12.908 Kilometer Luftlinie trennen Mallorca und Guam. Dennoch haben beide Inseln etwas gemeinsam: Die Vorfahren der Inselbewohner jagten mit der Steinschleuder. Aus der einstigen Waffe ist heute ein Sportinstrument geworden und Mallorca ist der Treffpunkt der internationalen Steinschleuderszene. 23 Stunden Reise und 2.500 US-Dollar Kosten für Flugtickets und Unterkunft pro Person nahmen fünf Guamer in Kauf, um in Son Servera am fünften internationalen Steinschleuderturnier teilzunehmen. Im Gegensatz zu einem sehr bescheidenen Ergebnis bei ihrem ersten Auftritt im Vorjahr haben sie am Samstag (3.3.) eine Bronzemedaille gewonnen. Den Sieg holte das dritte Jahr in Folge der Niedersachse Silvio Vass.

Eine lange Tradition

Wie sehr das Steinschleudern in der Tradition von Guam verankert ist, zeigt schon die Nationalfahne, in deren Zentrum ein Schleuderstein abgebildet ist. „Bis vor 300 Jahren gab es viele Schleuderer auf Guam. Noch heute sind zahlreiche Schleudersteine auf der Insel zu finden", sagt Roman Dela Cruz. Doch im Außengebiet der USA wurde das Schleudern nach und nach vergessen. Roman Dela Cruz will der Entwicklung entgegenwirken. „In den vergangenen Jahren ist unsere Steinschleuder-Familie von zehn auf 500 Mitglieder gewachsen."

Im Internet traf der 44-Jährige auf Gleichgesinnte. „Bei Facebook habe ich 2016 mit einem Öster­reicher gechattet, der mir von dem Turnier auf Mallorca berichtet hat." Gemeinsam mit seinem Kameraden Guelu Rosario machte sich Dela Cruz im vergangenen Jahr auf den Weg. Die mallorquinischen Veranstalter waren begeistert von den von weit her angereisten Gästen. Das sportliche Resultat war hingegen dürftig. „Ich habe kein einziges Mal die Zielscheibe getroffen", sagt Dela Cruz und lacht.

Vier Mal fünf Schuss hat jeder Schleuderer beim Turnier. Wer die 1,20 x 1,20 Meter große Zielscheibe trifft, bekommt einen Punkt, ein Treffer auf das im Durchmesser 50 Zentimeter große Bullseye im Zentrum gibt zwei Punkte. „Ich war das Zielschießen nicht gewöhnt. Auf Guam schießen wir immer nur ins Meer."

Traditionell werden auf Guam ovale Steine aus Basalt, Quarz oder Kalk geschleudert. Der Mallorquiner bevorzugt die runde Variante, meist aus Kalk. Geschleudert werden Steine mit einem Gewicht zwischen 100 und 600 Gramm. Die Schleudertechnik ist auf beiden Inseln dieselbe. Die selbst gebastelten Schleuderkordeln haben an einem Ende eine Öse. Durch diese wird ein Finger gesteckt und das andere Ende in die Hand genommen. Die Schleuder wird geladen, durch rotierende Bewegungen in Schwung gebracht und durch Loslassen des losen Endes abgefeuert.

"Ich fühle mich als Beschützer der Insel"

Das Schleudern sei auf Guam eine spirituelle Angelegenheit. „Ich fühle mich als Beschützer der Insel. Wie David, der mit der Steinschleuder gegen den großen Goliath kämpfte", sagt Dela Cruz. Ob sich davon Kim Jong Un beeindrucken ließ, ist nicht bekannt. Der nordkoreanische Staatschef erwog im Vorjahr angeblich einen Angriff mit Atomraketen auf die Pazifikinsel.

Beim internationalen Turnier auf Mallorca bestand das Team aus Guam am Samstag bereits aus fünf Mitgliedern. Das Training des vergangenen Jahres zahlte sich aus, Dela Cruz wurde diesmal Dritter. Probleme mit der Verständigung mit den Mallorquinern gebe es keine, so Dela Cruz. Neben Englisch ist Chamorro die Amtssprache der Guamer. „Seit der spanischen Kolonialisierung am 6. März 1521 sind viele unserer Wörter aus dem Spanischen entlehnt."

Zum 500. Jahrestag der spanischen Besetzung plant Dela Cruz, die internationale Schleudergemeinschaft zu einem Turnier nach Guam zu holen. Mit dabei ist dann auch Kristofor Kennedy Im. Die Guamer haben den Iren von ihrem Sport überzeugt und sind Freunde geworden. „Ich bin der einzige Steinschleuderer aus Irland, das wird sich aber bald ändern", sagt Kristofor Kennedy Im.