollner, der sie mit einer Bewirtung in den Außenbereichen zu umgehen versucht. „Dort bieten wir Wein und Bier an. Im Innen­bereich gibt es alkoholfreies Bier."

Ein Vorteil der Sechstagerennen ist, dass die Regeln nicht immer zu 100 Prozent eingehalten werden. „Der Stehversuch ist ein Highlight der Sechstagerennen", sagt Levy. In der Sprintdisziplin treten zwei Fahrer über drei Runden gegeneinander an. Für den Fahrer, der als zweiter fährt, ergibt sich durch den Windschatten ein enormer Vorteil. Daher bleiben die Profis in der zweiten Runde - in der ersten Runde sind Stehversuche verboten - stehen und versuchen, den Gegner nach vorne zu locken. Wer mit den Füßen den Boden berührt oder mehr als 20 Zentimeter rückwärts rollt, verliert automatisch.

Legendär ist ein Stehduell im Halbfinale der italienischen Meisterschaft 1968, als der zweifache Olympiasieger Sergio Bianchetto nach 63 Minuten Stillstand von Krämpfen geplagt vom Fahrrad fiel. Sein Gegner Giovanni Pette­nella gewann das Rennen, ohne es überhaupt zu beenden. „Früher gehörten die Stehversuche zur Fahrrad-Grundschule. Heute gibt es einige Fahrer, die das nicht können. Wenn ich merke, dass mein Gegner schon beim Anhalten ­wackelt und zittert, bleibe ich stehen", sagt ­Levy. Bei offiziellen Rennen hat der internatio­nale Radverband UCI die Anzahl der Stehversuche pro Rennen auf zwei und die Höchstdauer auf 30 Sekunden beschränkt. „Beim Sechstagerennen gehört es aber zur Show, dass die Fahrer ein oder zwei Minuten stehen." So könnte auch Levy in Palma wie Pettenella ohne großen Kraftaufwand zum Sieg kommen.