Für einen Kosmopoliten ist eine WM Fluch und Segen zugleich. Einerseits sitzt man in der Zwickmühle, wenn zwei Herzensmannschaften aufeinandertreffen. Andererseits hat man viele Pferde im Rennen und kann am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit den Titel feiern. „Eigentlich war ich für Belgien. Jetzt halte ich notgedrungen zu Frankreich", sagt Olaf Bachmann. Der gebürtige Bielefelder ist so etwas wie der Prototyp eines Europäers: Studium in Großbritannien, verheiratet mit einer Französin, deutsche und französische Staatsbürgerschaft, Wohnsitz in Palma, Lehrauftrag am King's College in London für Kriegswissenschaften.

Da er auch zwei Jahre in Belgien gelebt hat, favorisierte er die roten Teufel, wie die belgische Nationalmannschaft auch genannt wird. Am Dienstag (10.7.) war der Traum des ersten WM-Titels Belgiens begraben. Gegen clever aufspielende Franzosen gab es eine 0:1-Pleite im Halbfinale. Dass ausgerechnet der ungeliebte Nachbar für das Aus sorgte, schlug den Belgiern hart auf den Magen. Belgiens-Kapitän Eden Hazard, der vor dem Spiel noch meinte, als Kind Frankreich-Fan gewesen zu sein und sieben Jahre in Lille spielte, sagte nach der Partie: „Ich verliere lieber mit dieser belgischen Mannschaft, als mit dieser französischen zu gewinnen." Nach dem Führungstreffer in der 51. Minute durch Barcelona-Verteidiger Samuel Umtiti haben sich die Franzosen weit zurückgezogen und da­rauf geachtet, nur noch den Sieg über die Zeit zu bringen. Dafür haben sie durch theatralische Einlagen Freistöße rausgeholt und den Ball lange gehalten. Eine im Fußball durchaus übliche Taktik. Das musste auch der Belgier Kevin de Bruyne anerkennen. „Das ist eben smart. Wir hätten das genauso gemacht."

Für Weltbürger Bachmann war Frankreich jenes Team, „das ein kleines bisschen besser Fußball gespielt hat". Für den belgischen Ärger hat er Verständnis. „Man muss meckern. Das ist die dritte Halbzeit."

Die Franzosen hoffen, nach 1998 den zweiten WM-Titel zu holen. Es wäre in etwa die Geschichte des Phönix, der aus der Asche emporsteigt. 2010 zerfleischte sich das Team noch gegenseitig. Die öffentlich ausgetragene Spielerrevolte gegen den ­damaligen Trainer ­Raymond Domenech ging als Fiasko von Knysna in die Geschichte ein. Acht Jahre später sind die Franzosen unter Didier Deschamps zu einer Einheit gereift. Auch außerhalb des Platzes eint die Mannschaft die Nation. Die in Frankreich häufig geführte Rassismus-Debatte hat im Fußball keinen Platz. „Für die Fans ist die Hautfarbe der Spieler egal. Sie sind Franzosen", sagt Olaf Bachmann.

Das Team ist mit Spielern wie Antoine Griezmann, Paul Pogba oder Shootingstar Kylian Mbappé prominent besetzt. Die Mannschaft überzeugt zudem mit taktischer Vielfalt. In der Gruppenphase versuchten die Franzosen noch ihrer Favoritenrolle durch einen offensiven Spielstil mit viel Ballbesitz gerecht zu werden. Wie bei den anderen Favoriten hatte diese Taktik nur mäßigen Erfolg. Deschamps stellte um und überraschte die Argentinier im Achtelfinale mit einer kompakten Defensive und langen Pässen auf die schnellen Stürmer. Die Folge war eines der wohl spektakulärsten Spiele der WM, in dem Frankreich mit 4:3 triumphierte. Auch gegen Uruguay, das die beste Defensive der WM stellte, fanden die Franzosen Lücken.

Im Endspiel am Sonntag (15.7., 17 Uhr) in Moskau erwartet Frankreich der Sieger des zweiten Halbfinales England gegen Kroatien (Sieger stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest). Olaf Bachmann wird dann nicht innerlich zerrissen sein. „Ich bin mehr gegen die Engländer, als dass ich für Kroatien bin."